In seinem Wald nahe dem Herrenweiher im Weisendorfer Ortsteil Mitteldorf kniet Jürgen Sapper mit seinem Patenkind am Boden und der zehn-jährige Finn gräbt sechs Löcher im Abstand von 15 Zentimetern in den Waldboden. Aus einem Karton nimmt der 52-jährige Ingenieur sechs Teebeutel mit Grünem und Rotbusch-Tee und versenkt sie in den acht Zentimeter tiefen Löchern. Die Fähnchen an den Teebeuteln versieht Jürgen Sapper mit einer Nummer und trägt sie in eine Liste ein.
Bodenforschung mit Tee
„Expedition Erdreich“ heißt die Aktion zur Bodenforschung, an der auch Jürgen Sapper teilnimmt. Er gehört damit zu den über 4500 Datensammlern, darunter mehr als 300 Schulen, aus allen Teilen der Bundesrepublik. Alle zusammen bilden sie seit April die „Expedition Erdreich“, das erste bundesweite Bürgerforschungsprojekt (Citizen-Science) zur Bodenforschung. Initiatoren sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die gemeinnützige Gesellschaft Wissenschaft im Dialog (WID). Wissenschaftlich begleitet wird „Expedition Erdreich“ vom Bona-Res-Zentrum für Bodenforschung (Halle) und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (Leipzig).
„Die Gesundheit der Böden geht uns alle etwas an, denn sie sind unsere Lebensgrundlage“, sagt Jürgen Sapper. Gesunde Böden sind Lebensraum für Pflanzen und Tiere, sichern die Nahrungsmittelproduktion, filtern Schadstoffe aus dem Trinkwasser und spielen eine große Rolle für den Erhalt der Artenvielfalt und für das Klima.
Dankbares Futter
So ist Tee ist für die Mikroorganismen im Boden ein dankbares Futter. Ein von den kleinen Organismen belebter Boden sei ein Indiz dafür, dass die Qualität der Erde gut sei. So wird untersucht, wie sehr die Teebeutel von Lebewesen durchwachsen sind. Der geringe Abstand von 15 Zentimetern sei notwendig, damit die Bodentiere auch vom einen zum anderen Teebeutel wandern.
Mit Teebeuteln den Boden erforschen, das hört sich im ersten Moment wie ein Scherz an, ist aber eine Aktion zum Mitmachen für alle. Dabei geht es nicht nur darum, Teebeutel ein- und später wieder auszugraben.
Es gilt, die Standortkoordinaten zu erfassen, verschiedene Untersuchungen anzustellen und alle Ergebnisse in Datenblättern festzuhalten – die dann auf digitalem Wege an die Wissenschaft übertragen werden.
Reagenzglas, Teebeutel, Anleitung
In einem großen Paket, das Jürgen Sapper zugeschickt bekam, im „Aktions-Kit“, war neben einer ausführlichen Anleitung alles drin, was er für die Forschung braucht. Etwa das Reagenzglas, in das Finn behutsam mit dem Löffel die vorgeschriebene Menge Erde füllt, ehe Patenonkel Sapper destilliertes Wasser dazu gießt, um den pH-Wert des Bodens zu messen. Nach zehn Minuten Wartezeit hält er einen Reagenzstreifen in die Flüssigkeit und vergleichen nach der Entnahme die Farben, die der Streifen annimmt, mit der Farbskala aus dem Kit.
Bevor die Teebeutel in den Boden kamen, wurde jeder genau gewogen und sein Gewicht in ein Datenblatt eingetragen. In drei Monaten werden Jürgen Sapper und Finn die kleinen Behälter wieder zu Tage befördern. Dann will die Forschung von ihnen wissen, wie sich das Gewicht jedes Teebeutels verändert hat.
Wie viel wiegt der Teebeutel
Aus dem Unterschied zwischen Start- und Endgewicht lässt sich der Teebeutel-Index (Tea-Bag-Index, TBI) errechnen, eine Methode, die wissenschaftlich anerkannt ist. In den nächsten drei Monaten verlieren die Beutel an Gewicht, da Mikroorganismen im Boden die Teeblätter zersetzen. Das Ziel ist, den Boden zu schützen und zu schauen, was für ein Potenzial er hat. Außerdem fließen die gewonnenen Daten in nationale und internationale Forschungsprojekte ein. Ein Teil der Ergebnisse werde zudem für die Klimamodellierung genutzt.
„Ich bin jetzt schon gespannt, was bei dem Versuch herauskommt“, sagt Jürgen Sapper erwartungsvoll. Dafür ist allerdings noch etwas Geduld nötig. Denn erst nach Ablauf der Versuchszeit melden er und die anderen Teilnehmer die Ergebnisse im Internet, wo sie von Forschern ausgewertet und verglichen werden. Sie helfen, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie es um die Böden bestellt ist. So können diese in Zukunft gewinnbringender und nachhaltiger genutzt werden, hoffen die Wissenschaftler. Wie die „Expedition Erdreich“ zeigt, kann man Tee also nicht nur kochen oder trinken, sondern auch vergraben.