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Krise bei der Bahn
Chefin von DB Cargo muss gehen - Sigrid Nikutta verliert Job
DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta
Seit Anfang 2020 leitete Sigrid Nikutta DB Cargo - die Gütertochter der Deutschen Bahn fuhr in all den Jahren aber weiter Verluste ein. (Archivbild) // Kay Nietfeld/dpa
Güterverkehr auf der Schiene
DB Cargo hatte im Güterverkehr auf der Schiene zuletzt einen Marktanteil von rund 44 Prozent. (Archivbild) // Bodo Marks/dpa
Sigrid Nikutta
DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta muss ihren Posten räumen. (Archivbild) // Hendrik Schmidt/dpa
Karin Dohm
Die frühere Finanzvorständin bei der Baumarktkette Hornbach soll wohl künftig das gleiche Ressort bei der Deutschen Bahn leiten. (Archivbild) // Sebastian Gollnow/dpa
von dpa
Berlin – Seit Januar 2020 hat Sigrid Nikutta versucht, DB Cargo zu sanieren. Nach Rücktrittsforderungen der Gewerkschaft EVG und deutlicher Kritik in einem Gutachten zieht der Konzern nun die Reißleine.
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Sigrid Nikutta wird nach dpa-Informationen als Chefin der kriselnden Bahn-Gütertochter DB Cargo abberufen. Der Konzern zieht damit einen Schlussstrich unter Nikuttas Bemühungen, DB Cargo zu sanieren und profitabel aufzustellen. Zuvor hatte der «Spiegel» berichtet. Es ist eine der ersten wichtigen Personalentscheidungen der neuen Bahnchefin Evelyn Palla. Sie hatte zuletzt angekündigt, stärker im Konzern durchgreifen zu wollen.

Zuletzt hatte ein von der Bahn in Auftrag gegebenes Gutachten Nikuttas Sanierungskonzept als unzureichend kritisiert. Die Abberufung der Managerin muss noch vom Aufsichtsrat beschlossen werden. Eine Sondersitzung des Gremiums ist für den 30. Oktober geplant.

DB Cargo steckt seit langem in der Krise und fährt seit Jahren hohe Verluste ein. Bislang wurden die Bilanzen stets vom Bahn-Konzern ausgeglichen, das hat die EU-Kommission im Rahmen eines Beihilfeverfahrens inzwischen aber untersagt. DB Cargo muss aufgrund des Verfahrens ab 2026 wieder schwarze Zahlen schreiben. 

Nikutta wollte bei Cargo Tausende Stellen streichen

Nikutta setzte bei ihrem Sanierungskurs zuletzt auf Personalabbau und den Verkauf von Fahrzeugen. Wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» berichtete, soll DB Cargo nach den Plänen der Managerin in den nächsten Jahren auf 10.000 Beschäftigte schrumpfen. Ende 2024 beschäftigte das Unternehmen knapp 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch zahlreiche Werkstätten sollen geschlossen werden. Statt eigene Fahrzeuge zu nutzen, sollten Loks angemietet werden.

Viel Hoffnung steckte Nikutta zudem in die Förderung des Einzelwagenverkehrs durch den Bund. Beim Einzelwagenverkehr werden die Waggons mehrerer Kunden zu einem Zug zusammengeführt und zu verschiedenen Zielen gebracht. Die Sparte ist wichtig, um langfristig mehr Güter auf der Schiene statt auf der Straße zu transportieren. Gleichzeitig ist der Einzelwagenverkehr aber auch sehr kostenintensiv. Die seit 2024 geltende Förderung reichte zuletzt für DB Cargo nicht aus, um die Sparte profitabel aufzustellen.

DB Cargo ist auch aus diesen Gründen einer der wenigen Wettbewerber, die den Einzelwagenverkehr überhaupt anbieten. Im Schienengüterverkehr insgesamt sieht die Lage differenzierter aus. Zwar ist die Bahn-Tochter dort weiterhin das größte Einzelunternehmen. Ihr Marktanteil ist in den vergangenen Jahren aber deutlich gesunken und lag im Jahr 2023 laut aktuellsten Zahlen der Bundesnetzagentur nur noch bei rund 44 Prozent.

