Zeitgeist Zwischen Meme, Memme und Macho: Der Performative Male Nahbar, lieb, süüüüß: Schauspieler Jacob Elordi macht auch mal Selfies mit Fans. (Archivbild) // Soeren Stache/dpa Auch Filmstar Paul Mescal legt Verhaltensweisen an den Tag, die sogenannten Performative Males zugeschrieben werden. (Archivbild) // Natacha Pisarenko/Invision via AP/dpa Was einen außergewöhnlichen Style für Männer angeht, ist der britische Popstar Harry Styles ein Vorreiter. (Archivbild) // Jordan Strauss/Invision/AP/dpa Schauspieler Jeremy Allen White hat ein Faible für melancholische Rollen und zarte Hobbys wie Blumen kaufen. (Archivbild) // Andreas Gora/dpa Muskeln und Moustache: Benson Boone tritt oft mit einer gewissen Ironie auf, die nicht nur, aber auch Frauen sehr gefällt. (Archivbild) // Richard Shotwell/Invision/dpa Satiriker Sebastian Hotz postete sehr feministisch und woke, gab dann aber eines Tages zu, privat nicht immer den eigenen Ansprüchen genügt zu haben. (Archivbild) // Malin Wunderlich/dpa von dpa TEILEN  vor 21 Stunden Berlin – Mit Performative Male ist ein Typ Mann gemeint, der sich besonders feministisch gibt. Was hat es mit diesem angeblichen Phänomen des Jahres auf sich? Artikel anhören Sie können uns nicht hören? Diese Funktion können Sie exklusiv mit PLUS nutzen. Erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Audioinhalte, Artikel und vieles mehr. Vorlesefunktion freischalten Bereits -Zugriff? Jetzt Anmelden Wären alle Kerle wie er, denkt der sogenannte performative Mann angeblich, dann wäre die Welt geschlechtergerecht und eine bessere. Wenn Frauen über Sexismus reden und über ihre Angst vor übergriffigen Männern im Alltag, dann fühlt er sich selbstverständlich nicht angesprochen. Schließlich ist er, der aufgeklärte Frauenversteher, der personifizierte Feminismus. Die «New York Times» meinte, dieser Typus Mann pflege sein Erscheinungsbild dergestalt, «dass er glaubt, bei progressiven Frauen sympathischer zu wirken». Der «Performative Male» bekam in den letzten Monaten als neuer Archetyp viel Aufmerksamkeit. Es gab Tiktok-Beiträge, Magazinartikel und Memes (digital rasch verbreitete Ideen) sowie ironische Wettbewerbe in einigen Metropolen. Am 19. November ist übrigens Weltmännertag. Bei Judith Butler («Das Unbehagen der Geschlechter»), heute sehr umstritten, hieß es einst, Gender sei grundsätzlich performativ. Sprich: Das soziale Geschlecht werde erst durch Sprache und bestimmtes Verhalten konstruiert. Klischee: Skincare-Routine, Kabelkopfhörer, Jutebeutel Der Begriff «performativ» erfährt aber nun eine sarkastische Umdeutung – ähnlich wie «woke»: vom soziologischen Konzept zu einer Art Schmähwort. Menschen, die sich aktivistisch geben und politische Korrektheit betonen, wird rasch nachgesagt, dies nur fürs eigene Image zu tun. Im verdichteten Klischee wird der Performative Male oft wie folgt beschrieben: Er trinkt Matcha Latte, benutzt Kabelkopfhörer und kennt sein Sternzeichen Er hört Jazz- oder Indie-Pop, aber natürlich auch Taylor Swift Er sagt, er weine bei traurigen Filmen, Serien oder Dokus Er hat eine Skincare-Routine, teilt mit seiner Freundin den Nagellack und hat kein Problem damit, auch mal bauchfrei herumzulaufen Er führt eine Tragetasche mit sich (am besten mit Labubu) oder trägt auch mal einen Jutebeutel (gern vom anspruchsvollen Streamingdienst Mubi) Er trägt nicht nur Sneaker, sondern auch Loafer - gern mit weißen Socken Er kann jederzeit ein sorgfältig ausgewähltes feministisches Buch herausholen und demonstrativ im Café, Bus oder Park lesen Er ist stolzer Besitzer einer Vinylsammlung und geht auf Flohmärkte, um seine Plattenkollektion zu ergänzen Er lässt andere gern an seinen Erkenntnissen über die diskriminierenden Strukturen unserer Gesellschaft teilhaben Er trägt meist weite Hosen, die Beine, Schritt und Po umwehen - man will ja nicht, dass sich Gemächt oder Muskeln abzeichnen Wenn er Bartträger ist, dann ist es kein Vollbart oder Pornobalken, sondern ein schmaler Oberlippenbart - man ist ja keine Testosteronbombe Ist das alles einfach nur grotesk? Nachfrage beim Designer Michael Michalsky: «Es gibt Männer, die feministische Codes, Ästhetik und Sprache bewusst nutzen – teils aus Überzeugung, teils als soziale oder romantische Strategie oder einfach nur zum Angeben oder um anders zu sein.» Das sei «echt als Trend, verzerrt als Stereotyp und eigentlich schon wieder out». Statussymbol: gutes Bewusstsein Der Performative Male sei in gewisser Weise ein Poser, weil er Feminismus zur Selbstvermarktung benutze, und irgendwie auch Popper, weil er sich über seinen Style abgrenze, meint der Mode-Experte. Es gehe aber um moralische Coolness statt modische Coolness. «Sein Statussymbol sind nicht Luxusmarken und teurer Konsum, sondern es ist das vermeintlich "gute Bewusstsein".» Er ist also so etwas wie das Gegenteil vom toxischen Alpha-Mann und in gewisser Weise auch das Pendant zum «Pick me Girl» (Frauen, die ihr Verhalten an vermeintliche Männer-Interessen anpassen). Rein äußerlich passen international einige Prominente in die Schublade der inszenierten frauenfreundlichen Männlichkeit. Etwa Sänger Harry Styles (Kabelkopfhörer, Perlenkettchen, Loafer) und Schauspieler Jeremy Allen White (kauft gern Blumen auf dem Markt). Auch Popstar Benson Boone oder die Filmstars Jacob Elordi und Paul Mescal treten gern cute und lieb auf. Nur ein als progressiver Hipster kaschierter Fuckboy? Manche Frauen wittern Abgebrühtheit: Der Performative Male verfolge eine Dating-Strategie. Er wolle bloß mit linken, feministischen Frauen Sex haben. «Nach außen Hipster – individuell und progressiv – im Kern aber ein Fuckboy», kommentierte Jana Kopp bei «Stern.de». «Ein Alptraum in neuer Verpackung.» Ein deutsches Beispiel wäre der Comedian und Satiriker Sebastian Hotz alias El Hotzo, der als Inbegriff der Wokeness galt und dann einräumte, «gelovebombt, gegaslightet, manipuliert» zu haben. Er habe Frauen gegenüber gezielt seine Position und sein Image «als reflektierter Medienmann» ausgenutzt. Designer Michalsky betont, der Trend - oder besser: das Schlagwort Performative Male - sei stark an urbane Milieus, Uni-Städte und Social Media gebunden: Berlin, New York, Melbourne und so weiter. «In Kleinstädten oder ländlichen Regionen existiert der Typ kaum als sichtbare Figur, höchstens als Online-Meme. Da trägt kaum ein Mann einen "Free the Nipple"-Jutebeutel zum Bäcker. Auf dem Dorf heißt so ein Typ einfach nur "Mann, der Bio kauft" – und ist schon verdächtig progressiv, wenn er den Wäschekorb hochträgt.»