Burkhard Fraune, dpaDer Streik bei der Deutschen Bahn zwingt seit Mittwoch Tausende zum Improvisieren. Zwar ist der Ersatzfahrplan nach Bahn-Angaben stabil, doch im Fernverkehr sind drei Viertel der Fahrten gestrichen. Auch im Regionalverkehr und bei der S-Bahn müssen Fahrgäste erhebliche Einschränkungen hinnehmen.
Bis in den Kreis Haßberge hinein
Der Streik kann sich auch bei Bahnfahrgästen im Kreis Haßberge bemerkbar machen. Bei Ralf Naumann begann am Dienstag nach der Bekanntgabe des 48-Stunden-Streiks das große Zittern. Am Freitag steht eine Fahrt in den Schwarzwald an. „Normalerweise sollte es bei der Ankündigung, Freitagnacht um 2 Uhr den Ausstand zu beenden, klappen“, hofft er auf eine schnelle Normalisierung der Lage. Dann steht der Fahrt mit der Regionalbahn von Ebelsbach/Eltmann nach Würzburg, mit dem ICE weiter nach Frankfurt und einem weiteren ICE-Umstieg dann nach Freiburg, nichts im Wege.
„Mit Verspätungen könnte ich leben. Außerdem steht uns ja dann zu, jeden Zug zu nutzen, der uns ans Ziel bringt. Wir wollen ja ein paar Tage in den Urlaub und sind nicht auf der Flucht“.
Der DB-Navigator ist für ihn und seine Frau dann „die wohl wichtigste App an diesem Tag.“ Allgemein unternimmt der 50-jährige aus Ebelsbach seit vielen Jahren viele Urlaubsfahrten mit der Bahn. Mit wenigen Ausnahmen – dazu gehören Verspätungen, nicht angezeigte Reservierungen, defekte Toiletten, belegte Sitzplätze – gab es meist nur wenige Probleme. „Da ich nicht gerne lange Strecken auf der Autobahn fahre, nehme ich diese Hindernisse gerne in Kauf.“
Seine Meinung zu einem Streik in der jetzigen Situation ist zwiegespalten. „Einerseits ja. Der Streik ist ein Grundrecht der Arbeitnehmer. Doch jetzt gehen wieder viele neu gewonnene Sympathien für die Bahn, die ohnehin mit vielen Vorurteilen, auch zurecht, zu kämpfen hat, wieder verloren“, verweist er auf die vielen Probleme gerade für neue Pendler oder Familien mit Kindern und Gepäck, für die gerade an den beiden Hauptstreiktagen „sehr viel Stress“ aufkommen dürfte. „Ich denke, bei einigen dürften die Nerven schnell blank liegen.“
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Der Streik soll, wie angekündigt, in der Nacht zum Freitag enden. Wer nicht zwingend muss, sollte bis dahin nicht Zug fahren, rät die Bahn. „Wir setzen alles daran, damit wir am Freitag wieder im Regelbetrieb fahren können.“ Weitere Streiks sind jedoch möglich. „Das entscheiden wir nächste Woche“, kündigte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, im ZDF-„Morgenmagazin“ an.
Auf die Ersatzfahrpläne der Deutschen Bahn ist während des Streiks nach Unternehmensangaben Verlass. „Trotz der kurzfristigen Ankündigung ist es gelungen, die Ersatzfahrpläne im Fern- und Nahverkehr stabil umzusetzen“, teilte sie mit. Auf manchen Strecken waren auch Busse statt Züge im Einsatz, etwa zwischen Leipzig und Nürnberg.
Ein Streikschwerpunkt liegt in den östlichen Bundesländern. Dort ist die GDL traditionell schlagkräftiger, weil im Westen ein Teil der Mitglieder noch Beamte aus Bundesbahn-Zeiten sind und nicht streiken dürfen.
Auf vielen wichtigen Regionalverbindungen wie zwischen Berlin und Magdeburg gebe es ein Grundangebot, teilte die Bahn mit. Bei großen S-Bahnen wie in Berlin und München laufe ein stabiler Ersatzfahrplan. In Frankfurt und Stuttgart kam auf vielen Strecken nur etwa jede Stunde eine S-Bahn. Teils wurde Busersatzverkehr angeboten. Nicht bestreikt werden Konkurrenten der Deutschen Bahn. Sie haben im Regional- und Güterverkehr beträchtliche Marktanteile. Allerdings sind auch bei ihnen Einschränkungen möglich, wenn sich auch Fahrdienstleiter dem GDL-Streik anschließen. Im Güterverkehr sei bei Bahnkonkurrenten am Mittwoch aber alles normal gelaufen, hieß es vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen.
Weselsky bekräftigte die Forderung an den Staatskonzern, ein neues Angebot vorzulegen. Die Offerte mit einer Laufzeit von 40 Monaten bedeute eine Entwertung des Tarifs über die Länge der Laufzeit von unter einem Prozent im Jahr. „Das ist nicht verhandelbar“, so Weselsky. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler warf der Gewerkschaft einen überzogenen Streik vor, zeigte sich aber verhandlungsbereit.