Die menschliche Psyche ist ein fragiles Konstrukt: Durch unterschiedlichste Auslöser kann sie aus dem Gleichgewicht geraten. Manche Menschen haben eine Disposition für beispielsweise Depressionen, andere erleiden im Laufe ihres Lebens psychische Störungen wegen schlimmer Situationen. Auch Krankheiten, etwa Asthma, Lungenkrebs und COPD, können die seelische Gesundheit beeinträchtigen: Atemnot ist häufig mit Ängsten verbunden.
Um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, gibt es alljährlich den „Welttag der seelischen Gesundheit“ am 10. Oktober. Diesen nimmt die Redaktion zum Anlass für eine kostenlose Telefonaktion am 17. Oktober unter dem Titel „Erkrankungen der Atemwege und Psyche“.
Für jedes Problem der passende Arzt
Von 17 bis 18.30 Uhr geben zwei Experten des Bezirksklinikums Obermain (Kutzenberg) Antworten auf die Fragen unserer Leser: Dr. Saleh Al Hamoud, Chefarzt der Lungenfachklinik, und Dr. Nedal Al-Khatib, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie. Al Hamoud wird bei unserer Telefonaktion schwerpunktmäßig auf alle Aspekte der Lunge und deren Erkrankungen eingehen, während die Anrufer mit Al-Khatib über psychische Beschwerden sprechen können.
Saleh Al Hamoud ist als Lungenspezialist bei unserer Telefonaktion am Dienstag, 17. Oktober, von 17 bis 18.30 Uhr unter der Durchwahl 0951/188-221 zu erreichen.
Nedal Al-Khatib steht bei unserer Telefonaktion Rede und Antwort zu allen psychischen Problemen. Seine Durchwahl am Dienstag, 17. Oktober, lautet 0951/188-226.
Die Telefonaktion findet im Rahmen der Aktionswochen rund um den Tag der seelischen Gesundheit statt, die der sozialpsychiatrische Dienst Oase Bamberg in Zusammenarbeit mit der Gesundheitsregion plus Bamberg sowie weiteren Fachstellen veranstaltet. Das Motto lautet heuer „Zusammen über den Berg“. Infos zum Programm gibt es unter www.fraenkischertag.de sowie https://bamberg.gesundheitsregion-plus.de/jahresschwerpunktthemen/thema-2023-einsamkeit/.
Behandlungsbedürftige Depressionen
Al Hamoud und Al-Khatib wissen aus ihrer täglichen Praxis: „Die Diagnose einer schweren Lungenerkrankung stellt Betroffene über die auftretenden körperlichen Beschwerden hinaus in den meisten Fällen auch vor eine enorme psychische Belastung.“ Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD beispielsweise verursache eine zunehmende Atemnot – zunächst nur bei körperlicher Belastung, später auch in der Ruheposition. Zwischen 40 und 70 Prozent der Menschen mit COPD leiden den Experten zufolge unter Angst und Depressionen, insbesondere Frauen.
Auch jeder vierte Patient mit einer Lungenfibrose entwickle eine behandlungsbedürftige Depression. Allein schon die Angst vor Atemnot könne die Situation erheblich verschlechtern, weil sie häufig auf eine Vermeidung jeglicher körperlicher Anstrengung hinausläuft. „Das kann zu einem schnellen Verlust der körperlichen Belastbarkeit und gleichzeitig zu einer zunehmenden sozialen Isolation führen“, erklären Al Hamoud und Al-Khatib.
Das Gleiche gelte für Asthmapatienten: Zwar hätten viele Betroffene ihre Erkrankung gut im Griff und spürten im Alltag selten etwas davon. Aber auch hier löse Atemnot ein bedrohliches Gefühl aus, das selbst dann nicht weggeht, wenn das Spray für den Notfall immer griffbereit ist. Das kann auf Dauer das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) kämpften je nach Vorerkrankung (untersucht wurden Angina Pectoris, Arthritis, Asthma oder Diabetes) neun bis 23 Prozent dieser Menschen gegen Depressionen. Die Häufigkeit der psychischen Erkrankung lag damit weit über der von Gesunden. Unter den an depressiven Phasen Leidenden waren 3,3 Prozent Menschen mit Asthma. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen außerdem, dass Menschen mit Asthma oft schon im Kindesalter Anzeichen einer Depression zeigen: Beim Spielen empfinden sie weniger Freude als ihre gesunden Altersgenossen.
Auswirkungen auf Alltag und Beruf
Betroffenen fehlt häufig der Elan für die regelmäßige Einnahme ihrer Medikamente. „So können sich psychische Belastungen bei Menschen mit Lungenerkrankungen langfristig ungünstig auf den Krankheitsverlauf, auf die Dauer von Krankenhausaufenthalten oder auch das Beibehalten des Tabakkonsums oder die Sterblichkeit auswirken“, erklären die Experten Al Hamoud und Al-Khatib. Zusätzlich belastend ist eine drohende berufliche Rückstufung aufgrund der Erkrankung. Eine ausführliche psychosoziale Anamnese durch einen spezialisierten Arzt zum Beispiel aus der Arbeitsmedizin bringe hier Aufschluss über die beruflichen Leistungsmöglichkeiten.
Psychotherapie, Reha, Selbsthilfe
„Grundsätzlich kann eine Psychotherapie Wege aufzeigen und helfen, den Alltag mit der Krankheit besser zu bewältigen“, erklären die Experten. Auch eine pneumologische Rehabilitation und Patientenschulungen mit dem Erlernen von Atemtechniken und dem richtigen Verhalten im Notfall helfe dabei, besser mit der Angst vor Atemnot umgehen zu können. Ebenfalls empfohlen wird der Austausch mit anderen Betroffenen, zum Beispiel in Selbsthilfegruppen.
Depressionen und Ängste nehmen nicht nur die Leichtigkeit aus dem Leben – sie können das Atmen auch zusätzlich erschweren. „Die Psyche ist eng mit der Atmung verknüpft“, sagen Al Hamoud und Al-Khatib. Wohl jeder habe schon einmal gespürt, wie ihm das Atmen in Phasen von Ärger oder Trauer schwerfiel. Und weil starke Gefühle jenen Teil des Nervensystems aktivieren, der auch die Bronchien verengt, können sie Atemnot auslösen.
Bei unserer Telefonaktion können sich Betroffene, Angehörige und Interessenten mit den zwei Ärzten über all ihre Fragen und Probleme austauschen. Die Anrufe werden auf Wunsch anonym behandelt.