Die höchsten deutschen Richter haben gesprochen – und ihr Urteil wird Markus Söder nicht gefallen. Die Impfpflicht für die Beschäftigten von Altenheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegediensten kann wie geplant Mitte März in Kraft treten, nachdem das Bundesverfassungsgericht am Freitag einen Eilantrag von über 300 Klägern aus medizinischen Berufen gegen die Impfpflicht abgelehnt hat.
Was passiert ab dem 15. März?
Söder will die Impfpflicht im Freistaat nicht umsetzen und hatte noch am Vorabend der Entscheidung betont: „Der Bund hat bislang keine praxistauglichen Vorgaben gemacht, wie die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgesetzt werden soll.“ Das könne zu einem Pflegenotstand führen. Bayern hatte dem Gesetz über die Teil-Impfpflicht im Bundesrat Ende letzten Jahres zugestimmt, genau wie die große Mehrheit der Abgeordneten von CSU und CDU im Bundestag. Verfassungsrechtler sind sich einig, dass Bayern die Impfpflicht im medizinischen Sektor umsetzen muss. Uneins sind die Juristen darüber, was ab 15. März mit den Pflegekräften passiert, die weder immunisiert noch genesen sind. Muss der Arbeitgeber sie nach Hause schicken oder dürfen das nur die Gesundheitsämter? Können die Betroffenen gekündigt werden oder nicht?
Richter sehen noch Mängel
Mit diesen Details hat sich das Bundesverfassungsgericht in der Eil-Entscheidung nicht befasst. Es wies den Antrag auf eine einstweilige Außerkraftsetzung des Gesetzes ab, erklärte aber gleichwohl: „Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet.“ Die Richter sehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und bemängelten, dass das Gesetz keine genauen Regelungen zum Nachweis einer Impfung oder Genesung treffe.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte die Karlsruher Entscheidung. Das Verfassungsgericht setzt die richtigen Prioritäten, sagte er. „Der Geimpfte trägt ein minimales Risiko der Nebenwirkung.“ Die Impfung aber schütze Alte und Kranke vor schwerer Krankheit und Tod.
Holetschek geht zum Gegenangriff über
Direkt nach dem Urteil war es am bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), die Linie seines Chefs Söder zu verteidigen. Holetschek ging zum Gegenangriff über. „Die, die mit dem Finger Richtung Bayern zeigen, sollten mal überlegen, was sie in Berlin zustande gebracht haben.“ Von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verlangte er eine Entschuldigung, weil dieser Söder vorgeworfen hatte, nahe an der Tyrannei zu operieren.
Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgelehnt. Heime und Pflegedienste warnten ihn davor, dass die Versorgung von Alten und Kranken gefährdet sei, sollten Schwestern und Pfleger ohne Impfung oder durchgemachter Infektion nicht mehr zum Dienst kommen dürfen. Das Deutsche Rote Kreuz und andere Pflegeverbände teilen diese Sorge.
Prüfung für jeden Einzelfall
Der Präsident des bayerischen Landkreistages, Christian Bernreiter (CSU), erklärte aus der Praxis heraus die Probleme bei der Durchsetzung der Teil-Impfpflicht. Bis zum Stichtag Mitte März könnten die Gesundheitsämter „rechtssicher“ gegenüber ungeimpften Pflegekräften kein Betretungsverbot aussprechen, weil es keine einheitlichen Vollzugshinweise gebe. Jeder Einzelfall müsse geprüft werden, das könne bis zu 20 Wochen dauern.