Schwere liegt am Karsamstag 2022 in der Luft. Die Corona-Pandemie ist nicht vorbei. In der Ukraine tobt der Krieg. Angst macht sich breit. Lähmt und trübt die Stimmung. Und in dieser Situation versprechen junge Leute, dass es zu einer Explosion kommt, die die Last vertreibt: Leben, das ist die Botschaft von Ostern. Neue Energie, die Menschen in Bewegung setzt und letztlich eine weltweite 2000-jährige Schwingung in leidenschaftlichen Gang setzt! Davon sind Tim Seidler (24 Jahre) und Jenny Winterhalder (27) fest überzeugt.
Die beiden Studierenden gehören zum Vorbereitungsteam der Jugendosternacht, zu der Hunderte in Nürnberg erwartet werden. „Um österlicher Lebensenergie nachzuspüren, sie selbst an andere weiterzugeben und so Teil eines großen Energie-Netzes zu werden“, sagen Tim und Jenny. Vor diesem Hintergrund haben sie „verschiedene coole Orte überlegt“, wo dieses Netzwerk am überzeugendsten geknüpft werden kann. Bei der Suche landeten sie schließlich am neuromanischen Uhrenhaus aus dem Jahr 1903 des Energieversorgers N-Ergie in der Sandreuthstraße.
Ursprünglich wurde das Gebäude als Gasmess- und Regelstation für das Gaswerk Sandreuth gebaut. Der Name Uhrenhaus stammt von der zentralen Gasuhr, die früher dort stationiert war. 1993 wurde das Uhrenhaus zur Kantine mit Versammlungsebene für 1200 Beschäftigte an diesem Standort umgebaut.
Heute ist es also Schauplatz des Gottesdienstes zum Osterfest, dem der Seelsorger des Klinikums Nürnberg-Nord, Pfarrer Stephan Müller, vorstehen wird. Ein Gottesdienst, der buchstäblich unter Strom steht. Denn natürlich wird N-Ergie auch währenddessen große Gebiete Nordbayerns mit Erdgas, Fernwärme, Strom und Wasser beliefern. Doch Energie soll eben auch auf spirituelle Weise geteilt werden: „Energy2Share“ lautet das Motto der Jugendosternacht, zu der das Jugendreferat der Katholischen Stadtkirche Nürnberg und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) einladen.
Stadtjugendseelsorgerin Schwester Magdalena Winghofer CJ (39) verweist darauf, dass „Ostern einfach energiegeladen ist“. Und eine „Initialzündung für das Christentum bis hin zu Pfingsten“, der Geburtsstunde der Kirche. Der Ort Uhrenhaus könne „Ostern neu erschließen“, ist sich die Ordensfrau sicher. Und damit das auch geschieht, haben sich mit ihr neun ehrenamtliche Jugendliche daran gemacht, die Osternacht entsprechend zu planen: „Wir verknüpfen die biblische Botschaft von der Auferstehung Jesu und den Ort N-Ergie mit den Lebensthemen junger Menschen“, erzählen Tim und Jenny. Das seien zunächst Themen, die Erwachsene ebenfalls betreffen. Doch auch Schule, Ausbildung, Social Media, Klimawandel und mehr sollen zur Sprache kommen.
Zu Beginn der nächtlichen Feier wird draußen auf der Terrasse des Uhrenhauses – direkt neben dem dort aufgestellten historischen Gasmanometer – das Osterfeuer lodern, das Exsultet (Osterlob) gesungen und das Osterevangelium verkündet. Dann geht es ins Uhrenhaus zu filmisch aufbereiteten Lesungstexten, Tauferneuerung, Eucharistiefeier.
Die BDKJ-Band „G-SUS“ sorgt für Melodie und Rhythmus, zugeschnitten auf den erwarteten Kreis von hoffnungsvollen Jüngern und Jüngerinnen, die die Osterenergie in den Alltag tragen wollen.
