Nach Scholz Absage
Im Schlafwagen: Merz reist nach Kiew
Ukraine-Krieg - Irpin
Friedrich Merz (r), CDU-Parteivorsitzender, geht umgeben von Journalisten in Irpin.
Efrem Lukatsky (AP)
von dpa
Berlin – Nachdem Scholz nicht will, fährt eben Oppositionsführer Merz in die Ukraine. Solidarität oder Taktik? Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einer Reise nach Kiew zögert, ist der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in die Ukraine gereist. Nach dpa-Informationen kam er am Dienstag (3. Mai) in der Hauptstadt an. «Eine Nacht im Schlafwagen auf dem Weg nach Kyiw», hatte der 66-Jährige zuvor beim Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben und dazu ein 17-Sekunden-Video verbreitet.

Er will dort unter anderem den ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal und den Bürgermeister Vitali Klitschko treffen, auch Gespräche mit Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk und Oppositionspolitikern sind geplant.

Aus dem Zug postete Merz: «Wir haben eine interessante Reise vor uns und bis jetzt kann ich nur sagen: Alles sicher, alles gut und die ukrainischen Behörden sind äußerst kooperativ. Sehr angenehme Menschen. Es ist schön, in diesem Land zu sein.»

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte im Deutschlandfunk, dass es in Kiew um das im Bundestag beschlossene Versprechen deutscher Waffenlieferungen gehen soll. «Andererseits geht's natürlich auch darum, Solidarität zu zeigen und noch einmal die Dinge mitzunehmen, die jetzt wichtig sind für die Ukraine und für den Verteidigungskampf der ukrainischen Bevölkerung.»

Merz versichert: Reise habe keinen Zusammenhang mit der anstehenden Wahl

Einordnungen, bei dem Besuch könnte es sich mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen um ein Wahlkampfmanöver handeln, wies Czaja zurück. «Das hat mit den anstehenden Landtagswahlkämpfen rein wirklich gar nichts zu tun», sagte er. Merz habe die Reise bereits am 22. Februar geplant gehabt, der Krieg sei aber dazwischengekommen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, warnte davor, eine solche Reise aus parteipolitischen Beweggründen anzutreten. «Es ist gut, wenn auch deutsche Politiker in die Ukraine reisen», sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Aber sie müssen dafür gute Gründe haben. Ein schlechter Grund ist es, einen innenpolitischen Streit in die Ukraine zu tragen und sich dort parteipolitisch profilieren zu wollen. Das ist der Dramatik des Krieges nicht angemessen.»

Bereits zuvor hatte es eine Diskussion über die Reisepläne des Oppositionsführers gegeben - und darüber, wie Bundeskanzler Scholz zu dem Thema steht. Im ZDF sagte er, er habe keine Einwände gegen Merz' Reise erhoben. «Ich billige das.» Zugleich machte der Kanzler klar, dass die Ausladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier Mitte April durch die Ukraine seiner eigenen Reise nach Kiew im Weg steht.

Scholz, die "beleidigte Leberwurst"

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk kritisierte dies drastisch: «Eine beleidigte Leberwurst zu spielen, klingt nicht sehr staatsmännisch.» Es gehe um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Nazi-Überfall auf die Ukraine, «es ist kein Kindergarten», sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich betonte er, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj würde sich weiterhin freuen, Scholz in Kiew empfangen zu dürfen.

Der geplante Besuch von Steinmeier war Mitte April geplatzt, weil die ukrainische Seite ihn auslud. Er steht in der Ukraine wegen seiner Russland-Politik als früherer Außenminister in der Kritik.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) forderte Melnyk auf, sich beim Bundespräsidenten zu entschuldigen. Die Ukraine habe Steinmeier ausgeladen und könne nun nicht erwarten, dass Bundeskanzler Scholz nach Kiew reise, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Vielleicht, lieber Herr Melnyk, entschuldigt man sich einfach mal beim Präsidenten und lädt dann den Kanzler höflich einzukommen.»

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla forderte nach Melnyks Äußerung Konsequenzen. «Solche Provokationen und Beleidigungen von Verfassungsorganen sind nicht tatenlos hinzunehmen. Die Bundesregierung muss sofort Botschafter Melnyk einbestellen», sagte er der dpa. Wenn sich Melnyk uneinsichtig zeige, müsse die Regierung darauf bestehen, dass er umgehend abberufen werde.

Lesen Sie auch:

Lesen Sie mehr zu folgenden Themen:
Inhalt teilen

Oder kopieren Sie den Link: