Geschichte
Ganz persönliche Begegnungen
Außenansicht: Die ehemalige Synagoge in Altenkunstadt wurde in der Pogromnacht 1938 verwüstet und geschändet, später zweckentfremdet. So ist sie jedoch erhalten geblieben.
Außenansicht: Die ehemalige Synagoge in Altenkunstadt wurde in der Pogromnacht 1938 verwüstet und geschändet, später zweckentfremdet. So ist sie jedoch erhalten geblieben.
Corinna Tübel
Gebetsriemen sind ein wesentlicher Bestandteil der jüdischen Religion.
Gebetsriemen sind ein wesentlicher Bestandteil der jüdischen Religion.
Corinna Tübel
Hören, sehen und persönlich in die jüdische Geschichte der ehemaligen Synagoge in Altenkunstadt eintauchen.
Hören, sehen und persönlich in die jüdische Geschichte der ehemaligen Synagoge in Altenkunstadt eintauchen.
Corinna Tübel
F-Signet von Corinna Tübel Fränkischer Tag
Altenkunstadt – Die interaktive Führung durch die Synagoge Altenkunstadt via Smartguide ermöglicht besondere Erfahrungen.

Ein ganz persönliches Erleben der ehemaligen Synagoge, alleine, ohne Zeitdruck, dafür mit ganz viel Individualität: Die interaktive Führung via Smartguide durch die Dauerausstellung der ehemaligen Synagoge in Altenkunstadt ermöglicht ein ganz persönliches Eintauchen in das einstige jüdische Leben. Und das mit allen Sinnen.

Schon als ich den unscheinbaren Schlüssel im Schloss der ehemaligen Synagoge im Judenhof in Altenkunstadt herumdrehe, fährt mir ein Schauer über den Rücken. Normalerweise stehen die Tore solcher historischen Stätten offen oder der Leiter der Führung wartet bereits am Eingang. Heute nicht – und das ist ein ganz besonderes Erlebnis.

Ich bin alleine mit all dem vergangenen Leben hier hinter diesen Steinen. Im Inneren des mächtigen Gebäudes ist es mucksmäuschenstill, lediglich die Treppe knarrt ein wenig, als ich in den ersten Stock ansteuere. Wie viele Menschen werden diese wohl im Laufe ihrer Existenz betreten haben?

Die Stimme des „Guides“, den ich anschließend über den QR-Code auf zahlreichen Tafeln aktiviere, scheint zunächst wie ein Eindringling. Die vielen Informationen, die dieser aber in mehreren mehrminütigen Sequenzen zu verschiedenen Themen des jüdischen Lebens in Altenkunstadt liefert, entschuldigen diese Modernität jedoch.

So geht es um die Bevölkerungsgruppe, die einst mehr als ein Drittel der Altenkunstadter ausmachte, den Baustil ihrer Dorfsynagoge, Kultur, Verwaltung und Schulwesen. Raum nimmt dabei auch der Zentralfriedhof bei Burgkunstadt ein: Dieser wurde zwischen 1620 und 1940 für viele jüdische Gemeinden zwischen Bayreuth, Kronach und Lichtenfels genutzt.

Viele Exponate tragen zu einer großen Anschaulichkeit bei: Das Highlight unter den Ausstellungsgegenständen ist sicher die in hebräischer Sprache verfasste Thorarolle, die auch im Gottesdienst benutzt werden konnte. Während mein Bücherherz zudem bei alten Gebetbüchern, Bibelkommentaren, Taschenkalendern sowie Bibliothekskatalogen höher schlägt, bei Festtagsgeschirr und Gebetsriemen eine festliche Stimmung annimmt, wird es etwa durch Infanteriehelme auch an Missgunst und Verfolgung erinnert.

Durch Fotos und Details zu persönlichen Lebensstationen ehemaliger Altenkunstadter wie etwa Margot Wolf, die als 13-Jährige den Weg in die Gaskammer antreten musste, oder Leonard Felixberg, Spezialarzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, werden aus Worten und Schautafeln Schicksale. Traurige Schicksale, die durch die Intimität ohne Gruppe im Rücken, ohne Mahnen an die nächste Station besonders zu Herzen gehen und zum Nachdenken anregen. Über die Geschichte, über die eigene Biografie und vielleicht auch den persönlichen Umgang mit Fremden.

Lediglich der begrenzte Raum hinterlässt einen trüben Schatten: Hätte man bei mehr Raumangebot sicherlich noch tiefer in die jüdische Geschichte vor Ort eintauchen können.

Beim Verlassen des Gebäudes halte ich noch einmal inne: Unscheinbar und doch anziehend wirkt der sogenannte „Hochzeitsstein“ in den Mauern hinter dem Brunnen. Was es damit auf sich hat? Das muss jeder selbst herausfinden.

Interessierte können sich den Schlüssel zur Synagoge im Rathaus während der Geschäftszeiten holen und per Smartphone ihr eigenes Erlebnis innerhalb der geschichtsträchtigen Mauern gestalten.

Zur Geschichte der Synagoge

Entstehung Nachdem die Synagoge in Altenkunstadt in der Pogromnacht 1938 verwüstet und geschändet, später zweckentfremdet worden war, gelangte sie in den Besitz der Gemeinde.

Idee Um das Andenken an die jüdische Geschichte zu bewahren, gründeten Bürger 1988 die „Interessengemeinschaft Synagoge Altenkunstadt.“ Ihr Anliegen war es vor allem, dieses Gebäude, das über Jahrzehnte hinweg als Turnraum oder Lagerhalle zweckentfremdet worden war, wieder einem würdigen Zweck zuzuführen.

Ergebnis Die Bemühungen waren erfolgreich: 1993 wurde die ehemalige Synagoge als Kulturraum eröffnet. Die Idee, die Synagoge mit moderner Technik besser zu erschließen, hatte Gemeinderat Karlheinz Hofmann (SPD). Auf seine Initiative hin entschied sich die Gemeinde, einen Smartguide zu installieren, der eine interaktive Führung durch die Dauerausstellung ermöglicht. Dank sagte Bürgermeister Robert Hümmer der Archivbetreuerin Inge Goebel und dem Ingenieur Sebastian Fischer für die Umsetzung dieses Projektes.

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