Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, „Ostern 2022 – alles bleibt anders“, diese Schlagzeile habe ich auf der Homepage einer Kirchengemeinde gelesen. Es ist leider wahr: Auch in diesem Jahr steht das Osterfest unter ganz besonderen Vorzeichen, die wir uns nicht herbeigewünscht hätten.
Hinter uns liegen zwei Jahre Corona-Pandemie, zwei Osterfeste im Lockdown, immer wieder Wellen zwischen Bangen und Hoffen. Ohne dass die Pandemie vorüber wäre, belasten uns jetzt noch ganz andere Dinge, die wir uns noch vor wenigen Wochen nicht hätten vorstellen können: ein menschenverachtender Angriffskrieg gegen die Ukraine, ungezählte getötete Zivilisten und Soldaten, die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, Kriegsangst auf unserem Kontinent, erstmals seit Ende des Kalten Krieges.
Erinnerungen an dunkle Zeiten
Für ältere Menschen werden Erinnerungen an dunkle Zeiten in ihrer Jugend wach. Manch junge Menschen, die besonders unter der Pandemie gelitten haben, sorgen sich erneut um ihre Zukunft. Explodierende Energiepreise und Herausforderungen des Klimawandels sind zwei weitere allgegenwärtige Schlagworte in diesen Tagen.
Wie kann man all das mit dem Osterfest in Zusammenhang bringen? Wie kann man sich bei alledem noch österlich einstimmen lassen?
„Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln.“ Dieser Satz stammt von dem Theologen Dietrich Bonhoeffer, der 1945, kurz nach Ostern, im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde. Diese „Osterhoffnung“, die für gläubige Christen auf der Botschaft von Jesu Auferstehung gründet, kann auch positiv abfärben auf unser gesellschaftliches und privates Zusammenleben und auf die Beweggründe für unser gemeinsames Handeln.
Perspektiven und Kraftquellen finden
Die „Osterhoffnung“ kann uns ermutigen, den Horizont von Angst und Verzweiflung zu überschreiten. Sie kann uns helfen, neue Perspektiven und Kraftquellen zu erschließen. Auch kann uns die „Osterhoffnung“ motivieren, dem Frieden im eigenen Lebensumfeld und Verantwortungsbereich zu dienen, indem wir gut aufeinander Acht geben und – auch bei unterschiedlichen Auffassungen – Verständnis füreinander aufbringen.
Zuversichtlich darf uns stimmen, dass bei der Bewältigung der Pandemie die übergroße Mehrheit auch in unserem Landkreis seit zwei langen Jahren verantwortungsvoll und solidarisch gehandelt hat. Hoffnungsvoll mag uns die große und beeindruckende Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft für die leidgeprüften Menschen in und aus der Ukraine stimmen, die auch unseren Landkreis erfasst hat. Zu weiterem Engagement motivieren mag uns, dass wir mancherlei Ängsten starke Gewissheiten und Werte entgegensetzen können. Dazu zählen praktizierte Mitmenschlichkeit und gelebte Demokratie.
Viele kümmern sich um ihre Mitmenschen
Letztere ist gerade deshalb stark, weil sie getragen wird von ihren Bürgerinnen und Bürgern. Die Vielen, die sich in unserem Heimatlandkreis um mehr kümmern als nur um sich selbst, gewinnen ein Stück Zukunft für uns alle. Jeder und jede, der beziehungsweise die sich engagiert – im Beruf oder im Ehrenamt, im Gemeinderat oder im Verein –, trägt bei zur Stärkung unserer Demokratie und ebenso zur Zukunftsfähigkeit unserer Heimat. Gerade das ist von entscheidender Bedeutung, denn: Heimat braucht Zukunft.
Um in schweren Zeiten Zuversicht schöpfen zu können, helfen mitunter auch trefflich formulierte Einsichten. So hat der große, in Kiew geborene Humanist Lew Kopelew vor vier Jahrzehnten in seiner Friedenspreis-Rede gesagt: „Menschen guten Willens gibt es gewiss in allen Ländern der Welt, Menschen verschiedener Völker und Stände, verschiedener Konfessionen und Weltanschauungen, aber eines guten Willens.“
Hoffen wir in diesen Tagen – trotz allem – auf eine „Übermacht des guten Willens“. Das passt gut zu Ostern, denn an Ostern siegt die Hoffnung über die Verzweiflung.
Ihnen allen wünsche ich von ganzem Herzen frohe und gesegnete Ostertage.