Herbert Blomstedt
Bamberger Ehrendirigent feiert 95. Geburtstag
Auch mit 95 Jahren   führt  Herbert Blomstedt    den Taktstock bei namhaften Orchestern.
Auch mit 95 Jahren führt Herbert Blomstedt den Taktstock bei namhaften Orchestern.
Matthias Creutziger, dpa
von dpa
Bamberg – Herbert Blomstedt ist ein Ausnahmekünstler und musikalischer Weltbürger. Jetzt wird der Ehrendirigent der Bamberger Symphoniker 95 Jahre alt.

Von der Fachwelt gepriesen, von Musikern verehrt und vom Publikum geliebt: Die Lobeshymnen auf Maestro Herbert Blomstedt klingen überall ähnlich. Er gilt als dienstältester Spitzendirigent der Welt und ist dennoch mit seinen Interpretationen jung geblieben.

„Herbert Blomstedt widerlegt in vielerlei Hinsicht die gängigen Klischeevorstellungen eines Dirigenten. Er ist das Gegenteil des eitlen Pultmagiers – und strahlt doch in seiner zutiefst sachhaltigen Kontrolliertheit auf dem Podium ein ganz eigenes, stilles Charisma aus“, würdigen die Bamberger Symphoniker ihren Ehrendirigenten. Am Montag, 11. Juli, feiert Herbert Blomstedt seinen 95. Geburtstag.

„Als Mensch und Dirigent eine Ausnahmeerscheinung“

Diesen Tag wollte er eigentlich in Leipzig verbringen: Das Gewandhausorchester, dessen Kapellmeister Blomstedt von 1998 bis 2005 war, hatte eine Festwoche inklusive Dankgottesdienst und Open-Air-Konzerte geplant.

Doch der Jubilar muss sich von den Folgen eines Sturzes erholen und kann nicht anreisen. „Herbert Blomstedt ist als Mensch, Musiker und Dirigent eine Ausnahmeerscheinung“, sagt Gewandhausdirektor Andreas Schulz.

Er habe in seiner Leipziger Amtszeit nicht nur das Gewandhausorchester essenziell erneuert, sondern auch intensiv am Orchesterklang sowie der Klangkultur gearbeitet und das Repertoire entscheidend erweitert.

Seine Mutter war Pianistin, der Vater war Prediger

Blomstedt kam 1927 als Sohn schwedischer Eltern in den USA zur Welt. Seine Mutter war Pianistin, sein Vater Prediger. Die Mutter gab ihm ersten Musikunterricht. Im Kindesalter wäre er nach eigenem Bekunden am liebsten Lokführer geworden.

Als ein  herausragender Wesenszug von Herbert Blomstedt gilt seine Disziplin.
Als ein herausragender Wesenszug von Herbert Blomstedt gilt seine Disziplin.
Sebastian Willnow, dpa

Als Abiturient hatten es ihm Fächer wie Mathematik, Geschichte, Geografie und Sprachen angetan. Auf den Spuren seines Vaters hätte er auch Theologie studieren können.

Doch schließlich entschied sich Blomstedt für die Musik, studierte in Stockholm Geige, später auch Dirigieren unter anderem bei Leonard Bernstein. 1954 debütierte er als Dirigent bei den Stockholmer Philharmonikern.

Herbert Blomstedt: „Ich hatte wunderbare Eltern“

„Ich bin für alles dankbar, für mein ganzes Leben. Ich hatte wunderbare Eltern, einen strengen geradlinigen Vater, der mir gute Lebensweisheiten weitergab. Meine Mutter war ein wunderbarer Kontrast zu ihm – weich, freundlich, gesellig und eine wunderbare Musikerin“, hat Blomstedt einmal gesagt.

Er sei für seinen Bruder dankbar, von dem er viel gelernt habe: „Er war ein Menschenfreund und völlig selbstlos. Solche Menschen sind selten.“ Und er sei dankbar für seine Frau, die perfekt zu ihm gepasst habe und mit der er vier Töchter hat. Waltraud Blomstedt starb 2003.

„Das stimuliert das Selbstgefühl“

Erste Chefpositionen nahm Blomstedt beim Orchester in Norrköping, bei der Osloer Philharmonie und dem Dänischen Radio-Sinfonieorchester ein. 1969 folgte das Debüt bei der Staatskapelle Dresden, die von 1975 an für zehn Jahre seine künstlerische Heimat wurde. Danach machte Blomstedt das San Francisco Symphony Orchestra zu einem führenden Klangkörper der USA.

