Das Jahr 1871 war auf europäischer Ebene ein ganz besonderes für die Bürger Bayerns und Deutschlands. Im Frühjahr, nachdem der Sieg über Frankreich sicher war, wurde der Preußenkönig Wilhelm zum deutschen Kaiser gewählt.
Die meisten deutschen Staaten (heutige Bundesländer) traten der Bundesverfassung bei, womit das neu geschaffene zweite Deutsche Reich größer wurde und damit die Grundlage geschaffen werden konnte für einen förderalen Staat nach heutigem Muster.
Auswirkungen in der Fränkischen spürbar
Für die Menschen auf dem Land hier, war damals wie heute die Politik ganz weit weg; nur die Auswirkungen waren auch hier spürbar, wie eine große staatliche Lotterie zugunsten in Not geratener Soldaten.
In Wohlmuthshüll hat ein Bauernsohn mit vier Pfund Sprengpulver experimentiert, das daraufhin explodiert ist und das halbe Wohnhaus zerstört.
In Heiligenstadt wurden zwei flüchtende französische Soldaten gefangen genommen, die vorher in Erfurt entflohen waren.
Für Furore im Amtsblatt für die Bezirksämter Forchheim und Ebermannstadt sorgte die Meldung, dass an Sonntagen im Juni "mit einem um zwei Uhr von Nürnberg abgehenden Zuge Personen bis Forchheim befördert werden".
"Serbische Banden, die die Sicherheit gefährden"
Gewarnt wurde vor "serbischen Banden", die die "öffentliche Sicherheit gefährden", weil sie mit vielen Kindern und mit Bären als Attraktion umherziehen. Die Bürgermeister wurden in der Bekanntmachung angehalten, "den Aufenthalt in ihren Gemeinden nicht zu gestatten".
Der Bierverbrauch beträgt damals per Kopf in Bayern 80 Maß, in England 74 Maß, Belgien 51 Maß, Württemberg 40 Maß, Österreich 16 Maß, Frankreich 13 Maß, Schweiz 12 Maß jährlich. Im Vergleich dazu liegt der Bierkonsum in Bayern derzeit bei rund 135 Liter im Jahr, sagt der bayerische Brauerbund.
Apropos Bier: Das Forchheimer Annafest dauerte vor 150 Jahren von Sonntag, 23. Juli bis Mittwoch, 26. Juli. Am 24. und 25. Juli veranstaltete die Forchheimer Schützengesellschaft ein "bayerisches Schießen", wozu alle Schießfreunde eingeladen waren.
"Roßkrankheit" und Cholera
Negatives gab es auch zu berichten aus jenem Jahr: Die "Roßkrankeit", die von französischen Kriegsheeren stammen und konfisziert worden sind. Die Cholera war damals ebenfalls aktiv. Noch im September gab es die Verordnung, dass die Gemeinden dem Bezirksamt mitteilen sollten, in welchen Räumlichkeiten Kranke isoliert werden können und es gab genaue Hinweise auf die Desinfektion der "Aborte, namentlich in Gast- und Wirtshäusern, Spitälern und Armenhäusern".
Neue Maßeinheiten und Gewichte
Am meisten beschäftigten sich die Menschen mit den neuen Maßen und Gewichten, die ab dem 1. Januar 1872 in ganz Bayern galten. Es gab sogar ein Gedicht davon, in dem das Längenmaß, das Flächenmaß und das Hohl- und Gewichtsmaß genau definiert war.
Eine Volkszählung gab es in diesem Jahr auch. Für Forchheim ergab es folgende Ergebnisse: 3067 Katholiken, 430 Protestanten, 161 Juden. Übernachtet haben insgesamt 46 Personen. Dazu kommen 231 Soldaten, insgesamt also 3659, 181 mehr als bei der letzten Zählung.
Fertigstellung der Wasserleitung in Siegritz
In Siegritz bei Heiligenstadt wurde im Dezember ein großes Fest gefeiert: Die Fertigstellung der eigenen Wasserleitung von der Quelle bis hinauf in den Ort auf einer Länge von 3200 Metern. Wie bei einem Volksfest gab es Reden und Glückwünsche, einen Festzug mit dem Bezirksamtmann, Blaskapelle und Pfarrer durchs geschmückte Dorf zum Dorfbrunnen. Anschließend ging es ins Wirtshaus, das aber nicht alle Menschen fassen konnte. "Daher wurden in Privatwohnungen provisorische Bierschenken eingerichtet", damit auch jeder mitfeiern konnte.
Und dann gab es noch die Meldung, dass eine Zeitung aus San Francisco eine "Gesellschaftreise rund um die Welt in 82 Tagen" anbietet. 1145 Dollar sind pro Kopf zu zahlen (Verpflegung inbegriffen). Die Route ist rund 23 500 Meilen lang, das entspricht einer täglichen Strecke von 286 Meilen oder rund 457 Kilometern, berichtet das Blatt. Nicht schlecht für damalige Verhältnisse.