Darauf bauen Schwester Magdalena, Tim und Jenny. Schließlich ist ihnen bewusst, dass die Kirche an sich seit geraumer Zeit fast nur negative Schlagzeilen produziert. Ein Skandal löst den nächsten ab. Wie gehen sie damit um? Die Jugendseelsorgerin bilanziert ganz nüchtern, dass „für die meisten jungen Menschen Kirche völlig irrelevant ist“. Wer allerdings Erfahrungen mit deren Jugendarbeit mache, nehme Kirche positiv wahr und trenne die guten Erlebnisse von der Amtskirche mit ihrer Hierarchie, so Schwester Magdalena.
Viel mehr als die Skandale beschäftigen die kirchlich engagierte Jugend derzeit die Sparprozesse innerhalb der Bistümer: Wie soll es mit der Jugendarbeit weitergehen, wenn immer weiter der Geldhahn zugedreht wird? Das ist die Frage, die umtreibt, weiß die Maria-Ward-Schwester (Congregatio Jesu). Und sie weiß auch, dass sich die Ehrenamtlichen bereitwillig und überzeugt den umfassenden Präventionsschulungen unterziehen, ohne die sie nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen umgehen dürfen: „Das Thema Missbrauch finden sie schrecklich und schlimm!“, betont Schwester Magdalena. Doch es führe nicht dazu, dass deshalb Jugendliche, die noch einen Bezug zur Kirche haben, ihr deshalb den Rücken kehren.
Tim setzt sich im Vorstand der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) für die Belange der Jugend ein, Jenny im Vorstand des BDKJ Nürnberg. „Kirche braucht immer Energie!“, bündelt Tim seinen Einsatz kurz und knapp, den er mit seinem Theologiestudium – er möchte Pastoralreferent werden – in Einklang bringt. Er schlägt damit wieder den Bogen zur Jugendosternacht bei N-Ergie. Er brenne für die authentische frohe Botschaft vom Leben, das nach Folter und Tod durchbricht. Sich voller Energie aus dem Grab hervorkämpft. Davon will er im alltäglichen Leben jungen Leuten erzählen: „Ich ziehe Kraft aus dem Glauben“, bekennt Tim, für den ein Kirchenaustritt nie in Frage kommen würde. Denn „schnell weglaufen ist zwar leicht, aber es lohnt sich, sich für den Glauben einzusetzen“. Zumal für ihn die Jugendarbeit ein willkommener „Gegenpol zur Amtskirche“ ist.
Jenny ist ausgebildete Erzieherin und hat einige Jahre in katholischen Kindertagesstätten gearbeitet, bevor sie sich zum Studium der „Sozialen Arbeit“ an der Technischen Hochschule Nürnberg entschloss. Sie möchte Sozialarbeiterin werden, nah am Menschen, vor allem am jungen Menschen sein.
Darum engagiert sie sich auch jetzt schon im BDKJ, „weil viele zusammen etwas in der Kirche verändern können“. Und weil „mir die Kirche etwas bedeutet, ihre Werte sind richtig. Und der Glaube ist mir wichtig, er hilft mir und trägt mich“, begründet Jenny ihr Dranbleiben an dieser Institution. „Ich stehe dazu, dass ich katholisch und in der Kirche bin“, betont die junge Frau, die nach eigenen Worten kein Problem mit dummen Sprüchen hat, die sie sich gelegentlich von Kirchenfernen wegen ihrer Kirchentreue anhören muss.
Jenny freut sich auf die Jugendosternacht, die für sie das Highlight im Kirchenjahr darstellt: „Viele kommen zusammen, Kirche-Sein und glauben geht nur in Gemeinschaft“, meint sie. Für sie bedeutet Ostern Energie, die weiterbringt und Mut macht. Davon will sie im normalen Alltag sprechen.
Altmodisch ausgedrückt: Sie will bewusst Zeugnis geben von der Hoffnung, die ihr Jesu Auferstehung schenkt.
INFO:
Einlass auf das Betriebsgelände von N-Ergie, Sandreuthstraße 21, Nürnberg, ist heute ab 19 Uhr. Die Feier beginnt um 19.30 Uhr am Uhrenhaus. Es ist keine Anmeldung notwendig. Bei Jugendlichen unter zwölf Jahren müssen Eltern vor Ort einen Haftungsausschluss unterzeichnen, da für diese Altersgruppe eigentlich ein Zutrittsverbot auf das N-Ergie-Gelände besteht. Im Innenraum des Uhrenhauses herrscht FFP2-Maskenpflicht.