Heimatgeschichte hautnah Ausstellung gibt Einblicke in ehemalige Rhöner Dörfer Walter Kömpel freut sich, dass die Ausstellung mit 20 Plakattafeln über die abgesiedelten Orte in seinem Heimatdorf Oberbach gestartet ist. // Stephanie Elm Als Erinnerung erhielten sie, wie alle abgesiedelten Bewohner, ein kleines Heimatbüchlein. // Repro: Stephanie Elm von Stephanie Elm TEILEN  13.08.2024 Oberbach – Die Ausstellung „Heimatgeschichte hautnah“ zeigt das Leben in den Rhöner Dörfern, die 1938 dem Truppenübungsplatz Wildflecken weichen mussten. Sie ist in Oberbach und Bad Brückenau zu sehen. Vielleicht wollten sie es nicht verstehen, was sie von der Reichsumsiedlungsgesellschaft erfuhren – Johann Josef, Karolina, Robert, Rosa und Albin. Sie sollten aus ihrem Haus und aus ihrem Dorf Silberhof wegziehen, weil in dem Gebiet Soldaten üben müssen? Aber spätestens 1938 war es die neue Realität für insgesamt etwa 2600 Menschen, die auf Grund der Errichtung des Truppenübungsplatzes Wildflecken umgesiedelt wurden. Manche zogen nach Einraffshof, Motten oder Weichersbach, andere wurden in Niederbayern angesiedelt. Familie Müller zog nach Bad Kissingen und nahm als Erinnerung von ihrem Haus in Silberhof vielleicht ein paar Möbelstücke, vielleicht ein paar Schindeln von der Hausfassade und Gerätschaften mit. Sie erhielten außerdem ein Erinnerungsgeschenk in Form eines kleinen Heimatbüchleins mit dem Foto des Hauses, das die Vorfahren knapp 90 Jahre zuvor errichtet hatten. Die Ausstellung „Heimatgeschichte hautnah“ gibt Einblicke in das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner von zahlreichen Rhöner Dörfern, die dem Truppenübungsplatz Wildflecken weichen mussten. Walter Kömpel, der mit dem in diesem Jahr verstorbenen Heimatforscher Matthias Elm die 20 Tafeln zu den abgesiedelten Orten und Weilern, aber auch zu besonderen Orten wie der Felsformation Ottersteine erstellt hat, berichtet: „Manche haben sich nie mehr zurecht gefunden in ihrer neuen Heimat. Es gab schon tragische Schicksale“. Familie Müller bewohnte das Haus Nummer 3 in Silberhof bis 1938, als für den Truppenübungsplatz Wildflecken alle Orte abgesiedelt wurden. Müllers zogen nach Bad Kissingen. // Repro: Stephanie Elm Bilder auf Plakate bringen Elm und Kömpel hatten bereits mehrere Chroniken über die abgesiedelten Ortschaften erstellt. Für die Ausstellung, die im Haus der Schwarzen Berge in Oberbach startete, hieß es nun, die Fülle an Informationen und Bildern „auf Kleinformat“ zu bringen: „Das Reduzieren auf Plakatgröße war auch stundenlange Arbeit“, berichtet Kömpel. Matthias Elm und Walter Kömpel hatten schon für ihre Chroniken in Karl Hahn einen Mediengestalter gefunden, der ihren Stil gekonnt umsetzte. Nun hat sich der Brückenauer der 20 Plakattafeln angenommen. Bis das grundlegende Layout gefunden war, war es „anfangs sehr zeitraubend. An der ersten Tafel habe ich einen Tag lang gebastelt“. Durchschnittlich schätzt er die Zeit, die er pro Tafel brauchte, auf drei bis vier Stunden. Das Projekt hat sich insgesamt über mehrere Monate hingezogen. Das Wissen um die verschwundenen Orte möchte Walter Kömpel erhalten. „Es gibt viel mehr zu erzählen“ bedauert der Oberbacher ein bisschen, dass auf den einzelnen Plakaten doch recht wenig Platz für die unterschiedlichen Ortsgeschichten ist. Aufschub gewährt Dalherda ist das einzige Dorf, das sich der Absiedlung entziehen konnte. Werberg und Reußendorf „genossen eine Aufschubfrist“, so Kömpel. In Reußendorf durften die Platzarbeiter, die am Bau des Truppenübungsplatzes mithalfen, wohnen. In Werberg fanden nach dem Zweiten Weltkrieg Heimatvertriebene eine Bleibe. Alle anderen Dörfer wurden abgesiedelt und dem Erdboden gleichgemacht. Es gibt nur wenige Gelegenheiten, auf das damalige Leben noch einen Blick zu erhaschen, wie bei den Wandertagen auf dem Truppenübungsplatz, beim Werberger Treffen oder wenn die Friedhöfe in Reußendorf und Altglashütten besucht werden können. Bei diesen Gelegenheiten sehe man auch, „dass die Orte in der Erinnerung vieler Menschen noch gegenwärtig sind“, sagt Michaela Queck vom Kulturbüro in Bad Brückenau. Die Ausstellung wird dort ab dem 9. September in der Georgihalle zu sehen sein. Alle abgesiedelten Orte „waren ja nur einen Steinwurf entfernt vom städtischen Zentrum“, viele Brückenauer hätten noch einen biographischen Bezug zu den abgesiedelten Orten. „Die Absiedlung der Ortschaften war aus meiner Sicht ein nicht zu unterschätzender Eingriff in historisch gewachsene Lebensstrukturen dieser Region und hat sie nachhaltig geprägt“, betont Queck. Der Verlust der Heimat sei ein universelles und auch aktuelles Thema. Gerade in Bad Brückenau gebe es nun die Gelegenheit für ein breites Publikum, die Ausstellung zu sehen. Wo die Ausstellung zu sehen ist Oberbach: Die Ausstellung mit dem Titel „Heimatgeschichte hautnah“ gastiert noch bis zum 8. September im Haus der Schwarzen Berge in Oberbach. Öffnungszeiten sind täglich von 10 bis 17 Uhr. Bad Brückenau: Vom 10. September bis zum 6. Oktober ist die Ausstellung in der Georgihalle in Bad Brückenau zu sehen, und zwar montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr. Am 9. September findet um 18.30 Uhr die Ausstellungseröffnung mit einem Grußwort von Bürgermeister Jan Marberg statt. Walter Kömpel stellt die Ausstellung vor. Er bietet auch Führungen an, anmelden muss man sich im Kulturbüro per Mail an kulturbuero@bad-brueckenau.de oder Tel. 09741/80 455. Weitere spannende Artikel: Glauben Wallfahrt im Truppenübungsplatz: Maria Ehrenberg erleben Der Maria Ehrenberg ist ein lebendiger Wallfahrtsort in einem aktiven Truppenübungsplatz. Am 14. und 15. August kommen Pilger, um das Hochfest „Mariä Himmelfahrt“ mit Gebet und Prozession zu feiern. Militär Auf den Spuren vergessener Grenzen Anlässlich des 500. Geburtstages der Gemeinde Wildflecken hat sich eine kleine Gruppe geladener Gäste auf die Suche nach historisch bedeutenden Grenzsteinen gemacht. Absiedlung Die Tragödie von Reußendorf: Ein Dorf verschwindet Das höchstgelegene Dorf Unterfrankens wurde dem Erdboden gleichgemacht. Eine neue Chronik erinnert an das verlorene Reußendorf und seine Bewohner. 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