An der Seßlacher Aumühle fand vor kurzem ein besonderes kirchliches Ereignis statt: die offizielle Gründung der neuen „Evangelisch-Lutherische Pfarrei um Alster und Kreck“.
Eine Einheit, bei der jeder eigenständig bleibt
Hinter dem für manche sicherlich noch gewöhnungsbedürftigen Namen verbergen sich die Kirchengemeinden Gemünda und Heilgersdorf, die nun formalrechtlich zusammengehören und eine Seelsorger-Einheit bilden, aber eigenständig bleiben sollen.
Wie die salomonisch gewählte Flurbezeichnung war auch der Ort der „Hochzeitsfeier“ geschickt ausgesucht, um keinen der beiden Partner zu übervorteilen: An der Aumühle zwischen Hattersdorf und Dietersdorf verläuft die Grenze zwischen den beiden Kirchengemeinden.
Für Pfarrer Knötig ein „Jahrhundertereignis“
Für Pfarrer Tobias Knötig, der nach seiner Vakanzvertretung nun auch in Gemünda offiziell die Pfarrstelle innehat, ist der Zusammenschluss der beiden Kirchengemeinden ebenfalls ein „Jahrhundertereignis“.
Immerhin seien beide Gemeinden über Jahrhunderte stolz auf ihre Eigenständigkeit gewesen. Dass hier nun langsam zusammenfließt, was vorher getrennt war, symbolisierte auch der Altar: Die beiden Flüsschen vereinen sich zu einem größeren Strom.
Vorteile einer Pfarreizusammenlegung
„Ihr Pfarrer hat sie in Gemünda ebenso im Blick wie in Heilgersdorf“, betonte dann auch Dekanin Stefanie Ott-Frühwald (Michelau) in ihrer Festpredigt. Trotz erkennbarer Vorteile, die so eine Pfarreizusammenlegung mit sich bringe, wie etwa die geteilten Kosten fürs Pfarrhaus oder gemeinsamen Konfirmandenunterricht, bedeute der Schritt auch den „Abschied von lange Vertrautem“.
Dekanin: Die entstandene Pfarrei ist etwas grundlegend Neues
Immerhin seien beide Kirchengemeinden seit der Reformation evangelisch, verfügten jede über eine Kirche, ein Pfarrhaus und eigene Gemeinderäume. Ott-Frühwald: „Beide hatten bis vor kurzem auch eine eigene Pfarrstelle. Dass Sie jetzt Pfarrei sind und gemeinsam von einem Pfarrer pastoral begleitet werden, ist etwas grundlegend Neues.“
Personalmangel nicht nur in der katholischen Kirche
Auch sie, so betonte die Dekanin, hätte gern weiterhin zwei Pfarrstellen gehabt. Aber in Oberfranken seien mehr als 20 Pfarrstellen vakant. Und nicht nur das: „Wir alle wünschen uns sonntags volle Kirchen, Nachwuchs in allen Gruppen und Kreisen, usw.“ Dazu müsse aber jeder Einzelne die Initiative ergreifen.
Über den Namen „um Alster und Kreck“ hätten sich viele gewundert, „weil viele die Alster ja ausschließlich in Hamburg verorten“. Doch der neue Pfarreiname zeige, dass die beiden Kirchengemeinden Gemünda und Heilgersdorf ein neues Kapitel beginnen und dass sie das gemeinsam tun.
Die Alster ist nicht nur in Hamburg, sondern ein Nebenfluss der Rodach
Die Kirchenvorstände seien bei der Namenssuche nur der Weisung von oben gefolgt, kreativ zu werden, erläuterte Pfarrer Knötig die gefundene Lösung: Die Idee mit den beiden Rodach-Nebenflüssen sei dann beim Hochwasser 2022 entstanden. „Da haben wir festgestellt: Wir fließen ja schon zusammen!“ Das „um“ schließe auch Bischwind mit ein, das weder an Alster noch Kreck liege.
Sicherlich werde es in der neuen Pfarrei etwas weniger Programm geben, räumte Knötig ein. „Aber solange Menschen da sind, die Glauben gestalten und leben wollen, wird vieles möglich sein!“ Als im Landeskirchenamt in München der neue Name mit der Begründung „Kennt keiner!“ abgelehnt wurde, beschloss der Kirchenvorstand laut Knötig: „Dann lernt uns kennen!“
Knötig: Nun sind wir groß und stolz als Pfarrei um Alster und Kreck
Unter Dekan Johannes Grünwald hätten seine Gemeinden als „die übrigen Orte“ gegolten, für den Dekanatsausschuss als „die kleinen Gemeinden“ oder im Kirchengemeindeamt gar als „die gallischen Dörfer“. Knötig: „Nun sind wir groß und stolz als Pfarrei um Alster und Kreck.“
Als Geschenk hatte Ott-Frühwald einen Gingko-Baum mitgebracht. „Mich erinnert ein Gingko an die unerschütterliche, lebendige Hoffnung, die uns in Christus geschenkt ist.“ Aber auch wegen der Form seiner Blätter, geteilt und doch eins, verschenke sie ihn gern zur Pfarreigründung: Die beiden Kirchengemeinden seien und blieben eigenständig, dennoch miteinander verbunden und könnten gemeinsam wachsen.
Bürgermeister Neeb: Fusionen gibt es auch im weltlichen Bereich
Nach Pater Vijaya Boddu von der Pfarreiengemeinschaft Seßlach überbrachte auch Seßlachs Bürgermeister Maximilian Neeb (FW) Glückwünsche. Neeb zog Parallelen zur weltlichen Gemeinde: Nicht nur, dass sich die Grenzen der neuen Pfarrei nun mit dem Stadtgebiet deckten. Beide seien immer schnelleren und größeren Veränderungen unterworfen. Viele Fusionen seien die Folge aus monetären wie aus personellen Gründen.
Nun obliege es jedem Einzelnen, ob er diese Entwicklungen skeptisch sehe oder optimistisch die neuen Strukturen mit Leben fülle. Neeb: „Es liegt an uns selbst, ob unser Leben lebens- und liebenswert bleibt!“ Es gelte, nebeneinander und gemeinsam den richtigen Weg zu finden.
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