„Kein Platz für Rassismus“ steht in Großbuchstaben auf der Bank geschrieben. Männer und Frauen aus unterschiedlichen Ländern nehmen auf ihr Platz. Offenheit, Toleranz, Völkerverständigung und Wertschätzung sind am Dienstagabend im evangelischen Gemeindehaus in Burgkunstadt deutlich zu spüren.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft hat die ehemalige Schuhstadt erfasst. Rund 130 Frauen und Männer erleben orientalische Gastfreundschaft, schicken ihre Geschmacksnerven auf eine Entdeckungstour durch die Welt der arabischen Küche und spenden für die Erdbebenopfer in Syrien. Es ist ein Geben und Nehmen, das sich an diesem Abend der Nächstenliebe unter dem Dach der evangelischen Kirche abspielt.
Dankbar für die Unterstützung
Für die zwölf Männer aus Syrien, dem Irak und Iran, die ein opulentes Buffet gezaubert haben, ist es aber vor allem ein Zurückgeben. „Es ist ein kleines Dankeschön an die evangelische Kirchengemeinde Burgkunstadt mit Pfarrer Heinz Geyer und seiner Frau Angelika an der Spitze, die sich seit Jahren in der Flüchtlingshilfe engagieren und von der wir bei Behördengängen und bei der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Wohnung viel Unterstützung erfahren haben“, sagt Mohammed Dawoud.
In der Schrepfersmühle bei Weismain hat der Syrer mit palästinensischen Wurzeln eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe erlernt. Heute Abend ist er der Küchenchef. Unter seiner Anleitung wird in der kleinen Küche kräftig der Kochlöffel geschwungen und es werden allerhand Gaumenfreuden zubereitet: Es gibt Couscous, Falafel, Nudeln mit Joghurt und Knoblauch, das Hähnchengericht Schawarma, Thymianbrötchen, die Reisspeise Kabseh, libanesische Gemüsesuppe und noch vieles mehr.
Bilder reißen alte Wunden auf
Wohnblöcke, die wie Kartenhäuser zusammengebrochen sind, Helfer, die Leichen aus Trümmerfeldern herausziehen, Menschen, die bei Minusgraden in Zeltstädten leben – das sind Bilder, die keinen kaltlassen, aber vor allem bei jenen tiefe seelische Spuren hinterlassen, die selbst Angehörige und Freunde im Erdbebengebiet haben. Safieh Alsaeyd Ahmad, eine junge Frau aus dem syrischen Latakia, die um ihre Mutter und Schwester gebangt hat, erzählt: „Als ich vom Erdbeben hörte, brach ich in Tränen aus.“ Ihre Familie habe ihr Haus verloren und sei bei Freunden untergekommen.
Angelika Geyer berichtet von einem Kurden, dem die Angst um seine Angehörigen seit Tagen den Schlaf raubt. Der 35-jährige Azad Shekho aus Afrin spricht über die Ungewissheit, die ihn geplagt hatte, als er seinen Bruder telefonisch nicht erreichen konnte. Gott sei Dank lebt er noch.
Einer Katastrophe folgt die nächste
Die Menschen in Syrien seien durch den Bürgerkrieg schon genug bestraft worden, bekommt man an diesem Abend immer wieder zu hören. „Auf die eine Katastrophe folgte die nächste“, sind sich Angelika Geyer und Mohammed Dawoud einig. Letzterer beschreibt die katastrophale Situation, wie sie ihm Landsleute am Telefon geschildert hätten. Es gebe keinen Strom, kein sauberes Trinkwasser und nichts zum Heizen. Die internationale Hilfe komme viel zu spät an, weil die Grenzübergänge zwischen der Türkei und Syrien nicht rasch genug geöffnet wurden, beklagt der Syrer.
Die Burgkunstadter sind der Einladung ihrer Neubürger gerne gefolgt. „Das Leid, das die Menschen in der Türkei und in Syrien durch das Erdbeben erfahren haben, geht mir sehr nahe“, sagt Karin Deuerling. Mathias Heppner kennt als Mesner und Kirchenvorstand viele von denen, die an diesem Abend aufgetischt haben. Schon allein aus diesem Grund sei es ihm ein Herzensanliegen, hier zu sein. Mit seiner Spende wolle er aber auch betroffene Familien unterstützten, die Schicksalsschläge erlitten hätten, die nicht einfach wegzustecken seien.
Für Reinhard Englert aus Mainroth ist das syrische Essen eine wunderbare Gelegenheit, Völkerverständigung zu leben und zu erleben. Von dem Abend profitieren nicht nur die Menschen in Syrien, sondern auch jene, die einst vor Krieg und politischer Verfolgung nach Deutschland geflüchtet waren und heute für ihre deutschen Mitbürger gekocht haben. „Dass so viele Menschen gekommen sind, gibt ihnen Hoffnung. Sie merken, dass Sie nicht allein sind“, resümiert Geyer am Ende des Abends.