Eine frische Klang-Brise mit wunderbaren romantischen und impressionistischen Musik-Entdeckungen präsentierte das Kreativ-Trio Stefanie Waegner (Violoncello) und Lorenz Trottmann (Klavier) sowie Michael Herrschel als Erzähler im Kunstwochen-Konzert „Baltic Sea Music: Sieben Bernsteinküsten“ in der Piano-Galerie Pöhlmann.
Es war ein faszinierender Musikabend mit zwei großartigen Künstlern und einer dazu passenden und spannenden Rezitation von Michael Herrschel, einem Autor, Rezitator und Musiker, der an der Bayerischen Theaterakademie studierte und mit dem Kulmbacher Klaviervirtuosen Lorenz Trottmann viele gemeinsame Musikprojekte entwickelt hat. Michael Herrschel nahm die Besucher mit auf eine imaginäre Fahrt Richtung Mare Balticum, zu deutsch: an die Küsten der Ostsee.
Hörenswerte Raritäten
Hier funkelt an den Stränden der Bernstein, honiggelb, haselnussbraun, kupfergolden: „Jeder Ton, der heute hier erklingt, symbolisiert so einen polierten blitzenden Stein. Darunter sind längst vergessene, aber hörenswerte Raritäten: Wer kennt heute noch Musik von Friedrich Kiel? Wer weiß noch, dass dieser Maestro einmal ein Leuchtturm war für junge Talente aus halb Europa?“
Mit drei Stücken von Friedrich Kiel wurde das Konzert auch musikalisch eröffnet. 1886, ein Jahr nach dem Tod von Friedrich Kiel, erschien in einem deutschen Universitäts- Verlag eine Sammlung litauischer Volkslieder. Keine Selbstverständlichkeit in jener Zeit großnationaler Imperien, wo im Nordosten Europas nur eine einzige Demarkationslinie gab: die Verwaltungsgrenze zwischen deutscher und russischer Amtssprache. Alles dazwischen wurde verneint und niedergehalten, aber nicht so von den Kulturschaffenden, wie Michael Herrschel zu verstehen gab.
Aus den litauischen Volksliedern in der Bearbeitung des Brahms Freundes Heinrich von Herzogenberg bekamen die Besucher ein Stimmungslied für gewisse Momente, wo man vor etwas erschrickt oder etwas vermisst oder sich jäh aufregt. Karol Szymanowski war der namhafteste Komponist nach Chopin und Szymanowskis Kompositionen sind stolze Meisterwerke.
Kleine Präludien für Klavier
Das abendliche leuchtende Farbenspiel des Bernsteins verglich Erzähler Michael Herrschel mit der Erhabenheit von Schimanowskis harmonischen und spieltechnischen Raffinessen auf die er sich ganz klassisch vorbereitete mit kleinen Präludien für Klavier solo – und die meisterte Lorenz Trottmann bravourös.
Die Reise ging an der Ostseeküste entlang und weiter in Richtung Litauen und Lettland. Auch dies ein Land mit wechselhafter Geschichte, begehrt von wechselnden Mächten. Der lettische Komponist Peteris Vasks spricht in seiner Musik eine unmissverständliche Warnung aus: die bisweilen so nostalgisch verklärte Sowjetunion war nichts als ein Völkergefängnis, und niemand wird ernsthaft dorthin zurückwünschen. Lorenz Trottmann und Stefanie Waegner verstanden es, die Warnung auch musikalisch auszudrücken.
Frau im Zwangsarbeitslager verloren
Es folgte eine Ballade des estnischen Nationalkomponisten Heino Eller, der seine Frau – eine Pianistin – verlor, die im Zwangsarbeitslager Osseg in Oberschlesien starb. In seiner Ballade sehnt sich Heino Eller nach verlorenem Leben zu zweit und klammert sich an schöne Erinnerungen und diese Dramatik war von Lorenz Trottmann und Stefanie Waegner am Klavier und der Cellovioline deutlich zu hören. Mit Werken von Pjotr Tschaikowski (Russland) und Lars-Erik Larsson (Schweden) ging die Reise weiter bis nach Schweden.
Nach einer kurzen Pause waren dann alle Konzert-Besucher auch wieder an „Bord“ und mit einem Stück des Dänen Peter Heise erfolgte die musikalische Reise zu einem Bernsteinküstenland, hoch droben im finnischen Järvenpää mit Jean Sibelius. Seine Musik ließ die Leute aufhorchen. Mit Alexander Borodin machten Lorenz Trottmann und Stefanie Waegner deutlich, welch eminent vielseitiger und produktiver Komponist Borodin war.
Neue Art von Freiheit näherte sich
Und wiederum hundert Jahre später näherte sich auf leisen Sohlen eine neue Art von Freiheit, verbunden mit den Worten Glasnost, Transparenz und Perestroika, also der Umbau der Gesellschaft. Dazu passte die Musik des Begründers der modernen litauischen Musik und Malers Mikalojus Konstantinas Ciurlionis. Stefanie Waegner glänzte mit einer Hommage von Anotolijus Senderovas am Violoncello – und mit einem Werk von Fryderyk Chopin wurde dann der Schlusspunkt gesetzt. Der Beifall der Besucher wollte nicht aufhören, denn sie erlebten ein Konzert der Extraklasse.
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