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Wörter, Ortsnamen, Literatur
Alte Darre Staffelstein: Wie Deutsche die Ukraine prägten
Nataliia Hrabarska (l.) mit ihrer Bandura und Alla Paslawska.
Nataliia Hrabarska (l.) mit ihrer Bandura und Alla Paslawska. // 
Signet des Fränkischen Tags von Irene Zenk
Bad Staffelstein – Welchen Einfluss Deutsche auf die Kultur der Ukraine hatten, schilderte eine Professorin in der Alten Darre.

Die Ukraine ist ein multikulturelles Land, mit über 130 ethnischen Gruppen. Die Bevölkerung setzt sich dabei zum größten Teil aus Ukrainern und Russen zusammen. Aber auch unter anderem aus Weißrussen, Moldauern, Ungarn, Rumänen und zu einem Anteil von 0,07 Prozent (rund 30.000 Menschen) auch aus Deutschen.

Und die Deutschen waren in der Geschichte der Ukraine nicht unbeteiligt, weshalb sich eine Suche nach den Kulturspuren der Deutschen in der Ukraine lohnt. Dies tat Alla Paslawska, Professorin an der Nationalen Iwan-Franko Universität in Lwiw, im Rahmen der Interkulturellen Woche im Landkreis Lichtenfels in der Alten Darre in Bad Staffelstein. Sie nahm die 15 Teilnehmer mit auf eine Reise, um die deutschen Einflüsse auf Architektur, Literatur, Recht und Sprache in der Ukraine zu beleuchten.

Vieler dieser Einflüsse sind sich sogar die Bewohner der Ukraine selbst nicht bewusst. Vor allem in der Sprache, so sind etliche Wörter auf deutsche Einflüsse zurückzuführen. Doch wie kamen nun diese Einflüsse in die Ukraine?

Germanen waren schon vor 2000 Jahren da

Erste Fundstücke von Germanen wurden in der Ukraine (früher Galizien) bereits aus dem 1. bis 4. Jahrhundert vor Christus gefunden. Erste schriftliche Fixierungen von Kolonien von Deutschen findet man dann im 10./11. Jahrhundert. In der Fürstenzeit, unter Danylo Romanowytsch (13. Jahrhundert) findet man auch erste bauliche Einflüsse.

„Hier wurde Galizien oft überfallen“, erzählte Paslawska. „Für den Wiederaufbau brauchte man Bauleute, Fachleute. Da nahm man selbstverständlich Deutsche, die kannten sich bestens aus.“

Alla Paslawska (rechts), Professorin an der Nationalen Iwan-Franko Universität in Lwiw, hielt einen Vortrag über „Deutsche Kulturspuren in der Ukraine“, musikalisch untermalt von Nataliia Hrabarska auf einer Bandura.
Alla Paslawska (rechts), Professorin an der Nationalen Iwan-Franko Universität in Lwiw, hielt einen Vortrag über „Deutsche Kulturspuren in der Ukraine“, musikalisch untermalt von Nataliia Hrabarska auf einer Bandura. // Zolotar

Nach der Eroberung von Galizien durch Kasimir den Großen 1340 war endgültig der Weg frei für deutsche Kolonisten. 1356 wurde das Magdeburger Recht eingeführt und die Amtssprache war für rund 200 Jahre Deutsch. Was wiederum Einfluss auf die Sprache hatte, wie Paslawska anhand eines Zitats von Juri Andruchowytsch veranschaulichte: „Deutsche, oder wie man sie hier nannte: ,Schwaben‘, haben ihre Spuren in den verdrehten Ortsnamen der Vorstadtbezirke hinterlassen. Was wir heute als Lytschakiw kennen, geht zurück auf Lützenhof, Samarstyniw auf Sommerstein, Klepariw auf Klopper, Majoriwka auf Maier, Kulparkiw auf Goldpark.“

1772 dann, bei der ersten Teilung Polens unter der Habsburger Monarchie, dem Russischen Reich und Preußen sowie zwei weiteren Annexionen 1793 und 1795, wurde im Rahmen der österreichischen Monarchie das neue Kronland Galizien geschaffen, das bis 1918 existierte.

Die Sprache hingegen bestand auch weiterhin, wie ein Zitat von Johann Georg Kohl aus dem Reisebericht über Österreich 1842–1846 darlegt: „Überall in Lemberg läuft die deutsche Nationalität neben der polnischen her. Alle Inschriften auf den Straßen und öffentlichen Plätzen, wie alle Aufschriften und Bekanntmachungen bei den Kaufmannsläden sind deutsch und polnisch.“

Literatur entwickelte sich in Deutsch

„In Wien wusste man über Galizien nichts“, sagte Paslawska. Es war eines der ärmsten Kronländer. Doch der Kaiser brachte Gerichte, Polizei und das Bildungssystem. Durch die Amtssprache Deutsch entwickelte sich auch die Literatur zunächst in Deutsch. Zeugnis hiervon geben etwa Reiseberichte und Reportagen, zum Beispiel von Leopold von Sacher-Masoch („Galizien als Leidenschaft der Seele“, „Iluj“), Constantin von Wurzbach („Volkslieder der Polen und Ruthener“, „Sprichwörter der Polen und Ruthener“).

Einblicke ins Land bekam man unter anderem auch durch den Band „Halb-Asien“ von Karl Emil Franzos, der das Land Galizien 1890 wie folgt beschreibt: „Das Land ist von seltener Fruchtbarkeit, die Landschaft von erhabener Schönheit; und doch ist das Volk, das hier haust, eines der ärmsten und unglücklichsten Europas. “

Deutsche Wurzeln wiederentdeckt

Besonders wichtig für die ukrainische Literatur auch die Übersetzungsarbeit von Iwan Franko. Er übersetzte etwa 6000 Werke aus dem Deutschen ins Ukrainische. Unter anderem „Faust“ von Goethe. Diese deutschen Spuren sind heute eben nur noch wenig bekannt, wie Landmann 1995 wie folgt feststellte: „Aber nur wenige werden noch wissen, dass es noch vor kaum achtzig Jahren auch ein österreichisches Galizien gab.“

Doch die deutschen Kulturspuren werden nach und nach in der Ukraine wiederentdeckt. So gibt es mittlerweile Reiseführer, auch um die literarische Entwicklung zu entdecken, sowie eine Landkarte, in der die deutschen Kulturspuren sichtbar gemacht wurden.

Musikalisch machte Nataliia Hrabarska die deutschen Kulturspuren noch einmal hörbar und spielte auf der Bandura, einem traditionellen ukrainischen Instrument, „Ode an die Freude“.

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