Ab 1961 wurde auch die grüne Grenze zwischen Unterfranken und Thüringen Schritt für Schritt wie eine uneinnehmbare Festung ausgebaut. Selbst die Kartoffelernte der Bauern wurde mit Argusaugen bewacht. Über diese Geschichte berichtete der frühere Kreisheimatpfleger Reinhold Albert.
Wie Albert erzählt wurde nach dem Bau der Berliner Mauer, der vor exakt 60 Jahren, am 13. August 1961 begonnen hatte, der Ausbau der Sperranlagen durch die DDR ab September 1961 auch an der etwa 125 Kilometer langen Grenze zwischen Thüringen und Unterfranken vorangetrieben.
In der Chronik der Grenzpolizeiinspektion Mellrichstadt – ihr unterstand die Grenzpolizeistation Maroldsweisach – kann man nachlesen, wie die Grenze von Tag zu Tag undurchdringlicher wurde. Bereits ab 1949 waren auf höher gelegenen Punkten im Gebiet der Sowjetzone Wachtürme aufgestellt worden.
Menschen auf der Flucht aus der DDR
Um den Flüchtlingsstrom aus der DDR einzudämmen (von 1946 bis 1952 flüchteten allein 3000 Menschen aus der Sowjetischen Besatzungszone nach Unterfranken), wurde 1952 entlang der Demarkationslinie im Osten ein zehn Meter breiter Streifen angelegt, auf dem ein Stacheldrahtzaun errichtet wurde.
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Von Lübeck bis Hof zog sich seitdem quer durch Deutschland ein ausgeklügeltes System von Sperranlagen, bewacht und kontrolliert von 15 schwer bewaffneten Regimentern der Grenzpolizei der DDR. Der Bau der Mauer machte das Grenzgebiet zwischen Thüringen und Unterfranken als Schlupfloch von Ost nach West interessant.
Spektakuläre Fluchten häuften sich. So berichtete eine Heimatzeitung 1961: „Die Flucht in den Westen gelang in der Nacht zum Dienstag einem Feldwebel der Nationalen Volksarmee der Ostzone. Der 26-Jährige kam in voller Uniform bei Rothausen (Bad Königshofen) über den Grenzstreifen und bat bei den Behörden um Asyl. Sieben Schüsse und eine Feuergarbe aus der Maschinenpistole wurde auf ihn abgegeben, keiner traf.“
23-Jähriger flieht nach Bayern
Mitte August 1961 erschraken Bauern in Irmelshausen bei ihrer Feldarbeit. An der Demarkationslinie peitschten Schüsse. 20 Meter vor dem Schlagbaum, noch auf DDR-Gebiet, brach ein junger Mann zusammen. Ohne Gemütsbewegung eilten einige Uniformierte hinzu und bewachten den Schwerverletzten, bis er weggeschafft wurde.
Am 5. September 1961 wurde aus Sondheim im Grabfeld berichtet, dass ein 23-jähriger Angehöriger einer Betriebskampfgruppe aus Meiningen, die bei Bohrungen zur Errichtung eines Drahtzaunes an der Zonengrenze eingesetzt wurden, auf bayerisches Gebiet geflüchtet war. Er hatte über das Drahthindernis, das er selbst errichtet hatte, den Sprung in die Freiheit gewagt.
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In dem Bericht heißt es weiter: „Volkspolizisten, die die Arbeiten überwachten, sandten ihm eine Salve nach, die aber ihr Ziel verfehlte. Offensichtlich wird in diesem Gebiet, wo die Betonpfosten bereits angebracht waren, die Zonengrenze jetzt völlig dichtgemacht.“
Die Arbeitsgruppe, die das Bollwerk errichtete, setzte sich aus Volkspolizisten, Angehörigen von Betriebskampfgruppen und der Freien Deutschen Jugend (FDJ) zusammen. Sie verrichteten unter strenger Bewachung durch schwerbewaffnete Volkspolizisten und im Hintergrund aufgestellte Granatwerfer ihre „Sklavenarbeit“.
Fluchtversuche gab es aber auch in die umgekehrte Richtung. Bei Ermershausen wurde von einem Beamten der Grenzpolizei in Grenznähe ein entsprungener Sträfling festgenommen, der versuchte, in die DDR zu gelangen. Wiederholt wurden an der Grenze Männer festgenommen, die sich der Unterhaltspflicht für Frau und Kinder entziehen wollten.
Dörfer müssen geräumt werden
Ende 1961 schwappte nach 1952 eine zweite Zwangsevakuierungswelle über die grenznahen Dörfer in der DDR. Allein im Landkreis Hildburghausen, der direkt an den Landkreis Haßberge grenzt, mussten 104 Personen ihre Heimatdörfer verlassen.
Ab August 1962 wurde an der deutsch-deutschen Grenze fast eine Million Holzkastenminen verlegt. Später kamen weitere Zaunreihen, automatische Schussanlagen und technische Finessen hinzu, die die Grenze unüberwindbar machten. Bis sie sich 1989 ohne einen einzigen Schuss in Nichts auflöste …
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