0
Forschung
Wenn Kinder an Krebs erkranken
Professor Dr. med. Paul-Gerhardt Schlegel, Leiter des Schwerpunkts pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation an der Universitätsklinik Würzburg, bei seinem Vortrag.
Professor Dr. med. Paul-Gerhardt Schlegel, Leiter des Schwerpunkts pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation an der Universitätsklinik Würzburg, bei seinem Vortrag. // Sigismund von Dobschütz
Moderator Steffen Krambo (links), Vereinsvorstand „Jonas hilft“, und die Präsidenten Oliver Hüfner (Rotary Club) und Horst Waldner (Lions Club) bedanken sich beim Referenten Prof. Dr. med. Paul-Gerhardt Schlegel
Moderator Steffen Krambo (links), Vereinsvorstand „Jonas hilft“, und die Präsidenten Oliver Hüfner (Rotary Club) und Horst Waldner (Lions Club) bedanken sich beim Referenten Prof. Dr. med. Paul-Gerhardt Schlegel // Sigismund von Dobschütz
Veranstalter, Organisatoren, Gastgeber und Referent der Netzwerk-Veranstaltung (von links): Timo Krambo (Jonas hilft), Prof. Dr. Paul-Gerhardt Schlegel (Referent), Nicolas Sauer (Max-Armbrecht-Leukämiehilfe), Horst Waldner (Lions Club), Oliver Hüf...
Veranstalter, Organisatoren, Gastgeber und Referent der Netzwerk-Veranstaltung (von links): Timo Krambo (Jonas hilft), Prof. Dr. Paul-Gerhardt Schlegel (Referent), Nicolas Sauer (Max-Armbrecht-Leukämiehilfe), Horst Waldner (Lions Club), Oliver Hüfner (Rotary Club), Steffen Krambo (Jonas hilft), Jürgen Balles und Frank Kugler (beide Labor LS) // Sigismund von Dobschütz
Großenbrach – Es gibt Fortschritte in der Therapie tumorkranker junger Patienten. Professor Paul-Gerhardt Schlegel stellte sie vor.

Zu einer Benefiz-Netzwerkveranstaltung unter dem Motto „Gemeinsam gegen Kinderkrebs – Hoffnung auf Heilung“, organisiert von den Bad Kissinger Vereinen „Max-Armbrecht-Leukämiehilfe“ und „Jonas hilft“, hatten der Rotary Club und der Lions Club ihre Mitglieder nach Großenbrach eingeladen. Die Geschäftsleitung der Firma Labor LS begrüßte als Gastgeber über hundert Zuhörer in ihrer Mensa zum Vortrag von Prof. Dr. Paul-Gerhardt Schlegel, Leiter des Schwerpunkts pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation an der Universitätsklinik Würzburg. Die Spende der beiden Clubs stockten die Zuhörer auf insgesamt 6000 Euro auf zur Unterstützung der Würzburger Therapieforschung in der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie.

Zu Beginn der Veranstaltung berichteten die Vorstände Nicolas Sauer (Max-Armbrecht-Leukämiehilfe) und Timo Krambo (Jonas hilft) über Historie, Aufgaben und Ziele ihrer Vereine. So unterstützt der vom Arzt Ulrich Armbrecht im Jahr 1996 nach dem Tod seines verstorbenen Sohnes Max gegründete Verein Patienten mit Leukämie und anderen schweren Krebserkrankungen unter besonderer Beachtung der psychosozialen Betreuung, da damals Defizite in der psychosozialen Betreuung von Krebspatienten festgestellt wurden. Der Verein mit seinen elf Mitgliedern arbeitet eng mit Prof. Schlegel und der Würzburger Uni-Klinik zusammen.

Schlegel war es auch, der beim kleinen Jonas Krambo im Herbst 2021 ein diffuses intrinsisches Ponsgliom (DIPG) diagnostiziert hatte, wie dessen Vater Timo Krambo den Zuhörern berichtete. Nur zehn Monate später verstarb Jonas im Alter von nur elf Jahren. Ihm zum Gedenken gründete die Familie im Februar 2023 den Verein „Jonas hilft“, um leukämie- und tumorkranken Kindern „Herzenswünsche zu erfüllen“, ihren Familien „Momente zur Entspannung“ zu ermöglichen und durch Förderung der Forschung allen Betroffenen etwas Hoffnung zu geben.

