Schutz vor Strahlung
Jodtabletten gegen Radioaktivität: Jetzt besorgen?
Hochdosiert (im Milligrammbereich) sind die Jodtabletten, die verhindern, dass sich radioaktives Jod in ihrer Schilddrüse anreichert. Sie würden im Ernstfall von den Katastrophenschutzbehörden verteilt werden.
Hochdosiert (im Milligrammbereich) sind die Jodtabletten, die verhindern, dass sich radioaktives Jod in ihrer Schilddrüse anreichert. Sie würden im Ernstfall von den Katastrophenschutzbehörden verteilt werden.
LRA Haßfurt (Archiv)
F-Signet von Sarah Schmittinger Fränkischer Tag
Bamberg – Ukraine-Krieg: Viele Menschen haben momentan Angst vor radioaktiver Strahlung. Helfen Jodtabletten? Braucht man sie jetzt? Die wichtigsten Antworten.

Nach dem Vorrücken russischer Truppen zu Europas größtem Atomkraftwerk in der Nähe der Großstadt Saporischschja brach in der Nacht zum Freitag ein Feuer in einem Gebäude der Anlage aus. Am Morgen wurde es nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums gelöscht.

Russische Truppen besetzen ukrainisches Atomkraftwerk

Gebrannt habe ein Trainingskomplex. Es sei keine erhöhte Radioaktivität gemessen worden, teilte die ukrainische Aufsichtsbehörde mit. Russische Truppen hätten das Kraftwerk besetzt. Russland äußerte sich zunächst nicht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem gezielten Beschuss von Reaktorblöcken durch russische Panzer.

Aus Angst vor nuklearen Katastrophen und Radioaktivität fragen sich auch in Deutschland manche nun, ob sie sich vorsorglich hochdosierte Jodtabletten besorgen sollten. Was bringen Jodtabletten? Wann und wo bekommt man sie? Und sollte man sie sich jetzt überhaut besorgen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Was sind hochdosierte Jodtabletten, und wie wirken sie?

Hochdosierte Jodtabletten fungieren als „Jodblockade“, die ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse schützen – nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe und Strahlung. Bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk kann es zur Freisetzung radioaktiver Stoffe kommen.

„Wenn Betroffene zum richtigen Zeitpunkt nicht-radioaktives Jod in Form von hochdosierten Jodtabletten (Kaliumiodid 65mg) einnehmen, können sie verhindern, dass sich radioaktives Jod in ihrer Schilddrüse anreichert“, heißt es beim Bundesamt für Strahlenschutz. „Die Schilddrüse wird mithilfe der Tabletten mit nicht-radioaktivem Jod gesättigt, so dass radioaktives Jod von der Schilddrüse zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr aufgenommen werden kann.“

2. Sollten sich Bürgerinnen und Bürger privat hochdosierte Kaliumiodid-Tabletten anschaffen?

„Nein. Das halte ich nicht für sinnvoll, sondern für übertrieben“, sagte Bernward Unger, Vorsitzender des Bayerischen Apotheker-Verbandes in Unterfranken. Ein „klares Nein“, sich jetzt Kaliumiodid 65mg zu besorgen, kommt auch von Prof. Andreas Buck, Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin an der Würzburger Uniklinik.

3. Wie werden hochdosierte Jodtabletten im Notfall öffentlich verteilt?

Sich privat Kaliumiodid-Tabletten zu besorgen, sei nicht notwendig, sagt Nuklearmediziner Prof. Andreas Buck: „Sollte im Rahmen der Kriegshandlungen in der Ukraine ein Kernkraftwerk bzw. der havarierte Reaktor in Tschernobyl beschädigt und Radioaktivität freigesetzt werden, erfolgt eine Empfehlung der Strahlenschutzkommission“, erklärt Buck. „Nur bei drohender Strahlenexposition erfolgt eine behördliche Abgabe von Jodtabletten an die Bevölkerung.“

Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sind in Deutschland „189,5 Millionen Kaliumiodidtabletten (Jodtabletten) in den Bundesländern bevorratet, die bei einem Ereignis, bei dem ein Eintrag von radioaktivem Jod in die Luft zu erwarten ist, in den möglicherweise betroffenen Gebieten durch die Katstrophenschutzbehörden verteilt werden“.

4. Wie gefährlich ist die nicht verordnete Einnahme von hochdosiertem Kaliumiodid?

„Für gesunde Personen ist die Einnahme ungefährlich“, sagt Andreas Buck. Aber falls jemand – auch unerkannt – von einer Schilddrüsenerkrankung betroffen sei, „kann durch die Jodgabe eine Schilddrüsenüberfunktion ausgelöst werden“. Diese könne neben gesteigertem Schwitzen oder Nervosität auch zu Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern führen, warnt Buck. „Das kann dann weitere negative Folgen wie Schlaganfälle, Herzinfarkt und Tod nach sich ziehen.“

Die Wahrscheinlichkeit einer Schilddrüsenerkrankung nehme aus medizinischer Sicht ab einem Alter von 45 Jahren zu, erklärt der Nuklearmediziner. Deshalb sei die Altersempfehlung zu beachten: unter 45 Jahren.

Von einer „eigenmächtigen“ vorsorglichen Einnahme der Tabletten raten  Experten ab. Große Mengen Jod seien mit Risiken verbunden: „Eine Selbstmedikation mit hochdosierten Jodtabletten (Kaliumiodid) birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen“, erklärt Nicole Meßmer, Referentin für Krisenkommunikation beim Bundesamt für Strahlenschutz.

Alle Artikel zu Russlands Angriffskrieg und zu dessen Folgen für Franken gibt es in unserem Ukraine-Dossier.

Mit dpa.

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