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Verdi in Oberfranken
Verdis La Traviata entführt Kulmbacher in andere Welt
Große Oper auf der kleinen Bühne der Dr.-Stammberger-Halle: Chor und Orchester der Sofia Symphonics gastierten unter der Leitung von Ljubka zu Guttenberg in Kulmbach.
Große Oper auf der kleinen Bühne der Dr.-Stammberger-Halle: Chor und Orchester der Sofia Symphonics gastierten unter der Leitung von Ljubka zu Guttenberg in Kulmbach. // Stephan Herbert Fuchs
Kulmbach – Unter der Leitung von Ljubka zu Guttenberg präsentierten der Chor und das Orchester der Sofia Symphonics Giuseppe Verdis „La Traviata“ in der Dr.-Stammberger-Halle. Überzeugte die Aufführung?

„Die Regie ist nicht das Wichtigste, sondern die Musik“, sagt Ljubka zu Guttenberg. Die Dirigentin lehnt modernes Regietheater ab. Für die geradezu sensationelle Aufführung von Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“ am Sonntagabend in der Dr.-Stammberger-Halle hat sie einen ganz eigenen Weg gefunden.

Ganz eigene Form des Verdi-Klassikers

Chor und Orchester der Sofia Symphonics befinden sich auf der Bühne, trotzdem ist es keine konzertante Aufführung. Kostüme gibt es, auch Requisiten, wenngleich nur wenige. Aber sie genügen, um das Kopfkino in Gang zu setzen.

Regie hat die prominente Dirigentin aus dem Kulmbacher Land selbst geführt, deshalb kann auch nicht von einer halbszenischen Aufführung gesprochen werden. Ljubka zu Guttenberg hat eine ganz eigene Form entwickelt, die es möglich macht, die Handlung zu verfolgen, aber trotzdem auch den Musikern beim Spielen zuzusehen und die Dirigentin im Auge zu behalten.

Dirigentin Ljubka zu Guttenberg bringt La Traviata in die Dr.-Stammberger-Halle.
Dirigentin Ljubka zu Guttenberg bringt La Traviata in die Dr.-Stammberger-Halle. // Stephan Herbert Fuchs

Eigentlich ist es der Idealfall einer Opernaufführung, die zumindest bei Verdis Meisterwerk bestens funktioniert. Keine Mätzchen eines Regisseurs, nichts Modernes, aber auch nichts Altbackenes. Sondern eine gediegene traditionelle Aufführung von allerhöchster musikalischer Qualität. Zugegeben, die üppige Ausstattung, die man beispielsweise von den Produktionen Franco Zeffirellis kennt, mag manchem Opernfreund abgehen: Keine opulenten Ballszenen, dafür aber eine ungemein präsente, packende kompakte, bühnennahe Live-Präsentation.

Kaum eine zweite Oper steht und fällt derart mit der Besetzung ihrer Titelpartie. Die bulgarische Sopranistin Ralitsa Bogdanova, die in München studiert hat, braucht keinen Vergleich mit den ganz Großen der Zunft zu scheuen. Sie sang die Partie der Violetta mit warm timbrierter Stimme. Ihre Koloraturfähigkeit, ihre dramatischen Ausbrüche und lyrische Ausdrucksfähigkeit haben ganz große Klasse.

Mit Smoking am Spieltisch: La Traviata mal anders.
Mit Smoking am Spieltisch: La Traviata mal anders. // Stephan Herbert Fuchs

Ralitsa Bogdanova setzte die Partie der zerbrechlichen, sich aufopfernden Violetta stimmlich wie darstellerisch überzeugend um. Ralitsa Bogdanova beherrscht das gesamte technische Belcanto-Register und betört mit weicher und warmer Stimme.

Die Partie des Alfredo sang der bulgarische Tenor Mihail Mihaylov. Er ist in Kulmbach kein Unbekannter: Mihaylov wirkte bereits mehrfach bei den Gastspielen der Sofia Symphonics mit. Mit ihm hat Ljubka zu Guttenberg auch bereits eine „Traviata“ auf CD eingespielt.

Sein Tenor zählt sicher zu den wohlklingendsten, strömt gleichmäßig, wird mit vorbildlicher Phrasierung kultiviert und differenziert eingesetzt. Mihaylov bindet hohe Töne wunderbar selbstverständlich in die Gesangslinie ein, er verfügt über betörende Piano-Schattierungen und hat eine überragende Bühnenpräsenz.

Das rote Kleid darf nicht fehlen. Und sticht heraus.
Das rote Kleid darf nicht fehlen. Und sticht heraus. // Stephan Herbert Fuchs

Die dritte Hauptpartie des Giorgio Germont singt der Bariton Kiril Manolov, der als Verdi-Interpret bereits international für Furore gesorgt hat. Seine geschmeidige Stimme wirkt unangestrengt und stellt die Partie überzeugend dar.

Alle drei Solisten sind ein Glücksgriff und müssen Vergleiche mit prominenten Opernstars nicht scheuen. Großartige Gesangskunst ist das, mit vielen berührenden Momenten.

Auch kleine Rollen exzellent besetzt

Exzellent waren auch die vielen kleinen Partien besetzt: Emilya Kircheva als Annina, Aleksander Baranov als Gaston, Nikola Ivanov als Marquis, Daniela Panchevska als Flora, Vladimir Sazdovski als Baron, Boyan Vasilev als Giuseppe und Viktor Krastanov als Doktor. Sie alle waren hervorragend bei Stimme und besaßen ebenfalls exzellente schauspielerische Qualitäten.

Die Fäden laufen bei Ljubka zu Guttenberg zusammen. Sie führt den Riesenorchesterapparat der Sofia Symphonics betont sängerfreundlich und stellt die einfühlsamen Momente ganz besonders heraus.

Bereits vor fast 20 Jahren hat sie neben anderen Opern wie Verdis „Falstaff“ auch die „Traviata“ bei den Herrenchiemsee-Festspielen mit großem Erfolg dirigiert und inszeniert. Dort wie hier war es ihr erklärtes Ziel, die Menschen aus ihrem Alltag zu holen und für mehrere Stunden in eine andere Welt zu versetzen. Das ist bestens gelungen.

Eine weitere „La Traviata“-Aufführung fand bereits am Tag zuvor im Münchner Cuvilliés-Theater statt. Beide Vorstellungen waren Benefiz-Veranstaltungen für den Verein „Friends oft the Arts – Freude an Kunst, Klassik und Ballett“. Ljubka zu Guttenberg wollte nicht ausschließen, dass in den kommenden Jahren weitere derartige hochkarätige Opernproduktionen in Kulmbach stattfinden. „Das ist vielleicht ein Anfang“, meinte sie vielsagend.

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