„Der muss doch verrückt sein, der so eine alte Hütte wieder herrichtet!“ Das war nur eine Meinung von etlichen Äußerungen von Königsberger Bürgerinnen und Bürgern, als bekannt wurde, dass die Scheune in der Gasse „Altes Brauhaus“ in Königsberg erhalten, ja, sogar wieder aufgebaut werden soll. Die Bausubstanz machte wirklich keinen Vertrauen erweckenden Eindruck mehr. Die Riegelfelder im Fachwerk waren locker, die Stützbalken auch und auf dem Ziegeldach klafften viele Lücken. Dicht war das Dach bestimmt nicht mehr.
Genutzt wurde die Scheune auch nur noch ab und zu, zum Beispiel bei manchen Königsberger Festen. Elisabeth Baier nutzte sie als Raum und Angebot beim Kränzchenbinden. Der Abriss drohte. Das wollte der neue Besitzer Prof. Dr. Claus Tully nicht. Er wollte sich um das marode Gebäude kümmern. Es wird wieder hergerichtet. Später wollen er und seine Frau darin wohnen.
Claus Tully lebt zurzeit noch im Süden Bayerns, in Grassau im Chiemgau, und ist viel in der Welt herumgekommen. Er ist Soziologe, ehemals Jugendforscher am Deutschen Jugendinstitut, lehrt aktuell als Prof. a. V. an der FU Bozen und an der TU Berlin sowie an der University of Applied Science Geislingen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Sonderbereichen, hat längere Aufenthalte an Schulen und Universitäten im Ausland, wie in den U.S.A. und in Buenos Aires in Argentinien, absolviert. Über 20 Bücher, meistens Fach- und Sachbücher, hat Claus Tully bisher geschrieben.
Wie kommt ein Mann wie Prof. Dr. Claus Tully dazu, sich für eine alte Scheune im Landkreis Haßberge zu interessieren?
Er ist in Zeil am Main geboren. Dort ist er auch aufgewachsen und dorthin hat er noch heute verwandtschaftliche Verbindungen. Er erzählt, er habe er schon als Kind eine Schulfreundin in Königsberg gehabt, und die Familie sei auch öfters von Zeil nach Königsberg gefahren, vielleicht auch, weil hier sein Neffe, der Steinmetz Michael Tully, wohnt, der ihm jetzt bei der Suche nach Statiker, Architekt und Bauhandwerkern sehr geholfen habe. „In Königsberg haben wir auch Familienfeste gefeiert und im Regiomontanushaus gewohnt. Der Ort hat mir und meiner Frau wegen seiner Lebensqualität schon immer gefallen. Und dann gab es irgendwann die Möglichkeit, die Scheune zu erwerben. Dazu gehört immer eine gewisse Naivität, sonst macht man so etwas nicht. Als Wissenschaftler ist man naiv, sonst würde man nichts Neues erfahren. So hat das Projekt auch mit der eigenen Biografie zu tun.“
Wohnen auf einer Ebene
Die Vorteile in der Scheune sieht Tully darin, dass er hier auf einer Ebene wohnen könne – im Gegensatz zu seiner derzeitigen Wohnung. „Wir wohnen in einem Reihenhaus auf mehreren Etagen.“ So gesehen waren seine Liebe zu dem alten Gemäuer aus dem Jahr 1560 und sein Wunsch, die Sanierung der neuen Bleibe in der „Alten Braugasse“ in Königsberg in Angriff zu nehmen, fast schon konsequent. Eine Bleibe, in die bis zu ihrer endgültigen Fertigstellung noch viel Arbeit gesteckt werden muss, wie die zum Richtfest eingeladenen Gäste feststellen konnten. Aber dann wird sie fertig sein und seinen und den Ansprüchen seiner Frau gerecht werden. Sie werden in einem Haus leben, das „in einer schönen Umgebung“ liege, die „man fußläufig bewältigen“ könne.
Das beim Richtfest, das am vergangenen Donnerstagnachmittag stattfand, gefeierte Objekt sah etwas anders aus als bei normalen Richtfesten. Es gab noch keinen Rohbau zu besichtigen, aber das neue hölzerne Innenleben der Scheune. Und daraus konnte man schon entnehmen, dass es einmal eine wunderschöne Bleibe werden wird. Dieser Meinung waren auch die geladenen Gäste, unter ihnen Bürgermeister Claus Bittenbrünn, der dem Bauherren bescheinigte: „Mit Claus Tully haben wir jemanden gefunden, der dieses historische Objekt in einer vom Denkmalschutz vorbildlich begleiteten Maßnahme mit viel Liebe aufwendig saniert und einen Wohnraum in einer der ältesten Scheunen der Stadt schafft. Ein tolle Maßnahme für unsere historische Altstadt.“
Ob er dann meistens zu Hause ist?
Gast war auch die vorherige Besitzerin Elisabeth Baier, die es sich nicht nehmen ließ, mit einem Gedicht zum Richtfest zu gratulieren. Claus Tully selbst antwortete in einem kurzen Interview auf die Frage, warum er sich an den Ausbau herangewagt habe: „Wenn es jetzt gelingt, und danach sieht es aus, dass man das Ding so herrichtet, dass es in der Ortsmitte stehen bleibt und dass es ein Relikt ist, das von 1560 ist. Und so hat früher die äußere Form ausgesehen. Das ist schön.“
Prof. Dr. Claus Tully will mit seiner Frau möglichst bald in das neue Haus einziehen. Wann das sein wird, ist zurzeit noch von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Dass er dann vermutlich nicht immer zu Hause sein wird, kann man aus seiner Aussage folgern: „Ich war immer gerne Forscher und kein einseitiger Mensch.“