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Niederndorf
100 Jahre St. Josef - Start war ein Husarenstück
Josefskirche und Gemeindebau von Niederndorf im Jahr 2007
Josefskirche und Gemeindebau von Niederndorf im Jahr 2007 // Manfred Welker
Signet des Fränkischen Tags von Dr. Manfred Welker
Niederndorf – Die Niederndorfer feiern das 100-jährige Bestehen von St. Josef. Der Gebäudekomplex entstand als Gemeinschaftsprojekt trotz Inflation und Arbeitslosigkeit. Am Anfang stand indes eine Gesetzesübertretung.

In der Ortsmitte der ehemals eigenständigen Gemeinde Niederndorf erhob sich bis Oktober 2022 ein interessantes Bauwerk aus Kirche, Schule und Gemeindebau, das zum größten Teil während der Hochphase der Inflation des Jahres 1923 entstand. Die kirchliche Weihe erhielt der Baukomplex am 18. November 1923.

Aus vergangenen Tagen: So hielt Niederndorf 2011 die Josefifeier in der Josefskirche ab.
Aus vergangenen Tagen: So hielt Niederndorf 2011 die Josefifeier in der Josefskirche ab. // Manfred Welker

Zur Geschichte des Bauwerks: Niederndorf hatte nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925 mit dem Lohhof 554 Einwohner. Von 1913 bis 1930 wirkte Joseph Müller (1872-1953) als Stadtpfarrer in Herzogenaurach, zu dessen Pfarrsprengel auch Niederndorf gehörte.

Müller war der Überzeugung, in Niederndorf wären eine Kirche, eine Schule, ein Kindergarten und ein Schwesternheim angebracht. Trotz aller Bedenken angesichts der Inflation und ansteigender Arbeitslosigkeit ließen sich die Niederndorfer von seinem Vorhaben überzeugen: Am 29. November 1921 versammelten sich die Katholiken von Niederndorf und Neuses und einigten sich darauf: ein Schulhaus für die Gemeinde Niederndorf zu bauen, eine Kinderbewahranstalt und Haushaltungsschule unter der Leitung von Klosterfrauen mit der Schule zu verbinden und darüber hinaus eine eigene Seelsorgestelle zu gründen − und deshalb den Bau einer Kirche und eines Pfarrhauses in Angriff zu nehmen.

Die historische Kanzel
Die historische Kanzel // Manfred Welker

Zum Entwurf des Planes für den Bau der Kirche, des Kuratenhauses, der Schule und der Kinderbewahranstalt wurde Architekt Professor Fritz Fuchsenberger in München befragt. Dieser argumentierte, dass das ganze Bauvorhaben nicht in einzelne Bauten aufgelöst, sondern vielmehr in einer Baumasse zusammengeschlossen werden solle.

Die Kirche plante er mit 282 Sitzplätzen. Im Querbau plante er im Erdgeschoss die Wohnung für den Pfarrer.

Im Obergeschoss sah er drei Zimmer mit einer Hauskapelle für die Ordensschwestern vor. Die Kinderbewahranstalt bestand im Erdgeschoss aus einem sieben mal zehn Meter großen Kindersaal. 

St. Josef Bau startet ohne Genehmigung

Die Lehrerwohnung im Obergeschoss über dem Kleinkindersaal verfügte über vier Zimmer, Küche und Diele mit zusammen rund 100 Quadratmetern. Die Schule verortete Fuchsenberger in einem quer zum Hauptbau liegenden Gebäude. Die Schulsäle ordnete er in drei Geschossen übereinander an.

Heiliger Josef mit Jesuskind
Heiliger Josef mit Jesuskind // Manfred Welker

Am 31. Mai 1922 vollzog Pfarrer Müller den ersten Spatenstich zur Erbauung von Kirche, Gemeindebau und Schulhaus. Auch ohne die Genehmigung der staatlichen und kirchlichen Behörden begannen die Niederndorfer ihr Bauprojekt.

