Schwer hatte es die Luise Kinseher auf der Trebgaster Bühne, so dass sie vorsichtshalber nach der. Pause mit einem gehörnten Wikinger-Helm auftreten musste. Denn punktgenau nach ihrem umjubelten Einzug mit Stöckelschuhen anmutig über die seitliche, naturbelassen unebene Steintreppe herunter löste heftiges Blätterrauschen in den Bäumen den Applaus ab, um einsetzenden Regen anzukündigen. Was heißt Regen? Man glaubte, der ganze Wehlitzer Berg würde durch eine Autowaschanlage geschoben.
Durch welche bisher unbekannte technische Neuerungen die Requisiteure des Theaters dieses Naturschauspiel bewerkstelligt hatten, konnte in der Kürze der Zeit allerdings nicht recherchiert werden. Vermutlich dürfte dies aber durch eine Zeitschaltuhr steuerbar sein, so dass der Regen während der Pause aussetzte und danach wieder bis zum Ende der Veranstaltung weiterprasselte.
Kein Tauschgeschäft zu machen
Für die aus München in die nordbayerische Naturidylle angereiste Kinseherin war also zunächst Improvisation angesagt, nachdem sie sich verängstigt vergewissert hatte, dass sich der Wolf in der wildromantischen Trebgaster Kulisse noch nicht angesiedelt hat. Dabei machte sie mit ihrem ersten Vorschlag zur Umgestaltung der Szenerie gleich Bekanntschaft mit der fränkischen Mentalität: Das Publikum blieb stur und machte keine Anstalten, auf die verregnete Bühne zu wechseln und der Künstlerin das überdachte Auditorium zu überlassen. Im Mittelgang auf Höhe der dritten Reihe fand sie schließlich dann doch so etwas wie ihre Bühne.
Besser eine Kuh als bayerisches Wappentier
Doch Rückschläge ist die Kabarettistin ohnehin gewohnt. Als Mutter Bavaria hatte sie auf dem Nockherberg ja bereits den Auftrag, die bayerische Politik (wörtlich „s’Politikergschwerdl“) eines Besseren zu belehren. „Hat aber nix g‘nutzt“, wie sie berichtete. Überhaupt kämpfe sie dafür, dass der egomanische, aufbrausende Löwe als bayerisches Wappentier durch eine Kuh ersetzt wird: Mehr Weiblichkeit anstatt Testosteron alter Herren; auch inhaltlich würde es passen, denn die Kuh kaut auch alles ohne neuen Inhalt wieder.
Bayern schaltet die Verkehrsampeln ab …
Trotzdem mischte sie sich in den aktuellen Landtagswahlkampf, indem sie verkündete, dass ab demnächst alle Verkehrsampeln im Freistaat abgeschaltet würden, „damit sich das Volk nicht an rot-gelb-grün gewöhnt“.
Den zweiten Teil des Abends überließ Luise Kinseher dann ihrer rein komödiantischen Seite, dem „Weltstar“ Mary of Bavary. „Famous, very famous“ kauderwelschte die Sängerin aus ihrem stinkreichen Leben, die schon von Millionen am New Yorker Flughafen mit Jubel empfangen ihren Welthit jodeln muss – oder musste? Denn irgendwie war die Opernsängerin gesundheitlich nicht mehr so auf der Höhe. Das musste man aus ihrem Lallen schließen, nachdem sie sich bei ihrem Auftritt im Chinesenmantel und Wikingerhelm die Treppe herunter konzentriert festhalten musste. Zumindest ist ihr Leben in der sündhaft teuren Villa gleich neben dem Schauspieler George Clooney auch nicht das Wahre, klagte sie. „Der ist wie eine Klette und kommt alle fünf Minuten rüber und will einen Espresso“.
Einen guten Freund habe sie aber in China – und mit ihm die Parallelen von bayerischer und chinesischer Kultur entdeckt. Zum Beispiel, dass Qigong als Gesundheits- und Meditationsübung nichts anderes ist als Schuhplatteln in Zeitlupe, was sie voll konzentriert ihrem Publikum auch vorführt.
Niemand fletscht die Zähne so charmant
Luise Kinseher zeigte sich auch auf dem Wehlitzer Berg als Vollblutschauspielerin, die ihre maßgeschneiderten Rollen mit der gleichen Präzision beherrscht wie das Geplauder mit dem Publikum. Sie beobachtet Leute und Situationen haargenau, um sie dann überspitzt weiterzuspinnen oder die Dinge valentinesk vom Hundertsten ins Tausendste absurd zu verknoten und zu verwirren. Dabei kann man ihr nie böse sein. Denn niemand sonst fletscht die Zähne so charmant zu einem Lächeln wie sie nach einem bösen Kommentar.
Kinseher will zurückkommen – aber nur bei Regen
Sie wolle auf die schöne Naturbühne wiederkommen, sagte Luise Kinseher zu. „Aber nur bei Regen“ merkte sie zynisch an. Vielleicht hat man ja dann in der Requisite einen Baldachin oder ein halb offenes Zelt parat, das man in ein paar Minuten aufstellen kann. Nicht nur für die Künstlerin wäre der Auftritt dann entspannter.okay!
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