„Sie war eine beeindruckende Persönlichkeit, die trotz des unfassbaren Unrechts und Leids, das ihr und ihrer Familie widerfahren ist, die Güte hatte, zu verzeihen. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich sie im Rahmen des Projekts ,13 Führerscheine – dreizehn jüdische Schicksale’ kennenlernen durfte und dass sie unserem Landkreis die Hand gereicht hat“, so Landrat Christian Meißner anlässlich des Todes von Inge Stanton, geborene Marx.
Sie ist in der Nacht zum Dienstag kurz nach ihrem 93. Geburtstag in den USA verstorben.
Ursprünglich in Lichtenfels geboren
Inge Stanton stammte ursprünglich aus Lichtenfels und ist mit ihrer Familie infolge der NS-Pogrome und der Verfolgung jüdischer Bürgerinnen und Bürger während des Dritten Reichs in die USA ausgewandert. Sie ist eine der letzten Zeitzeuginnen der Nazi-Diktatur in der Region Lichtenfels.
Sie wurde 1930 in Lichtenfels geboren. Ihre Eltern waren der jüdische Kaufmann Alfred Marx und dessen Frau Ellen, geb. Bamberger. Die Familie Marx betrieb ein Handelsgeschäft für Felle, Pelze und für Metzgereibedarf in der sogenannten Guthmann-Villa in der Bamberger Straße 19.
Es gelang der Familie, 1939 aus Deutschland zunächst nach Großbritannien und im April 1940 in die USA zu fliehen, wo sie sich unter großen Mühen eine neue Existenz aufbauen konnte. Bereits 1994 und 2016 hatte Inge mit ihrer Familie Lichtenfels besucht.
Heimkehr für Schulprojekt am Meranier-Gymnasium Lichtenfels
Anlass für eine echte Heimkehr war dann das Projekt „13 Führerscheine – dreizehn jüdische Schicksale“ des Meranier-Gymnasiums im Jahr 2018, das in enger Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Lichtenfels initiiert wurde.
Im Rahmen des Projekt-Seminars „13 Führerscheine – dreizehn jüdische Schicksale“ hatten sich die Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2018/19 mit Seminarleiter Studiendirektor Manfred Brösamle-Lambrecht auf Spurensuche nach den jüdischen Bürgerinnen und Bürger begeben, denen während des Dritten Reichs die Führerscheine abgenommen wurden.
Unter den Dokumenten, die im Landratsamt Lichtgenfels gefunden worden waren, war auch der Führerschein von Inges Vater Alfred Marx. Die Schülerinnen machten die Familie in den USA ausfindig, und Inge Stanton half mit einer Fülle von Materialien und genauem Erinnerungsvermögen bereitwillig bei der Rekonstruktion der Familiengeschichte.
Inge Stanton bekundete immer die Bereitschaft zum Miteinander
Im November 2018 kam sie mit Familienmitgliedern zur Ausstellungseröffnung „13 Führerscheine – Dreizehn jüdische Schicksale“ und zur Verlegung von Stolpersteinen nach Lichtenfels.
Sie hielt dort eine beeindruckende Rede, in der sie einerseits das Geschehene nicht relativierte und andererseits die Bereitschaft zu einem Miteinander angesichts eines gewandelten Deutschlands bekundete.
„Ihre Schilderungen und ihre Erinnerungen werden für uns immer gegenwärtig und eine Mahnung sein, dass so etwas bei uns nie wieder geschehen darf“, betont Christian Meißner.