„Hoffnung“ war auch ein wiederkehrender Begriff im Vortrag von Paul-Gerhardt Schlegel. Er verwies auf die Entwicklung in der Kinderkrebstherapie: Während um das Jahr 1940 nur etwa zehn bis 20 Prozent der an Krebs erkrankten Kinder eine Überlebenschance hatten, können dank der Forschung heute durchschnittlich 80 Prozent – mit Spitzenwerten bis zu 90 Prozent je nach Art der Krebserkrankung – gerettet werden. Schlegel: „Ich bin meinen Vorgängern für diese Entwicklung sehr dankbar.“

Neue Behandlungsmethode

Nun sei es wichtig, durch weitere Forschung auch den übrigen 20 Prozent der erkrankten Kinder eine Überlebenschance zu geben. „Da ist nicht sehr viel Innovation erforderlich.“ Eine neue Behandlungsmethode ist die hybride Zell- und Gen-Therapie: Bei erkrankten Kindern konnten die eigenen Stammzellen die aggressiven Tumorzellen nicht erkennen, versuchte es der Mediziner in Großenbrach in einfachen Worten zu erklären. Deshalb werden dem Patienten geeignete Zellen entnommen, die im Labor genetisch verändert werden. „Sie bekommen ein zweites Auge, um die Krebszellen zu erkennen.“

Diese genetisch veränderten Zellen werden dann millionenfach vermehrt und anschließend dem Körper des Patienten mittels einer Infusion wieder zugeführt. Diese Behandlungsmethode ist in Deutschland bereits zugelassen, allerdings im jeweiligen Genehmigungs- und Produktionsverfahren pro Patient sehr aufwändig, weshalb ein einziger, für die Behandlung ausreichender Infusionsbeutel heute noch 280.000 Euro kostet. „Das ist viel Geld, aber das Leben eines Kindes ist mehr wert“, gab Schlegel zu bedenken. Andererseits meinte er, diese Kosten müssten in Zukunft auf etwa 50.000 Euro vermindert werden.

2100 Kinder erkranken pro Jahr

Heute erkranken in Deutschland etwa 2100 Kinder pro Jahr an Krebs, die in spezialisierten Therapiezentren behandelt werden. An der Würzburger Uni-Klinik, die sich durch interdisziplinäre Versorgung von Kindern mit Hirntumoren auszeichnet, sind es etwa 90 bis 100 Patienten im Jahr, die überwiegend aus Süddeutschland eingewiesen werden, manche aber auch aus dem Ausland. Schlegel: „In absoluter Zahl ist es eine seltene Erkrankung, aber für die Patienten und deren Eltern eine Katastrophe.“ Dies gilt nicht nur im Moment der Diagnose und der konkreten Behandlung. Den Betroffenen stellt sich auch die Frage: Was haben wir anschließend zu erwarten? Was kommt auf uns zu? Hierzu werden in Würzburg neuropsychologische Langzeitstudien betrieben.

Wissenschaftler tauschen sich weltweit aus

Weltweit werden heute neue Behandlungskonzepte erforscht, wobei die USA und mit weitem Abstand China weiter sind als Deutschland. Doch es gibt einen intensiven Wissensaustausch weltweit. Die Firma BionTech forsche in ähnlicher Richtung wie die Würzburger, bestätigte Schlegel auf Nachfrage eines Zuhörers, aber auf dem Erwachsenen-Sektor. Schlegel: „Unsere Nische ist die Kinder-Onkologie.“ Krebs bei Kindern habe es schon immer gegeben, war seine Antwort auf eine Frage nach möglicher Zunahme der Krankheit. Doch vor 1900 sind die Kinder mangels wissenschaftlicher Erkenntnis eben ohne diesen Befund gestorben. „Therapiemöglichkeiten bei Kinderkrebs sind relativ neu.“

„Kein Kind sollte an Krebs sterben“, schloss Schlegel seinen Vortrag. Doch werde dieses Ziel nicht so schnell zu erreichen sein. Umso wichtiger sei es, diese Vision „in die Herzen unserer Mitarbeiter zu pflanzen“. Deshalb ist der Facharzt überzeugt: „Eines Tages werden auch die übrigen 20 Prozent der erkrankten Kinder überleben können.“

Inhalt teilen
  • kopiert!