Kampf gegen Blutkrebs
So fühlt sich eine Stammzellenspende an
Das Dokument in Lillys Händen besagt, dass weder ihr Nachname noch die Spenderklinik in der Presse genannt werden dürfen. Es könnte nämlich sein, dass der Empfänger im Internet recherchiert, um herauszubekommen wer der Spender ist und das muss abs...
Das Dokument in Lillys Händen besagt, dass weder ihr Nachname noch die Spenderklinik in der Presse genannt werden dürfen. Es könnte nämlich sein, dass der Empfänger im Internet recherchiert, um herauszubekommen wer der Spender ist und das muss absolut geheim bleiben. Erst in zwei Jahren erfährt sie – wenn alles für den Empfänger gut gelaufen ist – dessen Namen.
Johanna Blum
F-Signet von Johanna Blum Fränkischer Tag
Aisch – Weltweit gesehen lautet alle 27 Sekunden die Diagnose: Blutkrebs. Die junge Adelsdorferin Lilly will dem etwas entgegensetzen

Pro Jahr erkranken, laut der deutschen Krebsgesellschaft, in Deutschland rund 13.700 Menschen an Leukämie. Für viele der Blutkrebs-Erkrankten ist eine Stammzellentransplantation die einzige Überlebenschance. 

Der FT hat sich mit Lilly getroffen. Die 19-Jährige war im 2021

bereits Stammzellenspenderin und erzählt von dem Moment, als der Anruf kam und was danach passiert ist.

Warum hast du beschlossen, Stammzellenspender zu werden?

Lilly: Ich sehe es einfach als Selbstverständlichkeit an, anderen Menschen zu helfen.

Wie ist die Registrierung abgelaufen?

Im Mai 2021 habe ich mir auf der Internetseite der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdateiein) ein Registierungspäckchen bestellt. Um mich zu typisieren, kann man einfach eine Speichelprobe von sich selbst entnehmen und einschicken. Aber erst an meinen 18. Geburtstag im April wurde meine Probe in die Typisierungskartei aufgenommen. Ab diesem Zeitpunkt ist es erst möglich, Stammzellen zu spenden.

Wie ging es danach für dich weiter?

Im August 2022 erreichte mich die überraschende Nachricht, dass ich eine potenzielle Stammzellenspenderin für einen an Blutkrebs erkrankten Patienten bin.

Welche Gefühle hat das bei dir ausgelöst?

Als ich die Nachricht bekam, saß ich gerade am Strand in Kroatien. Ich war etwas aufgeregt und auch überrascht, denn ich hatte nicht erwartet, dass es so schnell geht und mein „genetischer Zwilling“ Hilfe benötigt. Aber natürlich war ich sofort bereit für den Weg, der nun vor mir lag. Mit einer weiteren Blutprobe wurde festgestellt, dass ich tatsächlich für eine Spende geeignet bin. Ohne zu zögern, willigte ich der Spende ein. Ich war einfach froh über die Möglichkeit jemand anderem helfen zu können.

Wie kann man sich den Ablauf danach vorstellen?

Bei einem ersten Termin in der Entnahmeklinik im letzten Oktober wurde mein Gesundheitszustand ausführlichst untersucht. Ich durfte auch schon den Raum für die Spende begutachten und die zuständigen Ärzte und Pfleger klärten mich über alle möglichen Risiken auf. Schließlich wurde ich zur Spende – aus medizinischer Sicht – zugelassen.

Wann war dann die Stammzellenspende und musstest du dich vorbereiten?

Im letzten November fand dann die periphere Stammzellenspende statt. Dieser Weg wurde von den behandelnden Ärzten des Blutkrebspatienten empfohlen. Im Gegensatz zur Knochenmarkspende

wird diese Art bei den meisten Spenden durchgeführt, unter anderem weil sie weniger Risiken birgt. Ich musste einen Tag vor der Spende in die Stadt der Entnahmeklinik anreisen, da die Entnahme früh morgens angesetzt war. Hotel und Zugfahrt wurde von der DKMS für meinen Papa als Begleitperson und mich organisiert und bezahlt. Vier Tage vor der peripheren Spende musste ich mir als Spender selbst einen hormonähnlichen Stoff spritzen, der die Vermehrung von weißen Blutkörperchen anregt.

Wie ging es dir an diesen Tagen?

Mir war etwas unwohl und ich hatte Glieder- und Kopfschmerzen. Das sind aber die üblichen Nebenwirkungen der Spritze, die aber durchaus auszuhalten waren.

Wie hast du deinen Spendentag erlebt?

Bei der Entnahme am Spendentag wurde erst noch einmal überprüft, ob ausreichend weiße Blutkörperchen im Blut vorhanden sind. Da das der Fall war, wurden mir zwei Zugänge an den Armen gelegt. Durch den einen Zugang fließt das Blut aus dem Körper heraus in eine Maschine, in der die Blutstammzellen herausgefiltert werden. Das restliche Blut fließt danach über den anderen Zugang am anderen Arm wieder in den Körper zurück. Bis genügend Stammzellen gewonnen waren, dauerte es bei mir fünf Stunden. Falls diese Zeit nicht gereicht hätte, hätte ich am Folgetag die Spende fortführen müssen.

Was hast du in dieser langen Zeit gemacht?

Ich habe die ganze Zeit Podcasts gehört. Man hätte aber auch Filme schauen oder was lesen können. Ich empfand die Spende aber als körperlich anstrengend, so als würde man Sport machen. Am Schluss kribbelten aufgrund eines Kalziummangels meine Hände und Füße. Außerdem fühlte ich mich schlapp, denn man durfte nichts essen und trinken und auch auf die Toilette gehen, war nicht möglich. Aber ich wusste wofür ich das alles mache und das war es mir wert.

Mit welchem Gefühl bist du nach Hause gefahren?

Einerseits war ich unglaublich glücklich, dass ich so eine Chance bekommen hatte und nutzen durfte. Ich konnte einfach noch nicht so richtig begreifen, dass ich meinen „genetischen Zwilling“ womöglich geholfen habe. Andererseits war ich froh, dass alles gut gegangen war und ich mich nicht mehr spritzen muss.

Was haben deine Eltern, aber auch deine Mitschüler zu dieser beispielhaften Aktion gesagt?

Meine Eltern hatten anfangs schon ein paar Bedenken, die ich aber schnell ausgeräumt habe. Daraufhin haben sie mein Vorhaben natürlich unterstützt. Ebenso wie meine Mitschüler, die fast alle auch registriert sind.

Würdest du es heute wieder machen?

Auf jeden Fall würde ich das wieder tun und ich hoffe, dass es dem Empfänger der Spende weiterhin gut geht. Für einen gesunden, jungen Menschen wie mich ist so eine Aktion völlig problemlos und einfach eine sehr positive und prägende Erfahrung. Ich wünsche mir, dass am kommenden Sonntag ganz viele offene und motivierte Menschen zur Registrierung gehen, denn Leben retten kann so einfach sein.

Das Interview führte Johanna Blum

Lilly wartet in der Klinik auf ihre Stammzellenspende.
Lilly wartet in der Klinik auf ihre Stammzellenspende.
FT

Typisierungsaktionen

Aktuelle Typisierungsaktionen in Ihrer Region finden Sie auf der Webseite der Deutschen Knochenmarktspenderdatei (DKMS). 

Wer sich nicht registrieren lassen kann oder möchte, kann auch mit einer finanziellen Spende helfen. DKMS Spendenkonto, IBAN: DE94 7004 0060 8987 0004 33, Verwendungszweck: BPX 002

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