Die Managerin mit dem roten Hosenanzug

Nikutta hat bereits eine lange Karriere bei der Deutschen Bahn und speziell im Bereich Güterverkehr hinter sich. 1996 übernahm sie erstmals eine Stelle beim bundeseigenen Konzern. Von Mai 2010 an war sie fast zehn Jahre lang Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), ehe sie Anfang 2020 als Vorstandsvorsitzende von DB Cargo zum Bahn-Konzern zurückkehrte.

Die Managerin wusste in den vergangenen Jahren auch in der Öffentlichkeit und auf sozialen Netzwerken wie LinkedIn auf sich aufmerksam zu machen. Zu ihrem Markenzeichen wurde ein roter Hosenanzug - passend zum Rot im Logo der Deutschen Bahn. 

Gewerkschaft kritisierte Nikutta - «kopfloses Abwickeln»

Erfolge in Form von guten Bilanzzahlen fehlten aber: Bei Cargo gelang es ihr in fast sechs Jahren nicht, unterm Strich einen Gewinn zu erwirtschaften. «Es ist ein bitteres Ende für Nikutta, aber das Ende ist bitter notwendig», teilte die stellvertretende Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Cosima Ingenschay, mit. In einem Brief an die neue Bahnchefin hatte die Gewerkschaft Mitte Oktober geschrieben: «Über 3,1 Milliarden Euro Minus seit ihrem Amtsantritt sprechen für sich.» 

Aus Bahnkreisen erfuhr die dpa, dass Nikutta in einer Runde von Cargo-Führungskräften der Rücken gestärkt wurde. Die Meinung dort: Nikutta habe das Unternehmen stabilisiert und Vertrauen der Kunden zurückgewonnen. «Offensichtlich war die Veränderungsgeschwindigkeit für einige zu hoch - dabei war sie genau das, was das Unternehmen brauchte», hieß es aus diesen Kreisen.

Gutachten hält Nikuttas Plan für ungeeignet

Besonders unter Druck geriet die Managerin, als vor wenigen Tagen ein von der Bahn bestelltes Gutachten über ihren Sanierungskurs öffentlich wurde. Das Konzept sei «nicht objektiv geeignet, eine nachhaltige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der DB Cargo AG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sicherzustellen», heißt es in dem Gutachten, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Zudem seien «einige Annahmen in der Planung sehr optimistisch und im momentanen Markt- und Wettbewerbsumfeld wahrscheinlich nicht erreichbar». Grundsätzlich hält das Gutachten eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens aber für möglich - aber offenbar nicht mit Nikuttas Plan. 

«Noch ist Cargo sanierungsfähig», betonte Ingenschay von der EVG. Die neue Person an der Spitze der Tochter müsse die Geschäftsentwicklung zur obersten Priorität machen. «Bestehende Kunden müssen gehalten und verlorene zurückgewonnen werden.»

Neubesetzung des Bahnvorstands

Mit Nikuttas Abgang setzt sich der derzeit laufende Umbau des Bahnvorstands fort. Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, das Führungsgremium des Konzerns neu aufzustellen. Richard Lutz musste im September den Posten des Bahnchefs räumen. Seine Nachfolgerin ist die vorige Regionalverkehrsvorständin Evelyn Palla. Der Vorstand wurde zudem um zwei Ressorts verkleinert.

Inzwischen zeichnen sich weitere Personalwechsel ab: Pallas Nachfolger für den Regionalverkehr soll dem Vernehmen nach Harmen van Zijderveld werden. Er verantwortete bisher im Vorstand der Bahn-Tochter DB Regio das Ressort Schiene. Als neue Finanzchefin wird die frühere Managerin bei der Baumarktkette Hornbach, Karin Dohm, gehandelt. Sie würde auf Levin Holle folgen, der im Frühling den Konzern für einen Posten im Bundeskanzleramt verlassen hatte. Beide Personalien müssen noch im Aufsichtsrat beschlossen werden.

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