Auf der einen Seite werden die Zügel angezogen, auf der anderen Seite wird kräftig gelockert. Mit der Entscheidung, Zuschauer – wenn auch abhängig von der pandemischen Lage – bei EM-Spielen in München zuzulassen, verspielt die bayerische Politik wieder Kredit.
Am Donnerstag erst wurde die „Bundes-Notbremse“ im Bundesrat verabschiedet. Sie soll vorerst bis 30. Juni Bestand haben – und in Bayern wird sie sogar schärfer ausfallen. Keine 24 Stunden später fällt die Entscheidung, mindestens 14 500 zu den EM-Spielen im Juni und Juli in München zuzulassen. Willkommen im Pandemie-Irrsinn!
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Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) betont, dass die Inzidenz bis dahin „deutlich unter 100“ liegen muss – es ist ein netter Versuch, das Volk zu beruhigen.
Der Aufschrei wäre geringer, wenn die Politik in der Pandemie-Bekämpfung nachvollziehbare Regelungen treffen würde – und allen Branchen eine ähnliche Perspektive geboten werden würde. Vom Bürger hat sich die Politik entfernt, vor dem europäischen Fußballverband (Uefa) macht sie den Kniefall.
Primär an existenzbedrohte Menschen denken
Schließlich lässt sich mit einer Europameisterschaft gutes Geld verdienen – wohl auch bei reduzierten Zuschauerzahlen. Bedenkt man, dass ein Großteil der Karten an Promis, Unternehmer und DFB-Unterstützer gehen wird, bleiben für den normalen Bürger nicht mehr viele übrig. Sofern er sich die Tickets überhaupt noch leisten kann.
Eine Fußball-EM ist eben auch eine Geld-Druckmaschine. Ein großer Kuchen, von dem aber dieses Mal nur Privilegierte etwas abbekommen. Der Biergarten-Betreiber in München, der gerne etwas abhaben möchte, wird leer ausgehen. Auch in Herzogenaurach, wo der DFB sein Quartier aufschlagen wird, würden sich Einzelhändler und Gastronomen über den Umsatz mit Fußball-Fans freuen. An diese Menschen, die seit Monaten um ihre Existenz bangen, muss primär gedacht werden. Und nicht an einzelne steinreiche Interessensvertreter, die nur noch reicher werden wollen.