0
Ukraine-"Flüchtlinge" im Tierheim
Hunde entkommen dem russischen Bombenterror
Tiere gerettet
Die Tierrechtsorganisation Peta unterstützt Animal Rescue Kharkiv (ARK) bei der Rettung von Tieren aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine. Dabei arbeiten die Helfer vor Ort mit dem Militär zusammen. // (PETA Deutschland e.V.)
Kulmbach/Ködnitz – Auf den ersten Blick wirken Tasha und Aurora wie jeder andere Vierbeiner auch, der den Weg ins Kulmbacher Tierheim findet. Doch die beiden Hündinnen sind besonders: Sie kommen mitten aus einem Kriegsgebiet.

Wenn Bomben und Schüsse fallen, ist das für uns Menschen absolut verstörend. Wie aber müssen sich erst Tiere fühlen, für die eine solche Bedrohung buchstäblich aus heiterem Himmel kommt und die sie überhaupt nicht einschätzen können? So ergeht es seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Hunderttausenden von Hunden, Katzen, Vögeln, aber auch Wildtieren, die im Kriegsgebiet ausharren müssen.  Einige finden zumindest eine Zuflucht in Tierheimen - und sind damit gefühlt in Sicherheit. 

Mammutprojekt in Kooperation mit Peta

Die massive Bombardierung der Stadt Charkiw, die seit Tagen im Dauerfeuer russischer Artillerie liegt, führt nun dazu, dass immer mehr Haus- und Hoftiere in unmittelbare Nähe zur Front geraten und gerettet werden müssen.  Dafür trägt vor allem der Verein Animal Rescue Kharkiv (ARC) die Hauptlast. Unterstützt werden die Helfer vor Ort vom ukrainischen Militär - und  der Tierrechtsorganisation Peta.

Das Mammutprojekt wird von Deutschland aus von Sylvie Bunz betreut. Sie ist seit 20 Jahren bei Peta und weiß um die Notlage von Mensch und Tier vor Ort und den täglichen Kampf ums Überleben. "Durch unsere Kooperation konnten wir bislang 1300 sichere Plätze für Tiere schaffen. Das Projekt beherbergt Hunde, Katzen, Pferde, Schafe, Ziegen, Hühner, Tauben, Gänse, Enten, Schwäne, Fische und viele mehr."

Peta Charkiw
Jeden Tag retten die Helfer Dutzende Tiere, die im Kriegsgebiet zurückgelassen wurden, weil die Menschen dem Beschluss entfliehen mussten und nicht jeder sein Tier mitnehmen kann. // (PETA Deutschland e.V.)

Eigene Tierklinik in Charkiw aufgebaut

Dank des Aufbaus einer Tierklinik können seit Oktober 2022 an jedem Tag bis zu 130 schwer kranke und verletzte Tiere operiert und optimal versorgt werden. Zugleich werden parallel bis zu 150 Tiere kastriert, um noch mehr Leid und Not zu verhindern.

Die Logistik hinter dem Projekt ist enorm: "Fast 1600 Tonnen vegane Tiernahrung wurden bisher für das Projekt produziert und unter oftmals schweren Bedingungen in die Ukraine transportiert." Speditionen haben mit diversen Problemen zu kämpfen, unter anderem oft stundenlangen Kontrollen an der Grenze zu Polen.

Der Aufwand spiegelt sich auch beim Transport der Tiere. "Peta selbst hat dafür eine eigene Fahrzeugflotte angeschafft. "Allein seit dem Beschuss nahe Charkiw hat das Team drei Fahrzeuge in lebensgefährlichen Situationen verloren – zum Beispiel durch Attacken russischer Drohnen."

85 Mitarbeiter helfen vor Ort

Vor Ort sind 85 Mitarbeitende und freiwillige Helfer jeden Tag im Einsatz, um alle Tiere zu versorgen und weitere zu retten. Insgesamt konnte Peta nach eigenen Angaben  zusammen mit seinen Partnern bisher mehr als 16.500 Tiere aus der Gefahrenzone bergen. "Alle Tiere im Projekt werden medizinisch versorgt, durch die Quarantäne gebracht und entsprechend den EU-Regularien für die Reise vorbereitet. Das dauert mindestens vier Monate pro Tier!"

