Vor 77 Jahren befreiten russische Soldaten das KZ-Vernichtungslager Auschwitz. Zum Gedenken legten Bambergs Zweiter Bürgermeister Jonas Glüsenkamp (Grüne) und Martin Arieh Rudolph, der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), in der Thorahalle des Bamberger Jüdischen Friedhofs einen Kranz nieder.Die IKG lud damit zum ersten Mal nicht in der Synagoge zu der Gedenkveranstaltung.
Zahlreiche Bamberger Bürger nahmen an der feier auf dem Friedhof teil. Rudolph rief in seiner Rede die unfassbaren Gräueltaten der Nazis in Erinnerung. Er mahnte: „Heute nach 77 Jahren, zu einem Zeitpunkt, an dem uns kaum noch Überlebende der Schoa als Zeitzeugen zur Verfügung stehen, ist es an uns, jüdischer Minderheit wie nichtjüdischer Mehrheitsgesellschaft, die Erinnerung lebendig zu halten. Damit wir niemals vergessen, wohin das fahrlässige Schweigen eines großen Teils der Bevölkerung geführt hat und heute noch führen kann oder tatsächlich schon führt.“
Der neu gewählte Antisemitismusbeauftragte Bambergs, Patrick Nitzsche, sagte: „Es ist der Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus, für Juden und Sinti und Roma, Homosexuelle, Behinderte, politische und kirchliche Widerstandskämpfer.“ Deshalb betonte er auch: „Mein Verständnis dieser Aufgabe als erster Antisemitismusbeauftragter einer deutschen Stadt reduziert sich nicht auf den Kampf gegen Judenhass, sondern richtet die Augen auf alle menschenfeindlich und rassistisch Bedrohten, denn es ist eine gemeinsame Aufgabe.“ Er freue sich dehalb, Erich Schneeberger, den Landesvorsitzenden der Sinti und Roma, und den Ersten Vorsitzenden Mehmet Cetindere und Herrn Bulat von der türkisch-muslimischen Gemeinde Bambergs hier begrüßen zu dürfen.
Ergreifend sang anschließend Rabbiner Salomon Almekias-Siegl „El male Rachamim“, das Totengebet für die Opfer des Holocaust, das klagend in die hohe Halle aufstieg. Die Namen der Konzentrationslager Auschwitz, Dachau, Bergen-Belsen, Majdanek, Treblinka und Theresienstadt klangen in die abendliche Stille. Am Gedenkstein für die ermordeten Juden Bambergs legten dann Jonas Glüsenkamp und der Vorsitzende der IKG einen Kranz nieder.
Bamberger zeigen Anteilnahme
Am darauffolgenden Samstag gedachte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten Bamberg (VVN/BdA) unter ihrem Vorsitzenden Günter Pierdzig auf der Unteren Brücke des Alten Rathauses der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Trotz kalten und windigen Wetters und Corona kamen rund siebzig Bamberger zu der Veranstaltung. Außer Pierdzig, Nitzsche und Glüsenkamp sprachen als Vertreter der Sinit und Roma Rene Daniel und Luise Gutmann. Sie ist Vorsitzende der Academia Rromai, Verein Rroma zu Rroma, und kam extra aus Regensburg. Beide Redner wiesen auf die großen Opfer ihrer Volksgruppe im Nationalsozialismus hin, aber auch auf die Anfeindungen und Verleumdungen heutzutage. Bei beiden Veranstaltungen waren auch Bambergs Dritter Bürgermeister Wolfgang Metzner (SPD) und Yael Deusel, die Rabbinerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Mischkan ha-Tfila, anwesend und drückten so ihre Solidarität und ihr Mitgefühl mit den Betroffenen aus.
Die Willy-Aron-Gesellschaft hatte dazu aufgerufen, den Gedenktag wegen Corona individuell und dezentral zu begehen. So wurden an den verschiedenen Gedenkorten in Bamberg zum Beispiel Blumen oder Kieselsteine niedergelegt und Kerzen an Stolpersteinen, Gräbern oder in den Fenstern der Häuser aufgestellt.
Schließlich gedachte traditionell auch das Oberlandesgericht an den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Ausschwitz, OLG-Präsident Lothar Schmitt legte gemeinsam mit Generalstaatsanwalt Wolfgang Gründler, der Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Bamberg, Ilona Treibert, dem Vorsitzenden des Anwaltsvereins, Rainer Riegler, und dem Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts, Andreas Zwerger, Blumengestecke an den drei Gedenktafeln im Gebäude des Oberlandesgerichts nieder.