Mindestens 126 Kunden haben bei zwei Online-Händlern aus dem Maintal im Jahr 2019 Waren bestellt und per Vorkasse bezahlt. Doch statt der bestellten Uhren, Ketten oder Kopfhörer erhielten viele von ihnen Mahnschreiben und Zahlungsaufforderungen, die einige bezahlten, um ihre Ruhe zu haben.
Am Mittwoch verurteilte das Schöffengericht am Amtsgericht die beiden 23 und 24 Jahre alten Ex-Unternehmer wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 75 Fällen und Betrugs in 52 Fällen zu jeweils einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, die das Gericht für drei Jahre zur Bewährung aussetzte. Als Auflage müssen die beiden jungen Männer den entstandenen Schaden von über 5000 Euro wiedergutmachen und jeweils 2500 Euro an die Haßfurter Tafel beziehungsweise die Lebenshilfe in Bamberg zahlen.
Richter lehnt Bargeld ab
Verteidiger Joachim Voigt wies darauf hin, dass die Gesamtzahl der Verkäufe in die Zehntausende gegangen sei. Im Jahr 2019 habe es eine Vielzahl an Bestellungen, jedoch auch gleichzeitig Lieferschwierigkeiten gegeben. Die beiden Angeklagten seien nicht in der Lage gewesen, das schnelle Wachstum zu bewältigen. Versuche, Schäden wiedergutzumachen, seien daran gescheitert, dass Kunden ihre Kontodaten nicht herausgegeben hätten. Verteidiger Christian Barthelmes ergänzte, dass ein sechsstelliger Betrag bereits zurückgezahlt sei. Die Angeklagten seien unverschuldet in Lieferschwierigkeiten gekommen. „Ab wann ist es Betrug?“, stellte er in den Raum.
Gericht lehnt Bargeld ab: Bloß kein Falschgeld unterjubeln
Sein Anwaltskollege hatte sogar den Schadensbetrag von über 5000 Euro in bar dabei.
Der Vorsitzende lehnte jedoch eine Barzahlung ab, da sich das Gericht „kein Falschgeld unterjubeln lassen“ wolle, wie er mit einem Augenzwinkern sagte. Laut Voigt hätten die Angeklagten einen 24-Stunden-Vollzeitjob gehabt und zeitweise im Büro geschlafen, um die zum Teil mehr als 1000 Bestellungen am Tag abzuarbeiten. Ihr Fehler sei es gewesen, einfach weitergemacht zu haben, ohne auf Reklamationen richtig zu reagieren. Zeitweise hätten die Angeklagten aufgrund steuerlicher Vorteile von Zypern aus agiert. Der Verbraucherschutz stufte die Verkaufsplattformen der Angeklagten als Fake-Shops ein und warnte vor dortigen Einkäufen.
Gar keine Ware oder nur „Schrott“ erhalten
Laut zwei Sachbearbeitern der Polizeidienststelle in Haßfurt waren die Ermittlungen mühselig und zeitraubend. 9000 Zahlungseingängen von Kunden sei man nachgegangen. 200 Kunden hätten kontaktiert werden können, darunter 150 Geschädigte. Viele von ihnen hätten keine Ware oder – wie einige sagten – „Schrott“ erhalten.
Die Sachbearbeiter nannten einige Beispiele. So hätten die Angeklagten mit einem geklauten Youtube-Video für einen Entsafter geworben, geliefert hätten sie jedoch einen minderwertigen, anderen Entsafter. Der „handgemachte Rosenbär“ habe sich als Bausatz entpuppt, den die Kunden hätten selbst zusammenbauen müssen. Ein Hundekissen sei kleiner gewesen, als in der Werbung beschrieben. Nur ein Prozent der Kunden sei zufrieden gewesen, sagte ein Beamter.
Der Staatsanwalt forderte eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten. Die Verteidiger plädierten auf jeweils ein Jahr auf Bewährung. Die Angeklagten seien keine professionellen Betrüger, sondern „reingerutscht“, sagte Verteidiger Barthelmes.
Gericht stellt eine Hochrechnung auf
Das Gericht blieb zwischen den beiden Anträgen. Von 200 erreichten Kunden seien 150 Geschädigte gewesen, sagte Richter Christoph Gillot in der Urteilsbegründung. „Wenn man das auf 9000 Kunden hochrechnet, steht hier schon ein professioneller Betrug im Raum“, argumentierte er. Die Angeklagten hätten Glück gehabt, dass sie nur im Niedrigpreissegment verkauft hätten.
Übrigens: Weiterer Schaden kann durch die beiden Verurteilten nicht entstehen. Ihre Firmen wurden geschlossen. Insolvenzantrag wurde im vergangenen Jahr gestellt. Mittlerweile sind beide in derselben Firma angestellt.