Rund 60 Prozent der Tiere werden mit ihren geflüchteten Halterinnen und Haltern später wieder vereint. Die restlichen 40 Prozent werden über Partnertierheime in Europa an tierliebe Menschen vermittelt.

Sicher im Kulmbacher Tierheim

Für zwei dieser geretteten Tiere hat sich nun ein Fenster in eine sichere Zukunft abseits des Krieges aufgetan: Aurora und Tasha strecken in ihren Zwingern im Kulmbacher Tierheim alle Viere von sich. Granaten und Bomben müssen die beiden Mischlingshunde hier nicht fürchten. Hinter der Klappe öffnet sich der Blick auf ein saftig grünes Areal, wo sie unbedrängt toben können.

"Einen Freund haben die beiden auch schon gefunden", sagt Tierheimleiterin Angelika "Geli" Enzmann: Rüde Milo ist ganz angetan von den beiden Damen. Doch wer weiß, wie lange diese Dreisamkeit anhält, denn: Die Ukraine-"Flüchtlinge" auf vier Pfoten sollen natürlich schnellstens an eine neue Familie vermittelt werden. Beide sind geimpft und gechipt und bei guter Gesundheit. Vermittelt wurden die Vierbeiner über das Tierheim Pfaffengrün nach Kulmbach.

Aurora: kleine Hündin mit großem Herz

Aurora ist laut Unterlagen im Juli 2020 geboren. Tierheimleiterin Enzmann beschreibt sie als unkompliziert. "Sie ist Menschen gegenüber -  auch Kindern - sehr aufgeschlossen und eine ganz liebe kleine Hündin mit einer Schulterhöhe von 47 Zentimetern. Sie ist verträglich mit anderen Hunden und wäre auch gut als Zweithund zu halten, an der Leine läuft sie schön."

Tierheim Kulmbach
Auch Hündin Aurora wurde aus dem Kriegsgebiet um Charkiw gerettet. Das Tierheim sucht für sie eine neue Familie. // Tierheim Kulmbach

Was die nötigen Grundkommandos angeht, wäre zu Beginn ein Besuch in einer guten Hundeschule zu empfehlen.

Tasha ist verschmust

Ihre Schicksalsschwester Tasha wurde im Oktober 2021 geboren. "Sie ist wirklich eine ganz liebe und anhängliche Hündin, die förmlich in einen hineinkrabbelt und schmusen möchte. Sie läuft schön an der Leine und ist stubenrein."

Tierheim Kulmbach
Hündin Tasha wurde aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine gerettet und kann nun vermittelt werden. // Tierheim Kulmbach

Auffällig bei Tasha ist der Schiefstand eines Hinterlaufes. "Das scheint ihr aber keine Schmerzen zu bereiten und behindert sie nicht beim Laufen", sagt die Tierheimleiterin. Die Stelle wurde tierärztlich untersucht. Dabei kam heraus, dass die Hündin eine Platte im Bein hat, offenbar zur Fixierung eines Bruches aus früherer Zeit.

Tierheimleiterin Enzmann: "Neue Halter brauchen Zeit und Geduld"

Die Tierheimleitung sucht nun nach Menschen, die Tasha oder Aurora aufzunehmen. "Sie müssen nicht in einen Haushalt vermittelt werden, könnten das aber, denn sie harmonieren gut miteinander." Die künftigen Halter sollten sich aber bewusst darüber sein: "Es handelt sich um Hunde, über deren Leben vor dem Tierheim wir nichts wissen und die womöglich in irgendeiner Form traumatisiert sein können. Das bedeutet: Man braucht Zeit und Geduld, um sich auf ein solches Tier einzulassen, mit allen möglichen Macken aus der Vergangenheit."

Angelika Enzmann bescheinigt den beiden Neuankömmlingen aber gute Aussichten. "So, wie wir beide kennengelernt haben, sind das einfach nur tolle Hunde, die sich in ihrem neuen Zuhause wohl schnell einleben dürften." Weitere Hinweise und Kontaktaufnahme online über www.tierheim-kulmbach.de oder per Telefon unter 09221/91288.

Lesen Sie mehr:

Inhalt teilen
  • kopiert!