Corona
Krankenhäuser sind bald überlastet
Ein Notarzt versorgt im Rettungswagen einen Patienten.
Ein Notarzt versorgt im Rettungswagen einen Patienten.
Patrick Seeger, dpa
F-Signet von Redaktion Fränkischer Tag
München – In einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder warnen Notärzte vor einer Überlastung der Krankenhäuser.

Die Situation ist ernst: Werde die vierte Welle der mittlerweile exponentiell steigenden Corona-Neuinfektionen nicht sofort gebrochen, drohe Bayerns Krankenhäusern der Kollaps. Dies befürchten die bayerischen Notärztinnen und Notärzte. In einem offenen Brief, der am Wochenende veröffentlicht wurde, wenden sie sich deshalb an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Gesundheitsminister Klaus Holetschek und Innenminister Joachim Herrmann.

Belastungsgrenze bereits erreicht

Bereits jetzt seien die Krankenhäuser und Intensivstationen an ihrer Belastungsgrenze. Schon seit Wochen würden Patienten innerhalb Bayerns in weiter entfernte Krankenhäuser verlegt, vor allem aus Südbayern nach Unterfranken. Unterfranken sei sozusagen „die letzte Enklave“, die Region in Bayern, die noch am besten dastehe. „Aber auch hier laufen die Kliniken voll“, sagt Dr. Thomas Jarausch aus Würzburg, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der mehr als 3000 bayerischen Notärztinnen und Notärzte (agbn). Die Situation verschlechtere sich von Tag zu Tag.

Die Folge: Geplante Operationen müssten verschoben werden. Und noch schlimmer: Notfallpatienten drohe, dass sie künftig nicht in der für sie am nächsten gelegenen und geeigneten Klinik aufgenommen werden, sondern auf langen Wegen in Kliniken mit noch freien Betten transportiert werden müssen. „Das gefährdet Menschenleben“, sagt Jarausch. Das betreffe zum Beispiel all jene, die akute Herzinfarkte, Schlaganfälle oder schwere Unfälle erleiden.

Triagen nicht mehr ausgeschlossen

Noch dramatischer wäre es, wenn Notärzte durch einen Kollaps der Kliniken zu einer prähospitalen Priorisierung beziehungsweise Triagierung gezwungen würden, schreiben die Notfallmediziner in ihrem offenen Brief. Sprich: „Wenn die Politik jetzt nichts tut, könnte es dazu kommen, dass sich die Rettungswagen vor den Kliniken stauen und wir Bilder sehen wie letztes Jahr im italienischen Bergamo“, sagt Thomas Jarausch. Im schlimmsten Szenario müssten die Notärzte dann vor den Kliniken entscheiden, welchen Patienten sie behandeln und welchen nicht. „Das müssen wir mit allen Mitteln verhindern“, so der Notfallmediziner.

Bayerns Intensivstationen seien bereits jetzt zu 90 Prozent ausgelastet. Und: Covid-Patienten lägen nicht wie andere Patienten wenige Tage auf einer Intensivstation, sondern unter Umständen vier bis fünf Wochen. Die überwiegende Anzahl von ihnen sei ungeimpft.

Für Impfpflicht für medizinische Berufe

In ihrem offenen Brief fordern die Notärztinnen und Notärzte deshalb, die 2G-Regeln in allen Bereichen des öffentlichen Lebens einzuführen sowie weitere Kontakteinschränkungen für ungeimpfte Personen. Außerdem halten sie eine Impfpflicht für alle medizinischen Berufe, Pflegeberufe und Berufe mit körpernahen Tätigkeiten für notwendig. „Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass ungeimpfte Ärzte und Pflegekräfte auch maßgebliche Infektionsüberträger sind“, sagt Jarausch.

Außerdem müsse die Politik etwas gegen den immer besorgniserregenderen Mangel an Pflegekräften tun. Die Dauerbelastung der Pflegekräfte während der Pandemie habe die Entwicklung noch forciert. Krankenpflegeberufe müssten endlich attraktiver werden, heißt es in dem offenen Brief.

Dritte Impfung ein Muss

Von der Politik erwarten die Notärzte außerdem ein erneutes Impfangebot an alle Bürger, auch in sozialen Brennpunkten, eine dritte Impfung für alle, deren zweite Impfung länger als sechs Monate zurückliegt, eine Aberkennung des vollen Corona-Impfschutzes neun Monate nach der letzten Impfung sowie eine Aufklärungskampagne, um jene Bürger, die sich von Falschnachrichten haben verunsichern lassen, für eine Erstimpfung zu gewinnen.

Der Vorsitzende der bayerischen Notärzte appelliert zudem an alle, die jetzt noch zögern, sich impfen zu lassen mit den Worten: „Das Risiko, eine Komplikation im Rahmen der Impfung zu erleiden, ist viel geringer als an einer Covid-19-Erkrankung lebensbedrohlich zu erkranken, davon Spätfolgen davonzutragen oder im schlimmsten Fall zu versterben. Lassen Sie sich impfen!“

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