Als die 1.814 Fans am Montagabend die Coburger Huk-Arena verließen, gab es draußen ein gewaltiges Donnerwetter in Form eines Wintergewitters. Selbiges hatte der Handball-Zweitligist HSC 2000 Coburg in den eineinhalb Stunden zuvor auf dem Spielfeld erlebt. Es ging am zweiten Weihnachtsfeiertag gegen den HC Motor Zaporizhzhia. Der seit 2013 ständige ukrainische Meister, langjährige Teilnehmer der Champions League und in dieser Saison Starter in der European League ließ Coburg über weite Strecken richtig schlecht aussehen und landete mit einem 30:23 seinen höchsten Saisonsieg. Zuvor hatte er nur Rostock, Würzburg und Potsdam bezwingen können.
Die Ukrainer wurden dafür von ihren anwesenden Landsleuten in der Halle gebührend gefeiert und für Coburg fiel die Niederlage sogar noch schmeichelhaft aus. Hätten Apfel und Jochens, die neben allen drei Strafwürfen auch noch viele weitere Bälle entschärften, ebenfalls einen so schwachen Tag erwischt wie der Großteil ihrer Vorderleute, hätte es für Coburg ein richtiges Debakel geben können. Entsprechend bedient war HSC-Coach Brian Ankersen: „Ich habe so kurz nach der Partie kaum Worte für das, wie es gelaufen ist. Schon wie wir das Spiel angegangen haben, ist nicht das, was ich von meiner Mannschaft will. Insgesamt ist das nicht akzeptabel.“
Die aktuelle Tabelle der 2. Bundesliga
2. Bundesliga
HSC 2000 Coburg – Motor Zaporizhzhia 23:30 (9:16)
Alles war etwas anders bei diesem Heimspiel. Das fing schon mit den Aktionen am Fanstand an, wo selbst zubereitete ukrainische Spezialitäten angeboten wurden und setzte sich beim Einlaufen fort, denn die Gäste kamen aus dem gleichen Einlauftunnel wie sonst nur die HSCler. Motor-Trainer Savukynas sagte nach dem Spiel: „In 99,9 Prozent der Städte, in denen wir gespielt haben, sind wir richtig herzlich und freundschaftlich empfangen worden.“
Auch HSC-Geschäftsführer Jan Gorr stellte klar, „dass dieses Weihnachtsspiel schon immer etwas Besonders war. Doch diesmal hatte es eine besondere Bedeutung durch den Auftritt von Motor. Wir in der ganzen Liga mussten im Sommer nicht lange überlegen, als es darum ging, Zaporizhzhia zu integrieren. Das ist der Zusammenhalt im Sport.“ Zudem verteilte Coburg fleißig Gastgeschenke.
Viele Spieler fehlen beim HSC Coburg
Ankersen stellte allerdings vor der Partie klar, dass es für ihn ein Spiel war, auf das er sein Team wie gewöhnlich vorbereitet hatte, was aber auf der Platte nicht unbedingt zu sehen war: „Auch heute werden wir agieren, als wenn die Punkte für den Sieg am Ende zählen. Es werden auch alle einsatzfähigen Spieler auflaufen und nur die verletzten oder erkrankten Akteure pausieren.“
Das waren aber nicht wenige. Während Florian Billek nach seiner Lungenentzündung zurückkehrte, begann die WM-Pause für Jan Schäffer, Merlin Fuß, Jan Kulhanek, Max Preller sowie Felix und Max Jaeger frühzeitiger. Während der Partie fielen dann auch noch Ossowski und Herzig aus.
Was vielen sofort auffiel, war die Körperlichkeit der Gäste im Vergleich zu den HSClern. Und diese hatten einen miserablen Start in die Partie. Obwohl Apfel sogar einen Strafwurf parierte, lag sein Team mit 0:4 zurück. Nach genau 4:44 gespielten Minuten knallte Ankersen wutentbrannt die „Time-Out“-Karte auf den Zeitnehmertisch, redete energisch auf sein Team ein. Das kam nach knapp fünfeinhalb Minuten zum ersten Treffer. An die robuste Gangart von Zaporizhzhia mussten es sich gewöhnen. Doch die Auszeit fruchtete, zumindest kurz. Nach zehn Minuten war Coburg durch überlegte Aktionen über den Kreis und die Außenpositionen auf einen Treffer herangekommen.
