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Messerangriff in Mellrichstadt
„Er wollte die Frau absichtlich töten“
Mellrichstadt - Mann sticht auf Firmenmitarbeiter ein
Die Polizei war schnell am Tatort und nahm den 21-Jährigen fest. // Daniel Vogl (dpa)
Signet des Fränkischen Tags von Redaktion
Mellrichstadt – Der mutmaßliche Messerangreifer hat nach eigenen Angaben aus einem inneren Drang heraus gehandelt und sein Opfer bewusst ausgesucht.
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„Er wollte die Frau absichtlich töten“, sagte Oberstaatsanwalt Markus Küstner.  Ein Ermittlungsrichter vom Amtsgericht Schweinfurt ließ den 21-Jährigen in eine geschlossene Psychiatrie einweisen. Ermittelt wird wegen Verdachts auf Mord, wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.

Mellrichstadt - Mann sticht auf Firmenmitarbeiter ein
Polizei und Rettungskräfte stehen auf dem Gelände des regionalen Netzbetreibers Überlandwerk Rhön. Ein 21-Jähriger hat in der Firma eine Kollegin getötet und zwei Männer schwer verletzt. // Daniel Vogl (dpa)

Regelmäßiger Drogenkonsum

Küstner zufolge hat der 21-Jährige die Tat bei seiner polizeilichen Vernehmung mit einer psychischen Erkrankung begründet. Zudem will der Deutsche regelmäßig Drogen wie Cannabis – auch am Tattag – und am Tag zuvor starke Schmerzmittel konsumiert haben. Das Motiv des gebürtigen Thüringers sei weiter unklar. Zu der getöteten Frau habe er nach bisherigem Stand „keine irgendwie geartete Beziehung“ gehabt.

Während seiner polizeilichen Vernehmung habe der Beschuldigte die Tat eingeräumt und gesagt, „dass er das Klappmesser in der Hand hatte, in das Büro eintrat und dann zielgerichtet auf das weibliche Opfer eingestochen hat“, sagte Küstner. Dies sei heimtückisch gewesen, daher werde Mann Mord vorgeworfen. Die Attacke erfolgte im Gebäude seines Arbeitgebers, dem Stromversorger Überlandwerk Rhön.

Mellrichstadt - Mann sticht auf Firmenmitarbeiter ein
Ein 21-Jähriger hat in Mellrichstadt eine Kollegin getötet und zwei Männer schwer verletzt. // Daniel Vogl (dpa)

Männer angeblich nicht Hauptziel

Der Verdächtige verletzte zudem zwei Kollegen schwer. „Die beiden Männer wollte er nicht töten“, gab Küstner die Aussage des 21-Jährigen wieder. „Die wollten ihn von der Tatbegehung abhalten“ und seien dabei von dem Industriemechaniker verletzt worden.

Der Beschuldigte, der zuletzt im thüringischen Meiningen etwa 20 Kilometer von Mellrichstadt entfernt wohnte, war kurz nach der Tat am Dienstag festgenommen worden.

Mellrichstadt - Mann sticht auf Firmenmitarbeiter ein
Das Firmenlogo des regionalen Netzbetreibers Überlandwerk Rhön in Mellrichstadt (Landkreis Rhön-Grabfeld). // Daniel Vogl (dpa)

Angreifer schuldunfähig?

Inwieweit der junge Mann bei der Attacke schuldunfähig gewesen sein könnte, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Über eine mögliche psychische Erkrankung des Mannes hatte zuvor die „Main-Post“ berichtet. In der Vergangenheit soll der 21-Jährige laut Küstner bereits in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses gewesen sein. Wann, wie lange und warum? „Das müssen wir abklären“, sagte der Oberstaatsanwalt.

Sicherungsverfahren möglich

Sollten die Ermittler zu dem Ergebnis kommen, dass der 21-Jährige bei dem Angriff schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war, könnten sie ein sogenanntes Sicherungsverfahren beim zuständigen Gericht beantragen. Folgt das Gericht der Auffassung der Ermittler, kann es wiederum eine längere Unterbringung des Beschuldigten in einer psychiatrischen Einrichtung anordnen – unter Umständen auch zeitlich unbegrenzt in einer geschlossenen Abteilung.

Mellrichstadt - Mann sticht auf Firmenmitarbeiter ein
Krankenfahrzeuge stehen in der Nähe des Tatorts in Mellrichstadt. // Daniel Vogl (dpa)

Getötete Frau im Großraumbüro 

Die getötete 59-Jährige arbeitete laut Staatsanwaltschaft im selben Großraumbüro wie der 21-Jährige. Was genau die verletzten Männer im Alter von 55 und 62 Jahren machten, blieb zunächst unklar. Die beiden Schwerverletzten seien inzwischen außer Lebensgefahr, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Mitarbeitende des Unternehmens hatten den Angreifer laut Polizei überwältigt und festgehalten, bis die Beamten vor Ort waren.

