Rugendorfer in der Ukraine
Wenn der Krieg vor der eigenen Haustür droht
Ukrainische Soldaten stehen Ende Januar im Mariupol an einem Kontrollpunkt nahe der Trennlinie zu den prorussischen Rebellen. "Es ist eine beängstigende Atmosphäre", sagt Roman Konovalov.
Ukrainische Soldaten stehen Ende Januar im Mariupol an einem Kontrollpunkt nahe der Trennlinie zu den prorussischen Rebellen. "Es ist eine beängstigende Atmosphäre", sagt Roman Konovalov.
Andriy Dubchak/AP/dpa
Ukraine Ukraine-Konflikt
Alexander Hartmann von Alexander Hartmann Bayerische Rundschau
Rugendorf – Immer wieder hört Familie Konovalov den Donner der Geschütze. Einst wohnten sie in Rugendorf, nun sind sie zurück in der Ukraine. Ein Leben in Angst.

"Der Krieg ist so nah", sagt Roman Konovalov, der in Mariupol im nicht besetzten Teil der ukrainischen Region Donezk das Machtspiel zwischen der Ukraine und Russland, das zu einem Machtspiel zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und der Nato geworden ist, hautnah miterlebt.

Wenn er zu Fuß in seiner Heimatstadt am Asowschen Meer unterwegs ist, wird er von ukrainischen Soldaten an den Posten nahe der Trennlinie zu den pro-russischen Rebellen kontrolliert.

Von seiner Wohnung aus hört er immer wieder Einschläge der Geschosse, die bei Übungen der von Russland unterstützten Separatisten unweit der Grenze abgefeuert werden. "Man hört Geschützdonner. Es ist eine beängstigende Atmosphäre", sagt der 38-Jährige.

"Ich will in Mariupol bleiben"

Mariupol ist die letzte von der Ukraine kontrollierte Großstadt im Osten des Landes, eine Stadt mit einer strategisch großen Bedeutung, liegt sie doch auf dem Weg vom russischen Festland zur besetzten Krim. Wenn Russland seine Truppen an der Grenze zusammenzieht, fängt in Mariupol das große Zittern an, hieß es schon vor dem jetzigen Ukraine-Konflikt.

Ob Roman Konovalov sich angesichts des nun möglichen Krieges nicht mit dem Gedanken getragen hat, mit seiner Frau Marina und den drei Kindern (3, 9, 15) zu flüchten? "Ich will in Mariupol bleiben", sagt der 38-Jährige, der seiner Heimat 2014 schon einmal den Rücken gekehrt hat.

Damals hatten sich pro-russische Separatisten nach einem international nicht anerkannten Referendum von der Ukraine losgesagt und die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk für unabhängig erklärt. Es kam seitdem immer wieder zu Gefechten zwischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten, die viele Todesopfer gefordert haben.

Deutschland ist die zweite Heimat

Roman Konovolov ist im Jahr 2014 mit seiner Familie nach Deutschland geflüchtet und im Landkreis Kulmbach gelandet. Genauer gesagt in Rugendorf. Über fünf Jahre haben die Konovalovs dort gelebt. "Sie waren in der Gemeinde gut integriert", weiß Frank Küfner, der auch heute noch Kontakt zur ukrainischen Familie hält. Roman Konovalov hat in der Herrenmannschaft des TTC Rugendorf Tischtennis gespielt. Während er zwischenzeitlich als Altenpfleger gearbeitet hat, war seine Frau in einer Arztpraxis tätig.

"Wir haben uns in Rugendorf sehr wohlgefühlt", sagt der 38-Jährige, dessen jüngste Tochter Anastasia (3) in Kulmbach zur Welt gekommen ist. Anastasia war nur wenige Monate alt, als die Familie Deutschland ("Das Land ist für uns wie eine Heimat ") wieder verlassen musste. "Unser Asylantrag wurde nicht genehmigt", sagt der Ukrainer, der im Februar 2020 in seine Heimat zurückgekehrt ist.

Kommt es zur diplomatischen Lösung?

Seine Heimat, die jetzt erneut in den Fokus der Weltöffentlichkeit gelangt ist, liegt sie doch unweit der Frontlinie im Donbass, die auch Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrer Ukraine-Reise vor wenigen Tagen besucht hat. Baerbock hatte von sehr bedrückenden Bildern gesprochen, eine diplomatische Lösung im Ukraine-Konflikt angemahnt.

Ob es zu der kommen wird? Sie scheint möglich, nachdem Anfang der Woche der Teilabzug von russischen Truppen an der ukrainischen Grenze erfolgt ist und Russlands Präsident Wladimir Putin seine Bereitschaft zu Verhandlungen über die Ukraine-Krise betont hat.

Doch die Kriegsgefahr ist noch nicht gebannt. Wenn Russland Truppen hin und her bewege, "ist das noch keine Deeskalation", hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt, US-Präsident Biden eine russische Invasion nach wie vor als eine klare Möglichkeit bezeichnet.

"Nicht alle sind gegen Putin"

Wie Roman Konovalov das Kräftemessen bewertet? "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll", sagt der 38-Jährige, der nur 20 Kilometer von der Frontlinie entfernt lebt. Die Meinung der Bevölkerung in Mariupol sei in dem Konflikt gespalten, nicht alle sähen Putin als Aggressor.

Habe es 2014 in der Stadt unter den Einwohnern noch einen sehr großen Teil gegeben, der sich in der Hoffnung auf ein wirtschaftlich besseres Leben einen Anschluss an Russland gewünscht habe, so sei der pro-russische Teil heute wesentlich kleiner geworden.

"Was keiner will, das ist ein Krieg. Wir wollen Frieden", sagt Konovalov, der sich angesichts des Säbelrasselns um seine Familie sorgt. Seine Frau Marina hat die Koffer für eine mögliche Flucht gepackt, berichtet der 38-Jährige, der selbst noch nicht daran denkt, seine Heimat ein zweites Mal zu verlassen.

"Ich vertraue auf Gott, dass er mir hilft, dass ich das Richtige mache." Worauf er noch vertraut, ist sein Gefühl. "Und das sagt mir, dass es keinen Krieg geben wird."

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