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Tafel Erlangen: Die Helfer in der Not
Helfen bereitet ihnen Freude: Tafelmitarbeiterin Erika Mörtel (links) und Diakonie-Chefin Elke Bollmann.
Helfen bereitet ihnen Freude: Tafelmitarbeiterin Erika Mörtel (links) und Diakonie-Chefin Elke Bollmann.
Andrea Beck
Andrea Beck von Andrea Beck Fränkischer Tag
Erlangen – Die Tafel Erlangen steht vor nie gekannten Herausforderungen. Ukrainekrieg und steigende Armut lassen die Kundenzahl explodieren. Die Spendenaktion des Fränkischen Tags will helfen.

Es ist eine der Situationen, an die sich Erika Mörtel genau erinnert. An einem Ausgabetag der Erlanger Tafel in der Schillerstraße stand auf einmal eine ältere Frau in der Tür, die vorher noch nie zur Ausgabe gekommen war. Und offensichtlich hatte sie das auch nie vorgehabt.

„Ihr sind die Tränen übers Gesicht gelaufen. ,Ich will nicht hier sein’, hat sie uns gesagt. Ihr Sohn hatte sie überredet und uns angerufen, dass seine Mutter heute kommt“, sagt Mörtel.

Sie ist seit 15 Jahren ehrenamtliche Mitarbeiterin der Tafel Erlangen und hat in dieser Zeit viele Menschen auf schwierigen Wegen begleitet.

Im Fall der erschütterten Frau stellte sich heraus, dass diese arbeitsunfähig und krebskrank war. „Bei unseren Kunden geht es einfach nicht mehr anders, aber für geschätzte 80 Prozent von ihnen ist der Gang zur Tafel eine große Überwindung“, so Mörtel.

Im Dezember veranstaltete die Diakonie Erlangen die Aktion „Wärmewinter“. Spender wurden gebeten, haltbare Lebensmittel an die Tafel abzugeben. Mit großem Erfolg: Nach 14 Tagen war das Lager bis zur Decke gefüllt mit Nudeln und Co. „Die Weihnachts...
Im Dezember veranstaltete die Diakonie Erlangen die Aktion „Wärmewinter“. Spender wurden gebeten, haltbare Lebensmittel an die Tafel abzugeben. Mit großem Erfolg: Nach 14 Tagen war das Lager bis zur Decke gefüllt mit Nudeln und Co. „Die Weihnachtsmänner reichen uns bis Ostern“, sagt die Mitarbeiterin Erika Mörtel.
Beck

„500 Euro reichen nicht zum Leben“

Den Tafelausweis, der zu diesem Gang berechtigt, beantragen Menschen in Not bei der Diakonie Erlangen. Die deutschen Tafeln orientieren sich an der Einkommensgrenze von 950 Euro pro Person. Jeder weitere Erwachsene in der Familie darf zusätzliche 350 Euro verdienen, jedes Kind unter 16 Jahren 250 Euro.

Diese Einkommensgrenzen betreffen vor allem Bürgergeld- und Sozialhilfeempfänger, Rentner, Asylbewerber, Studenten und Geringverdiener.

„Das Einkommen unserer Kunden liegt oft weit unter der Grenze. 500 bis 600 Euro im Monat reichen nicht mehr zum Leben“, sagt Elke Bollmann. Sie leitete von 2019 bis 2021 die drei Ausgabestellen der Erlanger Tafel in der Schillerstraße im Erlanger Norden, in Büchenbach und in Herzogenaurach. Seit 2021 ist die 58-Jährige die Leiterin der Diakonie Erlangen. Den Chefposten der Tafel übernahm Johannes Sikorski.

200 Mitarbeiter an drei Ausgabestellen

Ihren Betrieb verdanken die Tafelkunden der stetig wachsenden Zahl von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aktuell packen rund 200 Menschen an den drei Ausgabestellen mit an. Von Jugendlichen bis zu Senioren über 80 sind alle Altersstufen vertreten.

Sie verteilen an drei Tagen in der Woche frische Lebensmittel wie Gemüse, Fleisch und Brot und Haltbares wie Nudeln, Konserven und Süßigkeiten. Hinzu kommen Duschgel und Windeln, Kleidung und Zahnpasta. Die Kunden zahlen für ihren Einkauf bei der Tafel einen symbolischen Preis von zwei Euro.

Helferin seit 15 Jahren

Eine der Helferinnen ist Erika Mörtel, die mit ihrer Familie bis 2004 einen Lebensmittelladen mit Bäckerei in Erlangen Bruck führte. Dann reichten die Einnahmen nicht mehr und die Familie gab den Laden auf.

„Damals war ich 54 und habe überlegt, was ich stattdessen machen könnte. Ich erfuhr von der Tafel und beschloss zu helfen. Lebensmittel verteilen, sortieren und Kontakt mit Kunden aufbauen – das war vorher fast 40 Jahre mein Geschäft“, sagt Mörtel.

Der Anblick vor Ort ist für Mörtel zunächst überfordernd. „Ich hatte die Situation der Hilfsbedürftigen unterschätzt. Es war schlimm zu sehen, dass Menschen zwei Tage alte Brötchen abholen, weil sie sich frische nicht leisten können.“

Bessere Organisation, bessere Qualität

Doch die heute 72-Jährige lernt mit der Situation umzugehen, wird zu einer der engagiertesten Mitarbeiterinnen im Team Schillerstraße und Vorstandsmitglied des Fördervereins Tafel Erlangen.