Bisher nicht polizeibekannt

Nach Angaben der Ermittler war der 21-Jährige bis zur Tat nicht polizeilich wegen Gewaltdelikten oder anderer Vergehen bekannt. Er sei nach bisherigen Erkenntnissen ledig. Ob er Kinder habe, werde noch geprüft, sagte Küstner. „Er war wohl häufiger krank und war gerade in der Wiedereingliederung.“

Mellrichstadt - Mann sticht auf Firmenmitarbeiter ein
Polizei und Rettungskräfte stehen auf dem Gelände des regionalen Netzbetreibers Überlandwerk Rhön. Ein 21-Jähriger hat in der Firma eine Kollegin getötet und zwei Männer schwer verletzt. // Daniel Vogl (dpa)

Labortests auf Drogen

Bei seiner Vorführung vor dem Ermittlungsrichter soll sich der junge Mann nicht weiter zu dem Angriff geäußert und auf seine Beschuldigtenvernehmung bezogen haben. Blut-, Haar- und Urinproben des Verdächtigen, die Erkenntnisse zu möglichem Drogenkonsum liefern können, würden derzeit ausgewertet.

Bericht vom Dienstag, 1. Juli

Streifenwagen mit leuchtendem Blaulicht stehen vor dem Firmengebäude, ein rot-weißes Flatterband sperrt das Gelände großräumig ab. Die Mitarbeitenden des Stromversorgers im Landkreis Rhön-Grabfeld stehen unter Schock – wie viele weitere Menschen in der Region an der bayerisch-thüringischen Grenze auch. Am Morgen soll ein 21 Jahre alter Mitarbeiter des Überlandwerks Rhön in Mellrichstadt eine Kollegin erstochen und zwei Männer schwer verletzt haben. Die Polizei nahm den Deutschen noch am Tatort fest.

Wie genau die Tat abgelaufen ist, können die Ermittler am Tag der tödlichen Messerattacke noch nicht sagen. Gegen 7.30 Uhr gingen am Dienstag die ersten Notrufe zu dem Angriff bei dem regionalen Netzbetreiber ein. Polizei und Rettungsdienst rückten mit zahlreichen Kräften aus.

Mitarbeiter griffen ein

Andere Mitarbeiter des Unternehmens hatten den Angreifer da bereits überwältigt und festgehalten, so dass die Einsatzkräfte ihn in Gewahrsam nehmen konnten, wie Polizeisprecher Florian Leimbach sagte. Ob sie dadurch verhinderten, dass er weitere Kollegen verletzte, oder ob er es gezielt auf die drei Opfer abgesehen hatte, konnte die Polizei zunächst nicht sagen. „Zum Tatmotiv und den Hintergründen können wir aktuell keine Aussage treffen“, sagte Leimbach.

Für eine 59-Jährige kam jede Hilfe zu spät: Die Frau starb noch am Tatort. Zwei Kollegen im Alter von 55 und 62 Jahren verletzte der Angreifer schwer. Zuerst hatte die Polizei von vier Opfern gesprochen. Die Verletzten kamen ins Krankenhaus.

Verdächtiger aus Thüringen

Die Kriminalpolizei Schweinfurt übernahm in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen eines Tötungsdelikts. Der 21-Jährige soll laut Polizei am Mittwoch vor einen Ermittlungsrichter am Amtsgericht kommen, der dann über die Untersuchungshaft entscheiden wird. Der Verdächtige wohnt laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in Thüringen. Die Ermittler sicherten außerdem Spuren am Tatort und durchsuchten die Wohnung des jungen Mannes.

In der 5600 Einwohner zählenden Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld verbreitete sich die Nachricht über den tödlichen Messerangriff schnell. „Es ist ein kleiner Ort, jeder kennt jeden, es ist sehr familiär“, erläuterte Polizeisprecher Denis Stegner. Über die Plattform X informierte die Polizei die Öffentlichkeit und betonte: „Für Außenstehende besteht keine Gefahr.“

Eine Region unter Schock

Bürgermeister Michael Kraus (Freie Wähler) fuhr noch am Morgen zum Firmengelände. „Für uns hier in Mellrichstadt ist das Ganze eine Katastrophe“, sagte er. „Unser Mitgefühl ist bei den Angehörigen und bei allen Mitarbeitern des Überlandwerks Rhön.“ Der kommunal getragene Stromversorger sei ein familiäres Unternehmen. „Viele Mitarbeiter sind aus der Region.“

Landrat bricht Reise ab

Landrat Thomas Habermann erreichte die schreckliche Nachricht der Main-Post zufolge in Brüssel. Der Zeitung sagte er am Telefon: „Das ist ein traumatisches Erlebnis für die ganze Region.“ Der CSU-Politiker brach daraufhin die Reise ab und machte sich auf den Heimweg.

Besonders tief sitzt der Schock bei den zahlreichen Mitarbeitenden, die Zeuginnen und Zeugen der Tat wurden. Ein Team der psychosozialen Notfallversorgung betreue 50 Menschen, die in der Firma gewesen oder anderweitig betroffen seien, teilte das Bayerische Rote Kreuz mit. Auch Einsatzkräfte seien darunter. Die Polizei richtete für Angehörige und die Bevölkerung eine Anlaufstelle in einer Festhalle in der Nähe des Bahnhofs ein.

Gewaltverbrechen am Arbeitsplatz

Auch an anderen Orten war es in der Vergangenheit zu Gewalttaten gegen Arbeitskollegen gekommen. In Regensburg soll ein 55-Jähriger im Februar seine 19 Jahre alte Arbeitskollegin und Ex-Partnerin getötet und in einen Kofferraum verstaut haben.

In einem aufsehenerregenden Fall ermordete ein Mann im Mai 2023 in Baden-Württemberg in einem Mercedes-Werk seine beiden Vorgesetzten mit insgesamt acht Schüssen. Nur ein Jahr zuvor hatte die Polizei einen anderen Angreifer im selben Werk noch stoppen können.

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