Hunderte Todesopfer, Zehntausende Festnahmen: Seit Mitte September die junge Iranerin Mahsa Amini in Gewahrsam der Sittenpolizei starb, gärt es im Iran. Zwar hat der brutale Druck des Regimes Wirkung gezeigt: Hinrichtungen, Folter und Massenfestnahmen haben die Protestwelle abgebremst. Völlig abgeebbt ist sie aber nicht. "Es brodelt nach wie vor", sagen Frauen im Landkreis Kitzingen, die aus dem Iran stammen und gute Kontakte dorthin haben.
Sie tragen klingende Namen wie Saba, Nahrin, Samira, Zahra, Reihaneh und Maryam. Sie leben im Raum Kitzingen, als Geschäftsinhaberinnen, Krankenschwestern oder Bankangestellte. Alle stammen aus dem Iran und haben noch immer Freude, Familienmitglieder und Bekannte dort. Deshalb nennen wir ihre Namen hier nicht vollständig. Denn die Gefahr für Leib und Leben ist groß, wenn Vertreter der Islamischen Republik Iran Kritik wittern.
"Die Mullahs werden die Demonstrationen nicht völlig unterdrücken können", glaubt Nahrin. "Der Wille der Frauen, endlich frei zu sein, ist stark." Zudem gebe es ja nicht nur im Iran, sondern weltweit Proteste. Nahrin lebt seit vielen Jahren in Deutschland, sie hat sich bestens integriert, ist zum Beispiel als ehrenamtliche Übersetzerin tätig, wenn Persisch- und Türkisch-Kenntnisse gefragt sind. "Ich habe jeden Tag und jede Nacht Angst um meine Freunde im Iran. Manche gehen trotz der Todesdrohungen weiter auf die Straße. Andere bleiben jetzt zuhause."
"Früher gab es keinem Kopftuchzwang und keine Unterdrückung"
Wie Nahrin selbst, sind viele ihrer Bekannten vergleichsweise frei aufgewachsen. "Als ich jung war, gab es keinen Kopftuchzwang und keine Unterdrückung." Ihre Mutter sei eine weltoffene Frau gewesen. Seit Beginn der 80er-Jahre mit der Machtübernahme der Mullahs habe sich die Lage für die Frauen immer mehr verschlimmert.
Besonders erschreckend sei die Willkür, mit der die Sittenpolizei vorgeht. "Für sie gilt kein Gesetz. Sie mordet und quält, wie sie will." Auch junge Männer seien einfach erschossen worden, nur weil sie sich den demonstrierenden Frauen angeschlossen hatten. "Die Mullahs wollen jede Verwestlichung im Keim ersticken", stellt auch Maryam fest. "Dabei ist die Welt doch längst so vernetzt, dass man manches auf Dauer nicht aufhalten kann, auch nicht mit Gewalt. Aber es ist schlimm, dass so viele für die Freiheit sterben müssen."
Saba schlägt die großen dunklen Augen nieder. Eine Freundin ihrer Schwester in Teheran wurde bei einer Demonstration schwer verletzt. Maryam legt ihr die Hand um die Schulter: "Der Welt fehlt Liebe", sagt sie leise. Eigentlich, meint sie, sollte es egal sein, welcher Religion man angehöre oder welchem Geschlecht – es sollte sich keiner über den anderen erheben. " Ihre deutsche Freundin Petra nickt und fügt hinzu: "Wenn ich einen Wunsch frei hätte, wäre es der: Das Wort 'besser' aus jedem Wortschatz zu streichen." Niemand solle sich "besser" bewerten als den anderen.
Geschäfte mit den Mullahs?
"Iranische Frauen sind stolz und stark", sagt Nahrin. "Im Inneren des Hauses hatten wir schon immer das Sagen, nur außerhalb spricht der Mann." Es komme nun auch darauf an, was die europäische und die US-amerikanische Politik tut, wie sie dem Gewalt-Regime gegenüber auftritt. "Macht man weiter Geschäfte mit den Mullahs?"
Nahrin setzt große Hoffnungen in ihre Landsfrauen. "Unser Herz liebt die Freiheit. Ich habe Hoffnung, dass der Kampf dafür sich am Ende für die Frauen lohnt."