Sie war ihm ans Herz gewachsen, seit über 20 Jahren hat er ihr Befinden begleitet. Und nun steht er bestürzt vor dem Fragment, das einst eine stolze Linde darstellte.
Andreas Kiraly ist ausgebildeter Forstmann und Baumpfleger. Er wohnt nicht weit weg in Hummelmarter. Kiraly möchte das Ereignis, das Herunterschneiden der bisher ortsbildprägenden Linde an der Kirche, nicht umkommentiert lassen:
Bereits in den 1990er Jahren hatte er entdeckt, dass ein Pilz den Baum befallen hatte und ihn kontinuierlich aushöhlte. Als die Linde noch in der Obhut der Naturschutzbehörde stand, dachte man gemeinsam mit dem Landratsamt über lebenserhaltende Pflegemaßnahmen nach.
Als die Verantwortung für den Baum an der Durchfahrtsstraße vom Landratsamt Haßberge an die katholische Kirchenstiftung rückübertragen wurde, übernahm Kiraly die kontinuierliche Beobachtung und vor allem die Verantwortung über die Verkehrssicherheit der Linde.
Warum wollte man keine Stütze?
Er kontrollierte, betonte Kiraly, wiederholt den Zustand der Linde und dokumentierte deren Zustand, so warb er dann auch beim Kirchenvorstand dafür, dass der Stamm eine Stütze erhält – um ein Umfallen des Baumes zu verhindern.
All dies ist jetzt Geschichte. Andreas Kiraly meinte, er habe das „tragische Schicksal“ des Baumes kommen sehen. Einen Schuldigen will er nicht benennen. Ihm ist es wichtiger, anzumahnen, dass alte Bäume mehr Wertschätzung erfahren sollten.
War der Baum die 4000 Euro nicht wert?
Was sind 4000 Euro? Die hätten investiert werden müssen, um den sicheren Halt des Stammes zu gewährleisten. In Oberfranken gibt es genug Beispiele, wo ähnliche Exemplare erfolgreich gestützt wurden. Das bekannteste Beispiel in Unterfranken ist die Königseiche bei Würzburg. Im Landkreis Haßberge gibt es kein vergleichbares Baumdenkmal.
Andreas Kiraly wirft einen Blick zurück: „Unsere Großeltern haben Linden in ihren Liedern besungen.“
Auch Obstbäume werden nicht mehr geschätzt, sagt Kiraly
Einst schätzte man stattliche Bäume, es gab Streuobstwiesen in Hülle und Fülle. Erst mit dem Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren verschwand die Wertschätzung von Obsthochstämmen als wertvolle Lebensmittelspender. Im Gegenteil, die Landschaft wurde „aufgeräumt“, Abwrackprämien dezimierten den Bestand der Obsthochstämme um bis zu 75 Prozent.
Eine Missachtung grundlegender Werte
Kiraly bedauert, dass die Missachtung der Bäume und ihrer Früchte sich bis heute fortsetzt: Wer sammelt im Herbst noch Obst vom Boden auf?
Ist es der Zeitgeist, wie Kiraly beklagt, dass man einen alten Baum nicht mehr in Würde altern lässt „mit all seinen Blessuren und Verletzungen, die das Leben so mit sich bringt, nicht anders als bei den Menschen auch“?
Die Forstwirtschaft zumindest habe über Jahrzehnte gelehrt, dass nur ein gesunder Baum lebenswert sei; jede Höhlung mindert den materiellen Wert des Baumes. Eine einseitige Sicht mit der Brille der Wirtschaftlichkeit betrachtet.
Bäume werden viel zu sehr mit der Brille der Wirtschaftlichkeit betrachtet
Es gibt zwar schon ein Umdenken, man erkennt, dass jedes Astloch, jeder Riss im Baum ein Eintrittstor für Lebewesen ist, von deren Existenz selbst der Mensch abhängig ist. Doch immer noch verringere sich die Artenvielfalt und verschlechtere sich das Mikroklima.
Aus ästhetischer Sicht, so Kiraly, sei es nur zu bedauern, dass unsere Augen so wenig übrig hätten für die Aura, die alte Bäume umgibt.
Baumbesitzer müssen haften, wenn etwas passiert
Der Fachmann hat Verständnis, dass Baumbesitzer besorgt sind, zur Kasse gebeten zu werden, wenn ein Baum umfällt und Schaden anrichtet. Herabfallende Äste seien ganz ohne Zweifel eine lebensbedrohliche Gefahr. Doch es gebe oft Alternativen und gangbare Wege, um beiden Ansprüchen gerecht werden: Gefahrenabwehr und Naturschutz.
Doch so lange das Kehren im Herbst als unzumutbar angesehen werde, so lange Politiker dem Drängen nachgäben, wenn vor den Friedhöfen das Entfernen von Bäumen gefordert werde, so lange in der Bevölkerung deren Verschwinden nicht mehr als ein Schulterzucken hervorrufe, so lange hätten die Menschen die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
In wenigen Minuten wurde eine 200 Jahre alte Linde zum Torso
200 Jahre war die Linde alt, das sind sechs Menschengenerationen. In wenigen Minuten wurde sie zum Torso. Andreas Kiraly mahnt neue Wertschätzung des Kulturgutes Baumbestand an. Warum? „Für den Erhalt der unterfränkischen Kulturlandschaft, für den Artenschutz für die Verbesserung unseres Klimas.“
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