Sternenkinder
„Natürlich nimmt das einen mit“
Die Doula Steffi Wohlleben (links) und die Hebamme Carolin von Andrian-Werburg gaben Einblicke in ihre Tätigkeit.
Die Doula Steffi Wohlleben (links) und die Hebamme Carolin von Andrian-Werburg gaben Einblicke in ihre Tätigkeit.
Günther Geiling
F-Signet von Redaktion,Günther Geiling Fränkischer Tag
Haßfurt – Hebamme Carolin von Andrian-Werburg und Doula Steffi Wohlleben schildern Erlebnisse mit Totgeburten.

Hebammen haben einen verantwortungsvollen Job und sind da, wenn neues Leben auf die Erde kommt. Sie sind oft auch die ersten Ansprechpartner, wenn die Ankunft eines Kindes mit Abschied verbunden ist – wenn es eine Totgeburt gibt oder ein Kind gleich nach der Geburt stirbt.

Das ist emotional schwer, denn der Tod eines Kindes ist immer eine Tragödie. Wir sprachen mit einer Hebamme und einer Doula darüber, welche Hilfe sie Betroffenen leisten können und wie sie die Sterneneltern in dieser Situation auffangen und begleiten.

Den Beruf einer Hebamme stellt man sich meist als sehr romantisch mit glücklichen Schwangeren und niedlichen Babys vor. War das bei Ihrer Berufswahl auch so und wie sind Sie zum Beruf der Hebamme gekommen?

Carolin von Andrian-Werburg: Mein Interesse für diesen Beruf entwickelte sich sehr bald mit 13 und 14 Jahren. Aber in diesem Alter durfte man ja noch kein Praktikum absolvieren, weil man erst mit 18 Jahren aufgenommen wurde. Deswegen fiel die Entscheidung erst kurz vor der Ausbildung. Natürlich denkt man mehr an die schönen Seiten für eine Frau und hat wenige andere Dinge im Blick.

Wie viele Kinder haben Sie schon auf ihrem Weg in das Leben begleitet und von welchen Gefühlen kann man hier sprechen?

Carolin: Es waren so rund 600 Geburten und bei jeder einzelnen wird man in eine Gefühlswelt hineingezogen. Dennoch muss man diese auch mit Abstand begleiten, und natürlich kommt es auch zu schwierigen Entscheidungen.

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Neben diesen schönen gemeinsamen Stunden mit der werdenden Mutter, dem Kind und der Familie erleben Sie aber auch hautnah die andere Seite des Lebens bis hin zu der Situation, wo man keine Herztöne mehr findet. Haben Sie damit gerechnet, welche Rolle der Tod in einem Beruf spielen kann, der eigentlich auf das Leben ausgerichtet ist?

Carolin: Ich habe in einer Uniklinik gelernt, sprich, ich war zu diesem Zeitpunkt noch Schülerin. Das Ganze war ziemlich zum Ende meiner Ausbildung, als es uns Schülerinnen zur Wahl stand, zu solchen Geburten mitzugehen. Da habe ich auch viele Paare bei „stillen Geburten“ begleitet, mit oder ohne Behinderung, sowie bei Geburten von Kindern, die noch nicht lebensfähig waren. Das hat mich sehr beschäftigt, da fühlt man mit, hat auch Gesprächsbedarf untereinander und vor allem mit dem Paar, was mit dem Kind passiert und wie es weitergehen soll.

Welche Herausforderungen kommen in einer solchen Situation auf Sie zu und wie meistern Sie diese? Erinnern Sie sich noch an einen besonderen Fall?

Carolin: Eigentlich ist es ja unsere Aufgabe, generell die Geburt zu leiten, und dabei versucht man, dies so ruhig wie möglich zu erledigen. Gruselig ist aber schon ein Anruf, dass eine Mutter ihr Kind nicht mehr spürt. Das wurde mir noch intensiver deutlich, als mir das im Freundeskreis passierte, als die junge Mutter zwei Wochen vor der Geburt keine Kindsbewegungen mehr vernahm und das zarte Kind dann tot geboren wurde. Seitdem gehe ich mit so einer Geburt ganz anders um.