Zaporizhzhia agiert dynamischer
Doch die dynamischen, schnellfüßigen Gäste stellten schnell den alten Abstand wieder her, weil sie immer wieder Lücken in der Coburger Abwehr auftaten. Ein sensationeller Treffer gelang Andreas Schröder zum 8:10: Erst setzte er sich im Eins-gegen-eins gegen sein Gegenüber durch, der ihn aber etwas herumriss. Mit dem Rücken zum Tor brachte der HSC-Spielführer den Ball per Rückhandtreffer trotzdem ins Tor.
Danach hatte Coburg einige Chancen, um zum Ausgleich zu kommen. Diese blieben allerdings ungenutzt und es ging erneut in die andere Richtung. Coburg blieb elf Minuten und elf Sekunden ohne Treffer, ehe Billek diese Phase beendete. Doch schon hier deutete sich an, dass Coburg gegen diesen Gegner ohne Chance sein würde.
Den nächsten Rückhandtreffer ließ Runarsson direkt nach Wiederanpfiff folgen. Doch mit Kontern klappte es weiterhin nicht und im gebundenen Spiel tat sich der HSC extrem schwer. Zudem häuften sich die Fehler im Spielaufbau und der Dank muss an Jochens im Tor gehen – wie schon an Apfel vor der Pause – der zunächst einen zweistelligen Rückstand verhinderte. Beim 11:21 war es dann doch soweit und in der Folge spielte Zaporizhzhia phasenweise Katz und Maus mit den Coburgern, die kaum noch Akzente setzen konnten. Sie mussten klar internationaler Härte und Dynamik sowie Schnelligkeit und höherem Grundtempo Tribut zollen.
Erfreut über den gelungenen Jahresabschluss war natürlich Savukynas: „Das ist ein positiver Ausblick für die restlichen Spiele im neuen Jahr. Wir haben zahlreiche Spiele mit einem oder zwei Toren verloren, sonst wäre unser Abschneiden insgesamt besser. Doch diese Partie gibt uns wirklich Hoffnung.“
Brian Ankersen: „Bei vielen fehlt die Ernsthaftigkeit“
Der Auftritt der Coburger ist nahezu ein Spiegelbild der bisherigen Saison mit ihren vielen Höhen und Tiefen und hinterlässt einen „angefressenen“ HSC-Coach: „Bei vielen Spielern fehlt die Ernsthaftigkeit. Dafür trainieren wir Woche für Woche. Wenn du in dieser zweiten Liga so wie heute gegen Motor nicht zu 100 Prozent da bist, wirst du abgeschossen. Wir müssen es als Mannschaft verstehen, dass das Fokussieren schon im Training anfängt, dann kommt es automatisch im Spiel. Da haben wir noch gewaltiges Potenzial. Ich bin maßlos enttäuscht.“
Das nächste Spiel findet für die Coburger am 4. Februar 2023 statt, wenn es zum thüringisch-fränkischen Derby nach Eisenach geht.
Die Statistik
HSC 2000 Coburg: Jochens (7 Paraden), Apfel (9 Paraden) – Runarsson (9/3), Dettenthaler (1), Bis (3), Schartl, Glatthard (2), Ossowski, Billek (1), Herzig, Krone (1), Knauer (1), Valkovskis (3), Schröder (2)
HC Motor Zaporizhzhia: Chudinov (11 Paraden), Budko (1 Parade), Komok (0 Paraden) – Kubatko (1), Blyzniuk, Denysov (5), Turchenko (4), Cosano, Kravchenko (2), Horovyi (2), Onufriienko (1), Horiha (5), O. Kasai (1), Andjelic (4), Truchanovicius (3), Tiutiunnyk (2).
Schiedsrichterinnen: Jennifer Eckert / Maria Ludwig
Zuschauer: 1.814
Zeitstrafen: 8 (Bis 4, Schröder, Glatthard) – 10 (Blyzniuk, Andjelic, Kravchenko, Horiha 4)
Siebenmeter: 3/4 (Runarsson scheitert an Budko) – 0/3 (Kubatko und Turchenko scheitern an Jochens, Turchenko scheitert an Apfel)
Spielfilm: 0:4 (5.), 4:5 (10.), 4:8 (12.), 8:10 (18.), 8:11 (23.), 8:14 (28.), 9:14 (30.), 9:16 – 10:17 (32.), 11:21 (40.), 13:23 (44.), 16:25 (50.), 18:28 (54.), 20:28 (56.), 23:30.
Beste Spieler: Runarsson, Apfel, Jochens, Valkovskis – Truchanovicius, Horiha, Denysov
So lief das letzte Spiel des HSC Coburg: