Im anhaltenden Streit um die Lockerung der Corona-Regeln schöpft die Bayerische Staatsregierung den Spielraum, den die Bundesregierung den Ländern lässt, bis zum letzten Tag und nahezu vollständig aus. Das heißt: In Bayern bleibt es bis zum 2. April bei den bisher gültigen Zugangsregeln sowie bei der Maskenpflicht im Handel und in den Schulen.
Lediglich in Grund- und Förderschulen entfällt ab kommenden Montag die Maskenpflicht im Unterricht. Eine Woche später dürfen dann auch Schülerinnen und Schüler in den fünften und sechsten Klassen am Sitzplatz ihre Maske ablegen. So hat es das Kabinett am Dienstag in München beschlossen.
Wie es danach weitergeht, steht noch nicht abschließend fest. Geht in Berlin der jetzt vorliegende Regierungsentwurf zur Neufassung des Infektionsschutzgesetzes durch, werden bereits ab diesem Samstag viele Corona-Beschränkungen wegfallen.
Dazu gehören das Verbot von Volksfesten und Jahrmärkten, das Tanzverbot in der Gastronomie, die Beschränkung der Besucherzahlen bei Gottesdiensten, Messen, Sport- und Kulturveranstaltungen sowie das Verbot, auf öffentlichen Plätzen Alkohol zu verkaufen oder zu konsumieren.
Eine Maskenpflicht soll danach nur noch in Krankenhäusern, in Pflegeheimen und in öffentlichen Verkehrsmitteln gelten, dazu gäbe es verpflichtende Corona-Tests in Schulen und Pflegeheimen.
Dass in Bayern die Maskenpflicht im Unterricht zumindest an Grundschulen und danach auch in den fünften und sechsten Klassen fällt, verbuchen die Freien Wähler als ihren Erfolg. „Unzählige Eltern haben sich bei uns gemeldet und uns gebeten, die Maskenpflicht im Unterricht abzuschaffen“, sagte der Parteichef der Freien Wähler, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
Gesundheitsminister unter Bedingungen einverstanden
Gesundheitsminister Klaus Holetschek akzeptierte die Entscheidung, weil es in den betroffenen Schularten und Klassen regelmäßige PCR-Tests gebe.
Heftige Kritik an der Neufassung des Bundesinfektionsschutzgesetzes kam von Ministerpräsident und CSU-Vorsitzendem Markus Söder. „Es ist schon paradox: Corona steigt steil an, und die Politik steigt steil aus“, sagte Söder am Dienstag in einer Regierungserklärung im Landtag.
Die Regierung fährt reinen FDP-Kurs
Er griff dabei vor allem die FDP scharf an. Der Gesetzentwurf sei „Kubicki pur“. Er frage sich: „Warum machen SPD und Grüne das eins zu eins mit?“
Mit dem neuen Gesetz sei Deutschland bei einer erneuten Verschlimmerung der Pandemie-Lage „schutz- und wehrlos“. Die in dem Gesetz vorgesehene Hotspot-Regelung sei untauglich, so Söder.
Im Team "Blindflug"
„Das ist weder das Team Vorsicht noch das Team Freiheit und auch nicht das Team Augenmaß. Das ist das Team Blindflug.“ Andere CSU-Politiker stimmten in die Kritik des Ministerpräsidenten ein.
Holetschek etwa sagte: „Bundesgesundheitsminister Lauterbach sollte seine Überzeugung – gerade als Wissenschaftler – nicht einem faulen Kompromiss zugunsten der Koalitionsdisziplin der Ampel opfern. Ich hoffe sehr, dass die lauter werdenden Stimmen in der Ampel noch etwas Vernunft und Praktikabilität in das Gesetz einbauen können.“
Staatskanzleichef Florian Herrmann kritisierte vor allem die hohen rechtlichen Hürden für eine Anwendung der Hotspot-Regelung und betonte: „In dem Instrument, das uns der Bund gibt, ist eigentlich seine Nicht-Anwendbarkeit schon angelegt.“
Auch viele Ärztinnen und Ärzte halten die von der Bundesregierung geplanten Lockerungen für verfrüht. „Ich kann nicht verstehen, warum die Maskenpflicht in Innenräumen jetzt schon abgeschafft wird“, betonte die Präsidentin des Marburger Bundes, Susanne Johna, gegenüber dieser Redaktion.
Gerade angesichts der steigenden Inzidenzen sei es doch zumutbar, diese wirksame Maßnahme beizubehalten, bis die Welle auslaufe. „Dadurch würden wir zum einen besonders gefährdete Menschen besser schützen, zum anderen aber auch verhindern, dass beispielsweise in Krankenhäusern noch mehr Personal ausfällt, weil es infiziert ist.“