In diesem Moment wird eine Frau zur Mutter und hat Anspruch auf Hebammenunterstützung und zeitgleich muss doch auch ein totes Kind versorgt werden. Ist das überhaupt zu schaffen?

Carolin: Natürlich nimmt das einen persönlich mit. Schließlich bin ich selbst Mutter von drei Kindern. Aber wir versuchen, das Kind der Mutter auf die Brust zu legen, dass sie auch den Haut- und Körperkontakt spüren kann. Oft haben Mütter Angst davor und wollen es auch gar nicht sehen.

Man kann Teile des Körpers abdecken, oder wir legen es in ein schönes Einschlagtuch. Eltern dürfen dann ihr Kind noch eine Zeit behalten und selbst darüber entscheiden. Natürlich stehen wir dann auch in anderen Fragen helfend zur Seite.

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Mittlerweile gibt’s neue Wege der Geburtsbegleitung mit einer Doula, die zusätzlich zur Hebamme für eine Geburt in Geborgenheit und Würde sorgt. Das Wort „Doula“ kommt aus dem Altgriechischen und wird meist mit „Dienerin einer Frau“ übersetzt. Sie dient einer Frau vor, während und nach der Geburt. Die 40-jährige Steffi Wohlleben ist bisher die einzige Doula im weiten Umkreis.

Wie sind Sie zu diesem Dienst gekommen und wie beschreiben Sie Ihre Aufgabe?

Steffi Wohlleben: Ich bin ausgebildete Kinderkrankenschwester und habe selbst drei Kinder, die ich durch selbstbestimmte Geburten zur Welt gebracht habe, gut aufgeklärt durch Hebammen, was ich darf und was ich kann. Das ist sicherlich ein Vorteil. Meine Aufgabe ist es, die Familie achtsam und liebevoll auf ihrem Weg durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu begleiten und für ihr Wohlbefinden zu sorgen.

Wer wendet sich an Sie und wie kann man eine Doula engagieren?

Steffi: An mich wenden sich Erstgebärende, die nicht wissen, was auf sie zukommt, oder wenn eine Frau bei der ersten Geburt vielleicht traumatisiert war. Es sind aber auch Alleinerziehende oder Papas rufen mich um Hilfe, weil sie hier nicht Bescheid wissen, oder junge Frauen, die möchten, dass ihre zweite Geburt anders werden soll.

Wie funktioniert dabei die Zusammenarbeit einer Hebamme mit einer Doula?

Steffi: Ich begleite Frauen oder Paare im Kreißsaal, Geburtshaus oder zu Hause in Haßfurt, Schweinfurt, Bamberg und auch weiter weg. Gemeinsames Ziel von Hebammen und Doulas ist, ein achtsames und schönes Geburtserlebnis zu ermöglichen.

Doulas begleiten auch besondere Geburten wie Früh- und Fehlgeburten, Geburten von Kindern mit Behinderung, Frauen in besonderen Lebenssituationen oder die Geburt von Sternenkindern. Wie muss man sich das vorstellen?

Steffi: Ich habe eine extra Fortbildung für Sternenkinderbegleitung absolviert, denn man muss in einem solchen Fall viel Aufklärungsarbeit betreiben. Die werdende Mutter hat immer einen Anspruch auf Hebammenbegleitung, egal in welcher Schwangerschaftswoche die stille Geburt stattfindet.

Meine Aufgabe ist mehr emotionaler Art, die Eltern in dieser schweren Zeit zu begleiten und individuell zu schauen, was sie brauchen und möchten. Das geht von einfach nur da zu sein und zuzuhören bis den Sternenkinderfotografen anzurufen, Einschlagdecken oder Kleidung zu besorgen oder mit dem Bestatter Kontakt aufzunehmen. Außerdem gibt es für die Familien auch ein Sternenkinder-Andenken: eine Kerze, einen Anhänger oder ein kleines Kuscheltier.

Das Gespräch führte unser

Mitarbeiter Günther Geiling

 

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