Interview mit Intendant
Warum der Theatersommer jetzt sesshaft wird
30 Jahre Intendant Jan Burdinski.  Tragikomödien sind für ihn die schönsten Stücke.
30 Jahre Intendant Jan Burdinski. Tragikomödien sind für ihn die schönsten Stücke.
Fränkischer Theatersommer e.V.
F-Signet von Jonas Christmann Fränkischer Tag
Ebensfeld – 30 Jahre Fränkischer Theatersommer: Intendant Jan Burdinski sagt, warum die Wanderbühne jetzt sesshaft wird.

Das Kultur- und Freizeitangebot am Obermain ist ein großer Kritikpunkt im Heimat-Monitor. Im Landkreisvergleich rangiert Lichtenfels (4,34) auf dem vorletzten Platz. Lediglich Kronach schneidet noch schlechter ab (4,25). Gibt es zu wenig Angebote?

Diese Frage muss sich Jan Burdinski nicht stellen. Einer, der vor 30 Jahren ein Stück Theaterkultur in den Lichtenfelser Landkreis gebracht hat. Der Intendant der Landesbühne Oberfranken blickt auf drei Jahrzehnte „Fränkischer Theatersommer“ zurück.

Herr Burdinski, welche Ziele haben Sie sich für den diesjährigen Theatersommer gesteckt?

Wir überschreiben seit einigen Jahren unseren Theatersommer mit einem speziellen Thema. Vergangenes Jahr waren es die Fake News – heuer ist die Liebe das große Thema. Wir versuchen die unterschiedlichsten Aspekte dieses großen Phänomens auf die Bühne zu bringen.

Auf welches Stück freuen Sie sich besonders?

Ich freue mich besonders auf die Tragikomödie von Heinrich von Kleist: Amphitryon. Bei diesem Werk aus der griechischen Mythologie steht eine Betrugsgeschichte von Zeus im Mittelpunkt. Jener nimmt die Gestalt eines anderen Mannes an und verbringt eine Liebesnacht mit dessen Gattin. Es ist ein Stück über Identitäten – wer bin ich? Es schwankt sehr zwischen Tragik und Komödie – das sind für mich die schönsten Stücke.

Stichwort Identitäten. Gerade falsche Identitäten sind ein Phänomen im Zeitalter der sozialen Medien. Liegt darauf ein besonderes Augenmerk?

Es ist die Schlüsselfrage unserer Zeit. Künstliche Intelligenz steigert das noch. Was ist original? Was ist authentisch – wenn man die Identitäten beliebig wechseln kann. Was kann ich noch glauben?

Seit 2010 bespielt der fränkische Theatersommer das Brückentheater in Bad Staffelstein. Was macht den Aufführungsort so besonders? Ihr Lieblingsort?

Kann ich so nicht sagen (lacht) er ist aber in seiner Art einzigartig. Es ist weltweit das einzige Theater, das auf einer Brücke spielt. Die Leute lieben es. Man sitzt irgendwie im Freien - und auch nicht. Es wirkt ein bisschen wie eine Scheune.

Wie unterscheidet sich das ländliche vom städtischen Theaterpublikum? Muss ihr Ensemble leichter, lockerer und verdaulicher spielen?

Wir haben ein gemischtes Publikum aus ländlicher und städtischer Bevölkerung. Die Landbevölkerung kommt, weil es ein so nahes Theater gibt. Die Menschen aus der Stadt kommen, weil sie mit uns das Land entdecken wollen. Glücklicherweise wissen wir nicht, wer woher kommt (lacht). Aber mir ist vor allem der heitere Aspekt wichtig.

Inwiefern?

Das heitere Theaterspiel wird in der deutschen Theaterkultur unterschätzt. Dabei ist das heitere Spiel das schwerere. Ich möchte Leichtigkeit und Heiterkeit verbreiten – Bei all dem Ernst in unseren Leben. Aber auch das Ernste steckt in unseren Stücken. Das Leichte und Heitere so rüberzubringen, dass es unter die Haut geht, ist unsere Hauptaufgabe.

Was unterscheidet die Wanderbühne des fränkischen Theatersommers von anderen?

Zum einen gibt es kaum ein Wandertheater, welches so viele Spielorte bespielt – teilweise an die 80. Zum anderen sind wir mit unseren Thespis-Karren (wandelbare Theaterwagen) unterwegs. Das bedeutet für das Ensemble ein besonderes Engagement – nichts ist vorgefertigt, sondern alle müssen bei der Dekoration und beim Abbau helfen.

30 Jahre Fränkischer Theatersommer
„Diener zweier Herren“ (2006)
Fränkischer Theatersommer e.V.
30 Jahre Fränkischer Theatersommer
Minnesang "Nemt frowe disen Kranz“ (1995)
Fränkischer Theatersommer e.V.
30 Jahre Fränkischer Theatersommer
My fair Lady (2016)
schaefer-fotodesign.de
30 Jahre Fränkischer Theatersommer
„Ritter Unkenstein“ (1994)
Fränkischer Theatersommer e.V.
30 Jahre Fränkischer Theatersommer
„Volpone“ (2022)
Fränkischer Theatersommer e.V.

Also wir sind ein wenig wie die Urform des Theaters – eine Mischung aus Straßentheater und Sommerfest-Spiel.

Wie meinen Sie das?

Wir gehen zwar weniger in die Städte. Aber wo wir hingehen, gibt es Aufführungen unter dem freiem Himmel – davor gab es an diesen Orten kein Theater.

Der Gutshof in Kutzenberg ist das neue Zuhause für den fränkischen Theatersommer. Wird bis zum großen Geburtstagsjubiläum am 17. Juni alles rechtzeitig fertig?

Das weiß ich selbst nicht (schmunzelt). Wir wünschen uns eine Art Richtfest für die neue Remise. Eine komplette Fertigstellung ist erst in drei bis vier Jahren zu erwarten, wenn alle Gebäude saniert sind.

Was verändert sich dadurch?

Unsere künftigen Aufgaben werden größer. Das Kammerspiel-Theater wird möglicherweise auch in den Wintermonaten stattfinden.

30 Jahre Intendant Burdinski. Was würden Sie rückblickend dem jungen Burdinski heute empfehlen. Gelassenheit? Mehr Strenge?

Unser Beruf verbindet eine Mischung aus Disziplin, Konsequenz und ganz viel Gelassenheit. Strenge würde ich weniger gebrauchen. Wenn der Humor, den wir über die Bühne transportieren wollen, nicht bei uns selbst als Grundvoraussetzung angelegt ist, dann wäre es keine schöne Angelegenheit.

30 Jahre Theatersommer. Ihre Erlebnisse in einem Wort?

Begeisterung.

Das Gespräch führte Jonas Christmann.

Das diesjährige Programm des Festivals finden Sie auf der Seite des Fränkischen Theatersommer.

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