Sieben Schützengaue, 35 Akteure, 175 Schuss − ein imposantes Erlebnis fand am Neujahrssonntag auf dem Gelände des Modellflugplatzes zwischen Haßfurt und Prappach statt: das traditionelle Neujahrsböllern. Eingeladen hatte der Schützengau Schweinfurt, gekommen waren neben den Akteuren circa 150 Zuschauer, die bereits beim Aufbau gebannt die prachtvoll hergerichteten Nachbauten historischer Kriegswerkzeuge bewunderten. Zudem ließ sich der eine oder andere mit mit den Böllermeistern, die zumeist in altehrwürdiger Kleidung mit würdevollem Gang einherschritten, ablichten.
Initiator war Udo Nass, Gau-Referent der Böllerschießer. Für den Prappacher sind die drei Stunden des Aufbaus und die anschließenden Gespräche ein Höhepunkt des Jahres.
Die Akteure fiebern das ganze Jahr auf das gesamte Ereignis hin. Nass ist stolz, einen Brauch in der Region wiederbelebt zu haben, der von rund 500 Schützenvereinen in Bayern über Jahrhunderte hinweg in die Gegenwart hineingeführt wurde. Und er berichtet, dass sie sich damit ganz in der Würzburger Tradition befänden − dass „in früheren Zeiten Böllerschießen dazu diente, die Stadtbewohner über wesentliche Ereignisse zu informieren“.
Pulverdampf und Schusstechnik
Nass beschreibt einen anständigen Böllerschuss: Er darf laut sein, zudem steigt Pulverdampf auf und die Schusstechnik leistet ihre treuen Dienste. Ganz einfach ist das nicht: Jeder Böllerschütze muss über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, das Böllerpulver vorschriftsmäßig erwerben, aufbewahren und gegebenenfalls auch vernichten können. Eine staatliche Prüfung führe zur erforderlichen Lizenz.
Drei Schuss gleichzeitig
Sie kommen aus der gesamten Region, die Schützen, aus Ober-, Mittel- und Unterfranken. Sieben Schützengaue waren vertreten, Franz Biller aus Wildflecken besitzt nach eigenen Angaben „den größten Sirius Deutschlands“, eine Konstruktion, die drei Schuss gleichzeitig ermöglicht. Es kann nicht laut genug sein, ist Billers Devise. Meist reist er gemeinsam mit seiner Freundin Birgit Strauss.
Sie hat ihr Schussgerät in Berchtesgarten erstanden und nimmt bis zu zwölf Mal im Jahr an solchen Events teil. Beide reisen für ihr Hobby sogar bis ins Saarland. Aus Rathenow in Brandenburg an der Havel stammt Katherina Albrecht. Sie lebt zur Zeit in Franken und hat sich den Richmond Hawkins angeschlossen. Thomas Weillein kam aus Burgwindheim angereist. Ihm war wichtig zu betonen, dass das Böllern friedlichen Charakter habe und auch bei Wallfahrten seinen Platz behaupte: „Bei allen Prozessionen wird geböllert.“
Beeindruckte Zuschauer
Die Sonne stand am Himmel, es war mit 17 Grad außergewöhnlich warm und eine umgehende Abreise stand nur für die wenigsten Anwesenden an. Die Zuschauer mischten sich unter die Akteure, es wurden Kameras gezückt, Fachgespräche geführt. „Sehr gut, beeindruckend“, nannte Christian Emmert aus Augsfeld das Geschehen. In diesem Ausmaß habe er ein solches Ereignis noch nie gesehen.
„Böse Geister“, so erzählt Nass gerne, „sollen vertrieben werden“, doch diese sind nicht die einzigen lärmempfindlichen Wesen auf der Erde: Um nicht den Unmut zu vieler Zeitgenossen hervorzurufen, wurde der Standort vom Zeiler Kapellenberg auf das Modellflughafengelände bei Haßfurt verlegt. Das Gebiet hat keine unmittelbare Nachbarschaft zu Siedlungen. Zudem ist es, wie Nass erklärt, „ohnehin aus dem umgebenden Naturschutzgebiet herausgelöst“.
Die Kehrseite des Böllerns
Auch er will nicht infrage stellen, dass das Böllern eine Kehrseite habe. Der bayerische Jagdverband äußerte sich gegenüber der Redaktion dahingehend, dass Wild und Vögel zweifellos empfindlich auf Lärm reagieren. „Das Wild“, so Egon Frank, Vorsitzender des Kreisverbandes Haßberge, „flüchtet, sucht Deckungen, und wagt sich aus seiner Schutzzone erst wieder heraus, wenn die gewohnte Ruhe über einen längeren Zeitraum hinweg wieder eingekehrt ist. Bis es zurückkommt, können Stunden vergehen, womöglich auch Tage“.
Dass mit dem Böllern Umweltschäden verbunden seien, weisen die Verantwortlichen weit von sich: „wir verwenden nur Schwarzpulver, das nimmt die Erde als Dünger auf“, erklärt ein Teilnehmer. Auf das Ziel, zu böllern arbeiten viele Hobbyschützen Monate lang hin, jeder Schützengau hat seine eigene Tracht, das Schussgerät ist stets auf Hochglanz gebracht.
Der Alltag kehrt wieder ein
Eine beachtliche Zahl Zuschauer beobachtete das Geschehen voller Faszination. Nach 20 Minuten kehrte wieder Ruhe ein, der Rauch verzog sich, die Ohrstöpsel hatten ausgedient. Das Schussgerät wurde wieder eingemottet. Das Neue Jahr war verkündet, der Tradition wurde Rechnung getragen, der Alltag konnte wieder einkehren.
Lesen Sie auch: