Es riecht ein bisschen wie an der Nordsee. Es ist ähnlich windig und der Schlamm hat die gleiche Farbe wie der Schlick im Watt. Wenn im Herbst in Franken ein Weiher abgelassen wird, wähnen sich die Teichwirte allerdings keinesfalls im Urlaub. Für sie ist das Abfischen anstrengende Arbeit – auch wenn sie gerne ein Familienfest daraus machen.
Herbstzeit ist Erntezeit, auch am Teich. Wernher von Rotenhan und Klaus Tietz führen eine alte Tradition fort: die Teichwirtschaft. Die beiden haben im Weiler Trautberg in der Nähe des Drei-Franken-Ecks einen Weiher gepachtet. „Das ist unser Rückzugsort“, sagt Tietz. Der 75-jährige Kitzinger versteht gut, warum die Mönche schon im Mittelalter Teiche anlegten und so die fränkische Teichwirtschaft begründeten. „Hier hast du Ruhe, Frieden und herrliche Natur.“ – „Und man angelt sich gesunde Gaumenfreuden“, ergänzt Wernher von Rotenhan. „Klaus und ich genießen die naturnahe Bewirtschaftung – Klaus hobbymäßig, ich als Teil meines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Wir erleben viel Schönes hier.“
Alle drei Jahre trommeln Tietz und von Rotenhan Freunde und Familienmitglieder zusammen, denn das Abfischen ist so etwas wie ein Herbstfest für alle – und helfende Hände sind zudem sehr willkommen. „Man muss einfach regelmäßig schauen, was sich unter Wasser so getan hat und was dem Hobbyangler entgangen ist“, begründet Klaus Tietz die Trockenlegung. „Wir machen quasi Inventur.“
Schon ein paar Tage vorher statten die Teichwirte dem Mönch einen Besuch ab. Der Mönch ist kein Pater aus Fleisch und Blut, sondern ein schmales Bauwerk aus Stein und Holz, an dem der Wasserabfluss reguliert werden kann. „Der Name erinnert an die Mönche, die das Bauwerk einst erfunden haben“, erklärt Wernher von Rotenhan. Ein, zwei Tage lang lässt der Agrar-Ingenieur aus Obernbreit den Wasserspiegel langsam sinken. Dann kommt der Tag des Abfischens. Vor Sonnenaufgang zieht von Rotenhans Sohn Johannes die letzten „Stöpsel“. Jetzt läuft der Teich innerhalb von sieben, acht Stunden leer.
Sobald der schlammige Grund zu sehen ist, beginnen die ersten Helfer, durch die braune Brühe zu waten. Mit großen, stabilen Keschern fischen sie ab, was sich in den seichten Wasserlöchern tummelt. Jetzt bekommt der Laie große Augen: Neben Gras- und Spiegelkarpfen, Barschen, Wallern, Welsen, Hechten, Zandern und den weniger beliebten Karauschen („Schusterkarpfen“) kommen scheinbar kleine Ungeheuer mit acht Beinen und zwei Scheren aus dem Schlick zu Tage: Krebse in allen Größen!
Wernher von Rotenhan lacht: „Krebse sind gut, denn sie zeigen an, dass das Gewässer sauber und pflanzenreich ist.“ Heimische Krebse seien früher eine willkommene Bereicherung der Speisekarte gewesen. Doch schlechte Wasserqualität und die Krebspest machten den meisten deutschen Edel- und Flusskrebsen den Garaus. Durch Wiederansiedlung und Zuchtprogramme vermehrt sich „Astacus astacus“, der Edelkrebs, jetzt zwar wieder gut, im Trautberger Weiher leben allerdings nur die so genannten Coloradokrebse, die nicht ganz so viel auf die Waage bringen wie der bis zu 300 Gramm schwere Deutsche Edelkrebs, aber dafür resistent gegen die Krebspest sind. Auch aus ihnen lässt sich ein leckeres Krebssüppchen zubereiten und als Grillgut eignen sie sich ebenfalls.
Für die Teichwirtschaft übernehmen Krebse, die sich am Ufer Wohnhöhlen anlegen, auch die Funktion einer Gewässerpolizei. Die Allesfresser verputzen Algen ebenso gern wie tote Fische und wirken damit der Ausbreitung von Krankheiten entgegen.
Inzwischen ist es Nachmittag geworden, sämtliche Wassertiere sind abgefischt. „Der Ertrag ist diesmal eher gering“, stellt Wernher von Rotenhan fest. „Durch das Hochwasser im Juli sind wohl einige Fische in den angrenzenden Bach entkommen.“ Der Mönch wird geschlossen, das Wasser staut sich wieder an. Die kleinsten Fische werden zurück in den Teich gelassen, wo sie weiterwachsen dürfen. „Im Frühjahr werden wir den Besatz noch um Zander und Karpfen ergänzen.“
Kartoffeln am Lagerfeuer
Einige Helfer haben ein Lagerfeuer entfacht. Ob zum Abschluss des langen Abfisch-Tages gleich ein paar Wassertiere über dem Feuer gegrillt werden? „Nein, die Fische kommen erst mal in ein Hälterbecken mit sauberem Wasser und Sauerstoff“, erklärt von Rotenhan. „Dort werden sie einige Tage gewässert, um den moderigen Schlammgeschmack restlos loszuwerden.“ Also gibt’s zur Stärkung Kaffee, Kuchen, Brotzeit und herrlich herbstlich duftende Feuer-Kartoffeln. „Es schmeckt nirgends besser als am Teich“, sagt Klaus Tietz. Und alle geben ihm recht.