„Alles hat klein angefangen. Als ich dazukam, war die Tafel in einem engen Raum in der Luitpoldstraße und wir hatten keine große Auswahl an Lebensmitteln“, sagt Mörtel. Das habe sich in den vergangenen 15 Jahren geändert: „Die Qualität der Lebensmittel, die Organisation und die Größe der Ausgabestellen sind immer besser geworden.“

Die Diakonie Erlangen plant laut Bollmann, weitere Ausgaben in Baiersdorf und im Erlanger Süden einzurichten.

Unter den Kunden der Erlanger Tafel sind auch Rentner. Ihne Anzahl steigt seit einigen Jahren.
Unter den Kunden der Erlanger Tafel sind auch Rentner. Ihne Anzahl steigt seit einigen Jahren.
Diakonie Erlangen

Der stärkste Kundenanstieg jemals

Mit den Spenden von insgesamt rund 60 Märkten, Bäckereien und Drogerien plus privaten Spenden versorgen die drei Ausgabestellen tausende Menschen in Not. Mehrmals pro Woche fahren die Helfer alle teilnehmenden Läden im Landkreis von Münchaurach bis Neunkirchen und von Forchheim bis Eltersdorf ab.

Da das Bewusstsein für die Bedeutung der Tafeln steigt und das Vernichten von Tonnen von Lebensmitteln keinen Gut Stand mehr hat, steigt die Zahl der Spenden.

Kundenzahl hat sich verdoppelt

Das ist angesichts der aktuellen Entwicklungen auch dringend nötig. Denn seit dem Beginn des Ukrainekriegs und durch die gestiegenen Gas- und Lebensmittelpreise hat sich die Kundenzahl der Tafel Erlangen mehr als verdoppelt.

In absoluten Zahlen heißt das, sie ist seit Januar 2022 von rund 1700 auf 4100 Bedürftige gestiegen. Und das Team rechnet weiter mit Kundenzuwachs, wenn die Nebenkostenabrechnungen eingehen.

„Wegen des Anstiegs mussten wir unsere Abläufe ändern. Wir sind auf eine Ausgabe im 14- statt im 7-Tage-Rhythmus umgestiegen“, sagt Bollmann. Und die ist streng geregelt. Die Kunden haben feste Abholzeiten je nach Alter, Herkunft und Familienstand.

In der Schillerstraße sind die rund 130 ukrainischen Haushalte auf zwei Gruppen aufgeteilt und diese wiederum auf Untergruppen, die ihre Lebensmittel alle 14 Tage entweder am Montag, Mittwoch oder Samstag zu bestimmten Uhrzeiten abholen können.

Da ukrainische Flüchtlinge aktuell den größten Teil der Tafelkunden ausmachen, haben die restlichen rund 80 Senioren, Familien und Einzelpersonen andere Abholzeiten.

Ein Ehrenamt als Vollzeitjob

Der Ansturm von Tafelkunden, die das abholen, was die Zulieferer übrig lassen, macht das Ehrenamt an den Abholtagen zum Vollzeitjob. „Morgens kommen die Helfer mit vollbepackten Autos an, dann wird sortiert. Und von 13 bis 16.30 Uhr ist Ausgabe. Danach sortieren wir die Reste und dann sind wir kaputt“, sagt Mörtel. Sie packt jeden Montag und Samstag mit an und leitet die Logistik.

Die Ausgaben der Tafel, wie die Ausstattung der Räume und die Bezahlung der drei Festangestellten, summieren sich pro Jahr auf rund 300.000 Euro. „Das Geld sammeln wir ausschließlich durch Spenden und Zuschüsse. Etwa von Privatpersonen und dem Landkreis“, sagt Bollmann. Neue Gaben seien jederzeit willkommen.

Glückliche Momente

Neben all der Sorge um fehlendes Geld, die steigende Armutsquote und traurige Schicksale, erleben die Ehrenamtlichen Momente, die ihre Arbeit zur Freude machen.

„Wir hatten einige Monate einen Kunden aus Syrien, der unter Kinderlähmung litt und im Rollstuhl saß. Vor kurzem hatte er dann eine gute Nachricht – er hat einen Job bei Siemens bekommen“, erzählt Mörtel. „Wenn man sieht, dass die Menschen wieder selbstständig werden, sind das die Höhepunkt der Arbeit.“

Zum Abschied bat der Kunde vor der Ausgabe um Aufmerksamkeit und hielt eine Dankesrede. Für Erika Mörtel war es ein besonderer Moment:„Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut.“

Franken helfen Franken

Spendenaktion Die Mediengruppe Oberfranken erreicht über ihre Zeitungen sowie ihr Internetangebot jeden Tag unzählige Menschen. Das nutzt die mgo, um Hilfsbedürftigen in ganz Franken zu helfen. Seit 2009 gibt es daher den Spendenverein „Franken helfen Franken“. Alle Spenden gehen zu 100 Prozent an gemeinnützige Organisationen und in Not geratene Menschen in der Region. Die Verwaltungskosten übernimmt die Mediengruppe Oberfranken.

Spendenkonto Mediengruppe Oberfranken – Franken Helfen Franken e.V.

Sparkasse Bamberg

IBAN DE 62 7705 0000 0302 1945 01

BIC BYLADEM1SKB

Verwendungszweck: Tafel Erlangen

Der Fränkische Tag und „Franken helfen Franken“ möchten die Tafel Erlangen unterstützen. Die Spenden gehen an den Förderverein der Tafel, der das Geld weiterleitet.

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