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Naturdenkmal freigelegt
Thurnauer können Bismarckstein wieder entdecken
Der Bismarckfelsen,  von der Hutschdorfer Straße aus betrachtet.
Der Bismarckfelsen, von der Hutschdorfer Straße aus betrachtet. // Harald Stark
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Thurnau – Der Bismarckstein war lange Zeit aus dem Bewusstsein der Thurnauer verschwunden. Jetzt ist er zum Teil wieder vom Bewuchs befreit.

Es ist noch gar nicht lange her, da bemerkten Passanten in der Hutschdorfer Straße, gegenüber des Evangelischen Gemeindezentrums „Lichtblick“, eine große, unförmige, über und über mit Efeu überwucherte Masse. Läuft man dieser Tage daran vorbei, so entdeckt man dort plötzlich einen rund sechs Meter hohen, von einem antik aussehenden Eisenzaun umgebenen unregelmäßig geformten Räthsandsteinfelsen, wie Kreisheimatpfleger Harald Stark berichtet.

Thurnauern als „Raachastaa“ bekannt

Das bis vor Kurzem wohl nur wenigen Thurnauern als „Raachastaa“ bekannte Felsgebilde findet sich schon 1704 als Reygerstein in alten Akten, war aber durch seinen starken Bewuchs Jahrzehnte den Blicken entzogen und dadurch dem Bewusstsein entwischt.

Ein Festwagen der Töpferei Renner um 1910 auf der Thurnauer Jägerstraße. Im Hintergrund ist der von seinem Eisenzaun umgebene Bismarckstein zu sehen.
Ein Festwagen der Töpferei Renner um 1910 auf der Thurnauer Jägerstraße. Im Hintergrund ist der von seinem Eisenzaun umgebene Bismarckstein zu sehen. // Archiv/Harald Stark

Früher erhob sich der Felsen völlig freistehend und weithin sichtbar zwischen dem nach Hutschdorf führenden Fußweg und der Jägerstraße. So verwundert es nicht, dass sich die Thurnauer das Dasein dieses einsam und verlassen dastehenden Steinbrockens auf mythische Weise zu erklären versuchten.

Wilhelmine Vogel schreibt von einem Riesen, der den Felsen abschüttelte

Wilhelmine Vogel, die schon um 1850 dem „Volk aufs Maul schaute“ und eifrig Sagen sammelte, schreibt von einem Riesen, der einst durch das Tal des Aubachs schlenderte. Als er merkte, dass ihn etwas am rechten Fuß drückte, schüttelte er ein Steinchen aus seinem Schuh. „Dieses Steinchen aber soll der genannte Fels sein.“


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Warum er aber Rackenstein und nicht richtiger Riesenstein heißt, ließe sich vielleicht dahin erklären, dass man in der Vorzeit Riesen und andere Männer von ungewöhnlicher Größe und Stärke auch Recken zu nennen pflegte, woraus die Volkssprache gar wohl „Racken“ gemacht haben könne.

1898 wollten die Thurnauer Bismarck Denkmal setzen

Schon 1898 beschlossen die Thurnauer, dem erst kürzlich verstorbenen Reichsgründer Otto von Bismarck ein Denkmal zu setzen. Als Ort der Verehrung wurde der „Raachastaa“ auserkoren, und man ließ an ihm eine Steintafel mit der vergoldeten Inschrift „Dem großen Kanzler Fürsten Otto von Bismarck 1899“ anbringen und ihn mit dem auch heute noch vorhandenen Eisenzaun umgeben. Die feierliche Einweihung des neuen „Bismarckfelsens“ hat am 4. April 1899 stattgefunden.

Zwei Jahre später erstellte man im Auftrag des Bezirksamts eine handschriftliche „Liste schutzwürdiger Naturgebilde in der Gemeinde Thurnau“. Dort wird der Bismarckstein als ein erratischer Sandsteinblock von sechs Metern Höhe und 13 Metern Umfang beschrieben. Obwohl er 1899 zum Bismarckfelsen umgewidmet sei, werde er vom Volksmund weiter der „Rachenstein“ genannt.

1935 taucht der „Rachenstein“ in der amtlichen Naturdenkmalliste auf

Das 1935 erlassene Reichsnaturschutzgesetz forderte die Erstellung einer amtlichen Liste, in der alle Naturdenkmale eingetragen werden müssten. In dieser erscheint auch der Bismarckstein oder „Rachenstein“ in Thurnau. Im Laufe der Zeit entzog der wuchernde Efeu den Felsen auch dem Blick der Naturschutzbehörden, denn in der aktuellen Liste der Naturdenkmäler des Landkreises Kulmbach sucht man den Bismarckstein vergeblich.

Warum er daraus gestrichen wurde, ließ sich bislang nicht klären. Auch unter die Geotope des Landkreises Kulmbach wurde er nicht aufgenommen.

Stein im Bewusstsein der Thurnauer verankern

Nun, da die Mitarbeiter des Marktes Thurnau den Stein von seinem Bewuchs befreit haben, wäre es an der Zeit, den Bismarckfelsen oder Raachastaa wieder im Bewusstsein der Thurnauer zu verankern. Dazu wäre es aber notwendig, ihn auch von der Jägerstraße aus wieder sichtbar zu machen. Deshalb die Bitte der Kommune an den Besitzer des den Stein umgebenden Gartens, entsprechende Sichtachsen herzustellen, damit der Bismarckfelsen für die Thurnauer und ihre Gäste wieder erlebbar wird.

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