Es herrscht Panik
Ex-Kulmbacher versuchen, aus Ostukraine zu fliehen
Flucht
Viele Ukrainer verlassen ihr Heimatland, um vor dem nahenden Krieg zu flüchten.
Emilio Morenatti/AP/dpa
Roman Konovalov mit seiner Frau Marina und den Kindern.
Roman Konovalov mit seiner Frau Marina und den Kindern.
Familie Konovalov
Ukraine Krieg
Alexander Hartmann von Alexander Hartmann Bayerische Rundschau
Kulmbach – Ausgebombte Lastwagen und Panzer - Roman Konovalov schildert Eindrücke aus dem Kriegsgebiet. Er versucht, mit seiner Familie nach Deutschland zu kommen.

Geschütz- und Bombeneinschläge sind im Minutentakt im Stadtzentrum von Mariupol in der Ostukraine zu hören. "Es herrscht absolute Panik", sagt Roman Konovalov, den wir am Donnerstagmorgen (24. Februar) in seiner Wohnung am Telefon erreichen. Er spricht von einem absoluten Chaos, das sich auf den Straßen abspiele.

Hunderte Meter lange Autoschlangen seien vor den Tankstellen zu sehen. "Viele Familien erreichen die Flucht, doch es gibt ein Problem: Man kommt nur schwer an Benzin und Diesel ran", sagt der 38-Jährige, der viele Jahre im Landkreis Kulmbach beheimatet war und uns Szenen aus seiner 500 000 Einwohner zählenden Heimatstadt in der Region Donezk schildert, in der mit Putins Militäroffensive über Nacht Krieg ausgebrochen ist. Die Leute seien aufgebracht, hätten Läden gestürmt, um sich für die Flucht mit Lebensmitteln einzudecken. "Die Bankautomaten sind leer. Man bekommt kein Geld mehr", sagt Roman Konovalov.

Erschreckende Bilder aus der Ukraine

Wo das russische Militär genau ist? Er weiß es nicht. Was er weiß, das ist, dass ukrainische Militäreinrichtungen außerhalb von Mariupol von der russischen Armee zerstört worden sind. Die Nachrichtenagentur dpa hat bereits erschreckende Bilder veröffentlicht. Ausgebomte Lastwagen und Panzer des russischen Militärs sind darauf zu sehen, zerstörte Radaranlagen, die nur noch Schutt und Asche sind.

Beschädigte Radaranlagen sind in einer ukrainischen Militäreinrichtung außerhalb von Mariupol zu sehen. Russische Truppen haben ihren Angriff auf die Ukraine gestartet.
Beschädigte Radaranlagen sind in einer ukrainischen Militäreinrichtung außerhalb von Mariupol zu sehen. Russische Truppen haben ihren Angriff auf die Ukraine gestartet.
Sergei Grits/AP/dpa

Wie viele Tote es gegeben hat? Keiner weiß das. Roman Konovalov baut in einem der Vororte von Mariupol seit Monaten an einem Haus. Ob er es je wiedersehen wird? "Man kommt da nicht mehr hin. Die Straße ist gesperrt", sagt der Ukrainer, der in seiner Wohnung sitzt und sagt: "Wir haben große Angst."

Über die ungarische Grenze?

Was er mit seiner Frau Marina und den drei Kindern nun machen wird? Bleibt er in Mariupol oder ergreift er wie viele andere Einwohner die Flucht? "Wir warten heute noch ab und hoffen, dass das Chaos auf den Straßen morgen nicht mehr so groß ist", sagt Konovalov, der am Freitag in den Morgenstunden die Stadt verlassen will.

Er muss sein Auto noch auftanken ("Ich hoffe, dass es dann noch Benzin gibt") und wird dann Mariupol den Rücken kehren. Wohin die Reise geht? "Wir wollen erst einmal raus aus der Ukraine. Nicht über Polen, denn dort wird viel los sein. Wir versuchen es über die ungarische oder rumänische Grenze", sagt der 38-Jährige, der aber noch nicht weiß, ob er sein Land überhaupt verlassen kann. "Es gibt verschiedene Meldungen. Ich habe auch schön gehört, dass die Grenze dicht sein soll."

Ein Teil der Familie bleibt zurück

Es heißt dann Abschied nehmen von dem noch nicht fertiggestellten Haus, von seiner Wohnung, von Mariuppol. Es wird ein sehr schmerzlicher Abschied, denn auch ein Teil der Familie bleibt zurück: "Mein Papa und die Eltern meiner Frau kommen nicht mit. Sie wollen in Mariupol bleiben, denken nicht an die Flucht. Sie nehmen in Kauf, dass sie bei den Kämpfen ums Leben kommen."

Wohin Roman Konovalov mit seiner Frau und den vier Kindern will? "Ich will nach Deutschland zurückkehren", sagt der 38-Jährige, der bis 2020 über fünf Jahre in Rugendorf beheimatet war. Vielleicht, so sagt er, kommt er in den Landkreis Kulmbach zurück. "Vielleicht fahre ich aber auch nach Forchheim. Denn dort habe ich auch einen Freund", spricht Roman Konovoalov über das Ziel seiner Flucht. Es ist ein großer Wunsch an einem schrecklichen Tag. An einem Tag, an dem er vom Wohnzimmer aus Bombeneinschläge und Geschützdonner hört.

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