Die rührige Nordhalbener Ortsgruppe des Frankenwaldvereins unter Obmann Michael Wolf hatte eingeladen zur Fortsetzung heimatkundlicher Wanderungen in Form eines „Lost-Places-Quartetts“.
Der zweite Teil des „Lost-Places“-Projektes, der über zwölf Kilometer zu zwei weiteren „Verlorenen Orten“ in der Region Nordhalben/Tschirn führt, findet kommenden Sonntag, 28. August, ab 13 Uhr statt. Wegen der Planung von Einkehr und Busabholung unbedingt anmelden bei hans.blinzler@t-online.de oder Tel. 09267 1705.
Zur ersten Wanderung kamen trotz drohender Gewitterwolken drei Dutzend Interessierte zum Startpunkt Fichtera-Skihütte.
Zuerst ging es zum Rüblesgrund
Kulturwart Hans Blinzler führte die Gruppe zum ehemaligen Weiler Rüblesgrund, der schon vor über 400 Jahren bewohnt und erst 1990 wegen der Auflagen im Talsperren-Einzugsbereich von den letzten Bewohnern verlassen worden war. Tobias Porsch, Enkel des letzten Rüblesgrund-Bewirtschafters, des dort tödlich verunglückten Altbürgermeisters Nikolaus Feulner, informierte die Wanderer eingehend über Besiedlung, Bebauung und Bewohner der einsamen Gehöfte und konnte den erstaunten Zuhörern nicht nur von generatorgetriebener Stromversorgung lange vor der Zuführung öffentlicher Elektrizität erzählen, sondern sogar noch Fundamentreste der ehemaligen Gebäude zeigen.
Porsch, der sich noch gut an Besuche bei den Großeltern „in der Einsamkeit“ erinnerte, hatte in mühsamer Arbeit die Ahnentafeln der Bewohner bis 1776 zurück zusammengestellt. Nicht nur die Kinder schauderten, als Hans Blinzler die Sage vom „Anna-Püebl“ erzählte, auf den im Volksmund mehrere Unfälle und Absonderlichkeiten an diesem entlegenen Ort zurückgeführt wurden.
Hier war seit Jahrhunderten immer Grenzgebiet
Von hier aus ging es bergab, immer unweit der alten Grenze aus dem 14. Jahrhundert, die das Fürstbistum Bamberg erst von den Geraer Herrschaften, später u. a. von den verschieden Reuß-Fürsten trennte und schließlich bis 1990 mit Stacheldraht und Todesstreifen die „SBZ“/spätere DDR vom fränkischen Bayern.
Bald erreichte die Wandergruppe den Weiler „Zweiwasser“, im Dreieck gelegen zwischen den hier zur Nordhalbener Ködel zusammenfließenden „zwei Wassern“ Grumbach und Rosenbaumbach als Hauptzuflüsse der Ködeltalsperre. In dieser Bachgabel, wurden schon vor 1800 zwei Höfe und eine Schneidmühle erbaut.
Hier hatte mit Stefan Wunder der zweite Zeitzeuge des „Lost-Places“-Projekts seinen Auftritt – dessen Mutter aus diesem entlegenen ehemaligen Nordhalbener Ortsteil stammte. Auch seine Informationen wurden mit großem Interesse aufgenommen, waren doch die Bewohner der „Zweiwasser“ in den ersten Nachkriegsmonaten zwischen Ost (russische Kommandantur) und West (Offiziere der amerikanischen Besatzungsmacht) hin- und wieder hergeschoben worden.
Spielball der Weltmächte
Eindrucksvoll berichtete er, dass die russischen Besatzer die auf „östlichem“ Gebiet wohnenden drei Familien, darunter auch seine eigene Mutter mit seinem Großvater und einer Kuh „zurück“ zwangsweise ins jetzt thüringische Grumbach versetzten (der Opa verstarb dort). Wenig später kam die überraschende Wende, als die „Ausgesiedelten“ wieder nach Zweiwasser zurück durften – „Ihr seid amerikanisch“, sagte der russische Offizier.
Das Ende des nunmehr bayrischen Weilers kam 1975 mit dem Umzug der letzten Bewohnerin (der Oma) und dem wasserschutzbedingten Abriss 1990. Heute erinnert nichts mehr an das Leben „zwischen zwei Wassern“.
Der Rückweg nach Nordhalben führte über die Nordhalbener Ködel und den „Teufelsstieg“ auf gut bekannten Wanderwegen.