Alle Bewohner arbeiteten am Bau mit, Stand oder politische Gesinnung spielten keine Rolle. Besondere Unterstützung erfuhr das Werk durch den Niederndorfer Bürgermeister Gottlieb Römmelt.

Thomas Fink stellte nicht nur zum größten Teil den Bauplatz unentgeltlich zur Verfügung − ergänzt mit Grundstücken von Anna Maria Leipold und Johann Winkelmann. Als dem Bauprojekt Anfang August 1922 das Geld auszugehen drohte, verkaufte Thomas Fink 100 Zentner Weizen und gab den Erlös zum Gemeindebau.

Der Terrazzofußboden im Innenraum der Kirche
Der Terrazzofußboden im Innenraum der Kirche // Manfred Welker

Baumeister Adam Gumbmann lieferte mit seiner Ziegelei die Backsteine und zahlte die Arbeiter, ohne auf seine eigene Bezahlung zu drängen. Das Bauprojekt in Niederndorf fiel mitten in die Hochphase der Inflation im Deutschen Reich.

Bereits 1922 gab es eine sprunghafte Preissteigerung, so wurden Backsteine um 5700 Prozent und Zement um 8500 Prozent teurer. Noch schlimmer war die Preissteigerung im Jahr 1923.

Zur Unterstützung des Bauwerks genehmigte der „Diözesan Bauth. Verein“ 50.000 Mark im März 1923 und 300.000 Mark im Mai 1923. Doch bis das Geld an die Niederndorfer ausbezahlt wurde, war es kaum noch etwas wert: Es konnte gerade noch ein Kistchen Nägel davon gekauft werden.

Aufgrund der schwierigen Finanzlage hatte Müller zugunsten des Bauprojektes eine Kirchenkollekte beantragt. Die Kollekte ergab 13.068.275.000 Papiermark, somit mehr als 13 Milliarden.

Bronzeglocke für 2000 Mark für St. Josef

Allerdings erhielt Pfarrer Müller den größten Teil für das Bauprojekt erst, nachdem eine Billion Papiermark nur noch eine Rentenmark wert war. Andererseits konnte das Bauprojekt in Niederndorf aus der Geldentwertung auch Nutzen ziehen.

Pfarrer Müller hatte zuvor eine alte Bronzeglocke für 2000 Mark in Pautzfeld erworben. Als die Niederndorfer später diese Glocke an eine protestantische Pfarrei in der Nähe von Fürth abgaben, reichte der Erlös für das ganze Stahlgeläute.

Als Bodenbelag für den Innenraum der Kirche waren Solnhofener Platten vorgesehen. Ein in Erlangen lebender Italiener überzeugte Pfarrer Müller, einen Terrazzoboden einzubauen. Nachdem der Rohbau fertiggestellt war, konnte am 27. Juni 1923, ein Jahr nach dem ersten Spatenstich, das Turmkreuz aufgesetzt werden.

Parallel zum Bau der Kirche ging es auch um deren Ausstattung. Der Bamberger Erzbischof Jacobus von Hauck überließ der neuen Kirche einen Kelch, die Mutterkirche Herzogenaurach ein Messbuch und zwei Kelche.

Weihe für Niederndorf 1923

Den Barockaltar kaufte Müller in Heuchelheim für eine Milliarde Papiermark unter Zugabe von 100 Silbermark. Ihn restaurierte Schreiner Ludwig Biermann (1864-1935) aus Herzogenaurach, der auch die Kanzel überarbeitete, die aus der Universität Erlangen stammte.

Nach der Fertigstellung erhielt das Gotteshaus die Weihe am 18. November 1923 durch den Bamberger Erzbischof Jacobus von Hauck. „Große Feier! Große Begeisterung!“, notierte Pfarrer Müller in der Pfarrchronik und weiter: „Möge der Bau eine Kraftquelle für die Katholiken von Niederndorf und Neuses sein.“

Seinen 100. Geburtstag hat das komplette Bauwerk nicht mehr erlebt, im Oktober 2022 fielen Gemeindebau und die ehemalige Schule der Baggerschaufel zum Opfer.

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