Wenn ein Kind schon vor oder kurz nach der Geburt stirbt, bleiben Eltern häufig nur flüchtige Erinnerungen. Für Eltern ist es ein Moment, wie er schlimmer nicht sein kann. Wer die Kraft und den Mut für ein Foto aufbringt, der hat die Chance, eine bleibende Erinnerung zu haben. Das gestorbene Kind wird im Bild ein Teil der Familie.
Seit einigen Jahren ist die Ebernerin Michaela Mogath als ehrenamtliche „Sternenkinder-Fotografin“ unterwegs und gibt den Eltern damit eine greifbare Erinnerung. Wie es ihr bei dieser sensiblen Aufgabe mit würdevollen Aufnahmen von Kindern ergeht, darüber spricht sie hier.
Die Eberner Fotografin ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 15, elf und sechs Jahren. Von Beruf ist sie gelernte Krankenschwester. Der Fotografie hat sie sich bei Aufnahmen mit Kindern, Hochzeiten oder Familienerinnerungen verschrieben.
Welche Beweggründe gab es, Sternkinder zu fotografieren?
Michaela Mogath: Ich war noch in der Ausbildung als Krankenschwester, als ich das erste Mal mit einem Sternenkind in Kontakt kam. Das Mädchen kam in der 40. Woche als reifes Kind zur Welt, wurde aber tot geboren. Das Baby sah aus, als würde es schlafen, hatte blonde Haare und war bildschön. Ich habe gedacht: ,Wach auf und schrei doch!‘ Über Facebook bekam ich damals viele Informationen über solche Kinder und nach einiger Zeit habe ich mich dann als ,Fotografin bei Sternenkind‘ beworben.
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Gab es Ängste oder Zweifel Sternenkinder zu fotografieren?
Natürlich gab es anfangs Bedenken und es dauerte eineinhalb Jahre bis zum ersten Einsatz. Immer wieder kam in mir die Frage hoch, ob ich das schaffe.
Wie sind Sie zu Ihrem ersten Einsatz gekommen?
Ja, an diesen Tag X erinnere ich mich noch ganz genau. Mein Einsatzort war eineinhalb Stunden von Ebern weg. Die Eltern haben angerufen. Ich war mega aufgeregt, versuchte professionell und ruhig zu bleiben, aber mein Puls war bestimmt auf 180. Auf der Hinfahrt machte ich mir nicht so viel Gedanken, denn das tote Baby lag schon beim Bestatter. Dort war ich aber trotzdem froh, dass meine Kamera wie ein Schutzschild zwischen mir und den Eltern wirkte. Sie waren in tiefer Trauer und das kam mir wie eine geballte Ladung entgegen, so dass auch bei mir die Tränen flossen.
Wie erlebt man diesen Moment, wenn man ankommt und mit den trauernden Eltern zusammentrifft?
Bisher hatte ich schon viele Einsätze und keiner ist mit dem anderen vergleichbar. Da erlebst du Eltern, die wahnsinnig stolz auf ihr Kind sind, bis hin zu solchen, die in einer völligen Schockstarre verharren und kein Wort sprechen. Mir hat für solche Situationen ein Workshop geholfen, in dem es hieß: ,Es ist nicht dein Schicksal, was du da siehst!‘ Ich kann es tatsächlich nicht ändern, aber ich kann durch meine Bilder helfen, dass man sein Kind auch Freunden zeigen kann, zumal es oft wundervolle Bilder sind.
Wie muss man sich diese hochemotionelle Situation vorstellen, die ja äußerst intim ist?
Das ist nicht einfach. Mein Einsatz kann – zwar selten – nur fünf Minuten, aber auch schon einmal drei Stunden dauern. Oft sind die Kinder noch im Kreißsaal, manchmal auch schon auf dem Zimmer oder gar schon beim Pathologen und Bestatter. Zweimal war ich bei Hausgeburten dabei, wo die Eltern von solch einem Schicksal nichts ahnten und ich sie in einem Schockzustand antraf. Wenn Eltern sich darauf vorbereiten können, ist es ganz anders.
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Worauf kommt es bei Ihren Fotos an, was halten Sie fest?
Oft fotografiere ich Händchen und Füßchen, das Ohr, das Köpfchen oder auch ein Muttermal, wenn es ein solches gibt. Manchmal schlage ich den Eltern vor, Haare oder eine Locke abzuschneiden. Ich versuche immer wieder, auch Bilder zusammen mit den Eltern zu machen, vielleicht beim Handhalten. Auch ein Vollbild ist möglich, aber man muss auch manchmal bestimmte Bereiche des Körpers abdecken. Ich habe dazu Einschlagdeckchen oder Erinnerungsstückchen für ein Bild dabei. Da haben wir als Fotografen mehr Möglichkeiten als Hebammen und finden auch mehr Zeit, das mit den Eltern zu besprechen.
Fällt es Ihnen leichter, wenn Sie allein mit dem Kind Fotos machen können oder sind die Eltern doch auch gerne dabei?
Bei ganz kleinen Babys ist es mir oft lieber, wenn ich selbst das Kind zum Fotografieren betten kann. Es kommt auch vor, dass Eltern ihr Kind gar nicht sehen wollen und dann plötzlich sagen: ,Kann ich doch das Gesicht einmal sehen?‘ Oft kommt dieser Wunsch erst nach dem Ansehen des Fotos auf. Und so verschafft das Bild damit sogar den Zugang zum Kind, oder dass die Mutter dann das Kind will und am liebsten gar nicht mehr hergeben würde.
Gab es eine besondere Situation für Sie, die Ihnen zu Herzen ging?
Oft wird bei solch einem Schicksalsschlag nur von den Müttern gesprochen. Aber auch Väter leiden oft sehr, wenn auch anders. Einmal hat ein Vater den Tod seines Kindes nicht verkraftet und ist vor seinem Sternenkind zusammengebrochen.
Wie verarbeiten Sie für sich selbst das Erlebte? Begleitet Sie diese Tätigkeit über den jeweiligen Termin hinaus?
Die Bilder bearbeite ich noch am selben Tag und das brauche ich auch, um das alles abzuschließen. Die Eltern bekommen von mir von den Bildern ein Leporello. Selbstverständlich gibt es auch Eltern oder Situationen, an die ich noch öfter und sehr lange denke. Vergessen kann man es sowieso nicht. Ich schreibe aber auch Einsatzberichte über jeden Auftrag und diese helfen bei der Verarbeitung solcher Erlebnisse.
Wie viele Sternenkinder haben Sie schon fotografiert?
Bisher waren es 87, aber allein in diesem Jahr habe ich schon 37 Sternenkinder fotografiert. Dabei fahre ich zu Einsätzen bis zu einem Radius von rund einer Stunde oder auch einmal bis Würzburg oder Nürnberg. Als „Sternenkind-Fotografen“ machen wir das kostenlos. Es entstehen den Eltern keinerlei Ausgaben, denn alle Fotografen tragen die Kosten selbst. Es ist ein humanitäres Geschenk der Fotografen an die Sternenkindeltern.
Das Gespräch führte unser
Mitarbeiter Günther Geiling.