So mancher fragte sich, was sich wohl in der Kugel oben auf dem Kirchturm verbirgt. Diese Frage kann nun endlich beantwortet werden, meint Kirchenpfleger Nikolaus Demharter. Oft wurde über die Inhalte spekuliert. Im Turmknopf der Dormitzer Pfarrkirche waren Münzen und Geldscheine aus vergangenen Epochen und auch eine Zeitung vom 10. August 1955.
Alte Briefe und Rechnungen waren darin eingewickelt. Älteres Geld stammt aus dem Deutschen Reich, vermutlich von der Turmrenovierung um 1922, meinen die Dormitzer, die diese Schätze nun sortieren und zuordnen.
Einer der Briefe ist vom 7. August 1955 datiert. Als Verfasser hat Pfarrer Josef Hildenbrand gezeichnet. In dem Brief schreibt der Pfarrer: „Ein schrecklicher Sturm am Tag vor dem Heiligen Abend des Jahres 1954 brach auf dem Kirchturm die Helmstange mitten durch, so dass Turmkreuz, Wetterhahn und Kugel abstürzten. Ein Glück im Unglück war, dass das Kreuz am Blitzableiterseil in halber Turmhelmhöhe hängenblieb.“
Der Dachdeckermeister Martin Weiß aus Nürnberg wurde beauftragt und die nötige Holzbearbeitung erfolgte durch den hiesigen Fachmann Johann Derfuß, Wagnerei in Dormitz Nr. 57, informiert der Pfarrer in dem Brief. Auch die bewegte Nachkriegszeit hielt der Geistliche in den Briefen fest. Am Ende listet er noch die Mitglieder der Kirchenverwaltung auf.
Weit schwieriger zu entziffern sind für den Kirchenpfleger die Schriftstücke aus dem Jahre 1922, die ebenfalls zu den Schätzen in der Turmkugel gehören. Als Verfasser konnte Pfarrer Heinrich Hamm aus Neunkirchen am Brand gelesen werden. Der Geistliche r benannte in den Briefen Andreas Siebenhaar als Kirchenpfleger und Johann Friedrich Knetzger als Bürgermeister. „Wir werden diesen Briefen auch einen eigenen für unsere Nachfolger beifügen. Darin werden die Baumaßnahmen und die Lebensumstände geschildert. Verwundert wird in der Zukunft von der Pandemie gelesen werden“, sagt Kirchenpfleger Nikolaus Demharter.
Fast übersehen worden war ein kleines unscheinbares und zerbrochenes Kreuz, das Rätsel aufgab. Die Maße des Kreuzes beschreibt Demharter: Es ist 72 Millimeter (mit Öse ohne Ring) hoch und 42 Millimeter breit. „Das Material könnte Messing oder auch Kupfer, vergoldet, sein. Aufgrund seiner Form ist es ein Kleeblattkreuz, bei dem die drei Blätter die heilige Dreieinigkeit symbolisieren“, sagt der Kirchenpfleger.
Zeichen und Symbole
Weitaus rätselhafter sind die übrigen Zeichen und Symbole. Damit meint er nicht das A und O, sondern die Pilze, Tische oder Hammer, Windräder und andere seltsame Symbole und Ziffern. Zusammen mit Katja Walcher von der Kirchenverwaltung fand er in der österreichischen Literatur Erklärungen bei ähnlichen Kreuzen und Symbole. „Ganz allgemein lässt sich sagen, dass es sich um ein sogenanntes gematrisches Namen-Gottes-Kreuz, vermutlich aus dem 17. Jahrhundert, handelt“, informiert Demharter.
Die Pilze sind Tau-Kreuze, zu dieser Zeit ein Abwehrzeichen gegen alles Unheil, insbesondere gegen die Pest. Das Zeichen kommt sieben Mal auf dem Dormitzer Kreuz vor. Links auf der Vorderseite ist der Schriftzug „Machabaei“ zu lesen, der sich auf das alttestamentliche Buch der Makkabäer beziehe. „Im senkrechten Balken findet sich von oben nach unten das Tau, der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabets, und Aleph, die Windmühle, der erste Buchstabe“, beschreibt Demharter. Die Windmühlen stehen also für das Alpha und Omega.
Recherchen
Seine Recherchen über das kleine Kreuz in der Kugel führen zur Geheimlehre Kabbala und zur Gematrie, was die Hebräer betrieben. Die Gematrie ist die Umsetzung von Buchstaben in Zahlen. „Allerdings hatte wohl der Künstler keine genaue Vorlage, da er sich sowohl bei den hebräischen Schriftzeichen als auch bei der Ziffernfolge verschrieben hat“, erklärt der Kirchenpfleger. Die Zeichen in senkrechter Abfolge wurden ebenfalls frei interpretiert – ein Hinweis darauf, dass der Künstler keinder hebräischen Schrift nicht mächtig war.
Diese Kreuze stammen eigentlich aus dem süddeutschen und österreichischen Raum und sind als Schutzamulette im 17. Jahrhundert benutzt worden. Ist das Kreuz mit der Wiederbesiedlung von Dormitz nach dem Dreißigjährigen Krieg hierher gekommen? „Vielleicht hat aber auch ein Dachdeckergeselle auf der Walz anlässlich der Turmbedachung eines hiergelassen. Jedenfalls unterscheidet es sich in Details von den Kreuzen, die in der Literatur zu finden sind. Das macht es zu einem Unikat“, freut sich Nikolaus Demharter. Die Erzdiözese Bamberg wird diese Schätze nun interpretieren und dokumentieren.
Für die Kirchensanierung freuen sich die Dormitzer über Spenden. Bei der Turmbegehung zeigte besonders der Turmkranz erhebliche Schäden. Ausgelöst wurde die umfangreiche Sanierung, als 2017 ein Teil der barocken Stuckdecke herabgestürzt war. Seitdem ist das Gotteshaus geschlossen. Der Spendenstand liegt nun bei circa 30 700 Euro. Für die Gesamtsanierung der Kirche wurden 1,4 Millionen Euro Kosten veranschlagt.
Spendenkonto
Spendenkonto bei der Ligabank: Katholische Kirchenstiftung Dormitz,
IBAN DE70 7509 0300 0109 0380 19
Für eine Spendenquittung: Pfarramt Dormitz, Sebalder Straße 14, Telefon 09134/5708, E-Mail an pfarrei.dormitz@erzbistum-bamberg.de.