Die Fassade des Nordhalbener „Maxhauses“ wird um eine Künstlerarbeit reicher. Viktor Cleve, der bereits die Front mit mehreren Motiven gestaltet hat, ergänzt nun die der Schwedengasse zugewandten Seite um ein Porträt. Das Vorbild stammt aus dem Fotobuch „Gesichter Nordhalbens“, das Otmar und Heidi Adler mit historischen Porträts des Nordhalbener Fotografen Johann Köstner herausgegeben haben und für dessen Layout Cleve verantwortlich zeichnete.
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Das Bild zeigt eine unbekannte jüngere Frau, wohl eine „Dame der besseren Gesellschaft“, die sich vor gut 100 Jahren ablichten ließ. Ein weißes Kleid mit Spitzenverzierung und gezielt drapierter Schmuck zeigen Geschmack und Wohlstand, der in die Seite gestemmte Arm Selbstbewusstsein. Ihr Bild hat auf einer Glasplatte unbeschadet die zwischenzeitlichen Jahrzehnte auf dem Dachboden überdauert, bis sie vom Hauserben und dem heimischen Ehepaar Adler „wiedererweckt“ wurde. Nun bekommt sie ein drittes Leben.
Der richtige Winkel
Der Essener Künstler, der bei seinen früheren Aufenthalten in Nordhalben schon jugendliche Mitglieder der Kerwa-Gesellschaft porträtiert hat, malt sie in einer modernen Bildsprache auf die graue Hausmauer. Einerseits in einer speziellen perspektivischen Darstellung, die nur aus einem bestimmten Blickwinkel und von einem vorgegebenen Punkt heraus die „richtige“ Sicht ergibt. Diese Technik, als Anamorphose bezeichnet, wird oft bei der Straßenmalerei verwendet, um 3D-Illusionen zu erzeugen.
Andererseits erhält das Wandgemälde mit impressionistischer Farbgebung und weiteren grafischen Elementen eine surreale Note und ergänzt so spannend den wachsenden Gesamtkunsteindruck des Hauses. Damit darauf der Blick auch stimmt, befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der Bushaltestelle ein „roter Punkt“ für den Betrachter.
Interessant ist jedoch das Spiel mit der Perspektive aus den unterschiedlichen Winkeln. Wer weiß, vielleicht ist die ganze Welt nur eine optische Täuschung oder Sache des jeweiligen Standpunkts?
So wie das Porträt der „Unbekannten“ ein kleines Geheimnis umgibt, so steht jedes der „Nordhalbener Gesichter“ für eine Geschichte, die immer mehr verblasst. Es dürfte mittlerweile niemand der Porträtierten mehr leben, umso zeitloser sind die gekonnten Fotos, die unter einfachen Umständen aufgenommen wurden.
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Viele Gesichter sind (heute noch) namenlos und warten darauf, eine (neue) Identität zu bekommen. Das eindrucksvolle Fotobuch ist bei den Herausgebern erhältlich.
Als nächste Künstlerin gastiert im Rahmen des 2. Kunstsommers ab diesem Wochenende die Berliner Gestalterin Ramona Taterra im „Maxhaus“. Sie war bereits bei der Premiere vor zwei Jahren dabei und arbeitete im früheren Textilladen Mohr an Druckgrafiken. Sie kann im Rahmen der geltenden Pandamie-Bestimmungen bei ihrem Werkaufenthalt besucht werden.