Konkurrenz kann nicht nur das Geschäft beleben. Neulinge können auch Ängste schüren. Wobei der unvermeidliche Platzhirsch wohl besonders viel zu verlieren hat. Mit der Neugründung der Technischen Universität Nürnberg (TUN) betritt gerade ein potenter Newcomer mit Pauken und Trompeten das Terrain. Wohl schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb wird das Nesthäkchen unter den bayerischen Hochschulen versuchen, dem Establishment das Revier streitig zu machen.
Bei der kürzlich erfolgten Grundsteinlegung hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schon einmal – wenn vielleicht auch unbewusst – eine relativ zackige Tonart angeschlagen und eine durchaus forsche Marschrichtung vorgegeben. „Mit der Gründung der TU Nürnberg wagt Bayern etwas Neues und schafft den Prototyp einer neuen Universitätskultur“, hat Söder kürzlich in Nürnberg gesagt und nicht vergessen zu erwähnen, dass der Freistaat in die neue Uni rund 1,2 Milliarden Euro für bis zu 6000 Studierende und 240 Professuren mit keinem geringeren Ziel, als „ein neues Level von Wissenschaft“ zu schaffen, investiert.
Sorge um Zuschüsse
Die Nachbarn hätten die Botschaft wohl auch ohne die markigen Töne vernommen. Die nackte Tatsache allein, dass es sich bei der TUN um die erste Neugründung seit 1978 handelt, dürfte bereits als Herausforderung begriffen werden. „Wissenschaftlicher Wettbewerb spornt zu Höchstleistung an. Insofern ist Wettbewerb grundsätzlich etwas Positives und die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg ist jederzeit bereit, sich dem Wettbewerb zu stellen“, teilt FAU-Präsident Joachim Hornegger auf Anfrage mit.
Laut der Landtagsabgeordneten Verena Osgyan (Grüne) aus Nürnberg habe es in Franken anfangs durchaus Unmut über den überraschenden Neuling gegeben. Die Befürchtung sei besonders in Erlangen groß gewesen, durch die Neugründung selbst in die Röhre zu schauen und weniger Geld zum Lösen des eigenen Sanierungsstaus vom Freistaat zu bekommen. FAU-Präsident Hornegger weist ausdrücklich auf die Bedeutung des Grundsatzes hin, dass „die Mittel für einen neuen Player zusätzliche Mittel“ sind. Darauf habe auch Osgyan nach eigenen Worten immer gedrängt.
Lesen Sie auch:
Heute ist die fränkische Bildungspolitikerin voll des Lobes. Auch Hornegger kann nicht feststellen, dass diesbezügliche Zusagen gebrochen worden seien und geplante Investitionen durch die Neugründung gelitten hätten. Dieses grundsätzliche Versprechen habe die Staatsregierung „bislang gehalten“, sagt Hornegger und verweist auf die Genehmigung von FAU-Bauprojekten mit einem Finanzvolumen von knapp einer Milliarde Euro.
Ein neues Stadtviertel
Beeindruckend wirkt auch das, was die TUN auf dem ehemaligen Güterbahnhof-Areal in Nürnberg baulich vorhat. An der Brunecker Straße im Süden der Frankenmetropole soll in den nächsten Jahren ein komplett neues Stadtviertel entstehen. „Es ist ein historischer Tag für unsere Stadt“, hat der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU) bei der Grundsteinlegung dementsprechend jubiliert und dem Ministerpräsidenten für dieses „Jahrhundertprojekt“ ausgiebig gedankt. Auch FAU-Präsident Hornegger freut sich, dass die vielen Bildungseuros nach Franken fließen.
Wie Oxford und Cambridge
Bildungspolitiker wie Verena Osgyan hoffen durch die neue TUN auf eine nachhaltige Belebung der nordbayerischen Bildungslandschaft. Zum gegenseitigen Anspornen der Leistungsbereitschaft schlägt Osgyan regelmäßige Fischerstechen auf der Pegnitz vor. FAU-Präsident Hornegger kann sich sogar Ruderwettbewerbe auf fränkischen Gewässern vorstellen. Die ehrwürdigen „Boat Races“ auf der Themse zwischen Cambridge und Oxford lassen grüßen.
Ganz so ernst wie in England wird man den Wettbewerb hierzulande aber wohl nicht betreiben. Dafür würden die bayerischen Universitäten in allen Fragen zum Wohl ihrer Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten, aber auch zur Weiterentwicklung und Zukunftsfähigkeit der bayerischen Hochschullandschaft laut FAU-Präsident Hornegger zu eng zusammenarbeiten.
Lesen Sie auch:
Hans Jürgen Prömel, Gründungspräsident der Technischen Universität Nürnberg, hat bei der Grundsteinlegung jedenfalls klargemacht, dass er für den Erfolg offensichtlich alles tun will. „Das ist eine großartige Chance, eine interdisziplinäre, internationale und digitale Technische Universität nach modernsten Gesichtspunkten zu errichten“, hat Prömel gesagt und von Nürnberg als einem „hervorragenden Ort, um ein solches Vorhaben zu realisieren“ gesprochen.
Bis Ende 2023 soll das erste Gebäude am neuen Standort bezugsfertig sein. Bis dahin sollen die strukturellen Arbeiten an der Errichtung der neuen Universität sowie die Konzeption von Forschung und Lehre in einem dafür angemieteten Interimsquartier vorangetrieben werden. Schon im Wintersemester 2021/22 sollen erste Online-Angebote starten.
Zum Wintersemester 2023/24 soll dann ein erstes Master-Programm angeboten werden. Es wird sechs Departments und interdisziplinäre Aktivitätsfelder von Mechatronic bis Quantum Engineering geben. Nach dem Spatenstich für das erste Gebäude als Keimzelle für den neuen Campus sollen auf dem rund 37 Hektar großen Areal in den nächsten Jahren laut dem zuständigen Architekturbüro über 30 weitere Gebäude zum Studieren mit Wohlfühlfaktor entstehen.