Von 1996 bis 1998 war er Chef des NDR- Sinfonieorchesters, dann folgte Leipzig. „Ich habe nie im Leben eine Chefposition gesucht oder mich dafür beworben. Sie sind immer zu mir gekommen. Das stimuliert das Selbstgefühl“, verriet Blomstedt.

„Ich war immer geprägt von Selbstzweifeln. Ich habe mir stets die Frage gestellt, ob ich gut genug bin, um ein Orchester anzuführen. Das war immer mein erster Gedanke“, räumte er schon vor Jahren ein.

Zum Ehrendirigent der Bamberger Symphoniker ernannt 

Im März 2006 wurde Herbert Blomstedt zum Ehrendirigenten der Bamberger Symphoniker auf Lebenszeit ernannt. Er gab im Dezember 1982 sein Debüt am Pult der Bamberger Symphoniker und dirigierte am 18. Februar 2007 sein 100. Konzert des Orchesters.

Im Dezember 1982 dirigierte Blomstedt sein erstes Konzert bei den Bamberger Symphonikern.
Im Dezember 1982 dirigierte Blomstedt sein erstes Konzert bei den Bamberger Symphonikern.
Andreas Herzau

Im aktuellen Programmheft der Bamberger Symphoniker findet Alexander Moore für die Zusammenarbeit mit Blomstedt die folgenden Worte: „Vor genau 40 Jahren dirigierte Herbert Blomstedt im Dezember 1982 erstmals unser Orchester, es war Freundschaft auf den ersten Ton. Getragen von gegenseitiger Wertschätzung und menschlicher Wärme – geleitet vom gemeinsamen Wunsch, jeder Komposition und ihrem Schöpfer den bestmöglichen Dienst zu erweisen, sind wir in vier Jahrzehnten immer mehr zusammengewachsen.“

Blomstedt: Dirigenten sind Anwälte der Komponisten

Blomstedts Amtsverständnis hat er erst kürzlich in einem Interview so formuliert: „Unsere Funktion als Dirigent ist es, den Komponisten zu Gehör zu bringen. Wir sind seine Anwälte. Ich respektiere auch das Orchester. Wir Dirigenten sind nicht dazu da, damit wir uns in die Sonne stellen.“

Ein Wesenszug Blomstedts ist zweifellos seine Disziplin. Noch heute beginnt er jeden Tag mit einem Studium von Partituren. Das scheint so etwas wie Frühsport für den Maestro zu sein. Bernward Gruner, Cellist der Dresdner Staatskapelle, vergleicht es mit einem „Morgengebet“. „Blomstedts Disziplin und Hingabe suchen ihresgleichen.“

Mit dem Bus kreuz und quer durch die USA

Gruner durfte gleich nach seinem Einstieg bei der Staatskapelle Dresden 1979 mit Blomstedt auf eine USA-Tournee gehen. Wochenlang fuhr man mit dem Bus kreuz und quer durchs Land. Der Chef wollte keine Privilegien, sondern saß wie alle anderen Musiker im Bus.

Auch nach seinem Abschied als Chefdirigent der Staatskapelle hat Gruner Blomstedt bei Gastspielen immer wieder erleben dürfen. „Blomstedt hat nie nachgelassen zu arbeiten. Er hat sich im Lauf seines Lebens immer weiter verbessert.“

Es gebe ganz unterschiedliche Arten, wie Dirigenten alt werden. „Manche verblassen, andere bleiben bis zum Schluss fit, machen aber immer wieder dasselbe. Bei Blomstedt lässt sich die Entwicklung bis ins hohe Alter verfolgen. Ich erlebe das Geheimnis seines Alters so, dass er sich immer wieder geistig erneuert. Das ist die Quelle seiner Vitalität.“

Herbert Blomstedt: „Irgendwann kann man nicht mehr“

Blomstedt hat sich selbst keine Grenze gesetzt, wann er den Taktstock aus der Hand legt. „Aber irgendwann kann man nicht mehr. So ist das Leben“, sagte er schon vor langer Zeit.

Und weiter sagt Blomstedt: „Wenn ich nicht mehr gut hören kann, dann macht das wenig Sinn. Da kann man nicht mehr koordinieren. Oder wenn ich ein physisches Gebrechen habe und ich mich nicht gut fühle. Das alles kann passieren. Solange das Orchester Freude hat, mit mir zu musizieren, werde ich das machen. Ich möchte nicht irgendwann das Gefühl haben, dass die Freude nur auf meiner Seite ist.“

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