Entdeckungstour Steinerne Zeugen für Freud’ und Leid Marterl-Weg Station 3: Blick in die Flur // Bettina Knauth von Bettina Knauth TEILEN  12.10.2022 Seßlach – Auf dem neuen Marterl-Weg ergeben sich ganz neue Perspektiven von Seßlach. Mitunter von Passierenden unbemerkt, verstecken sich Flurdenkmäler am Wegrand. Ob Kreuz- und Sühnesteine, Wegkreuze aus Stein und Holz oder Bildstöcke: Sie alle sind steinerne Zeugen aus vergangenen Tagen, erzählen von guten oder schlechten Ereignissen im Leben unserer Vorfahren und sind Ausdruck gelebten Glaubens. Zwölf dieser steinernen Zeugen lassen sich jetzt entlang des neuen Marterl-Weges ablaufen, der am Freitag in Seßlach eingeweiht wurde. „Es ist ein schöner Rundwanderweg entstanden, auf dem sich entdecken lässt, was schon Jahrhunderte in unserer Flur steht“, sagte Bürgermeister Maximilian Neeb zur Begrüßung der rund 50 Teilnehmenden. Die Idee, die ihm zufolge „viele Väter hatte“, wurde vom Tourismus- und Kulturausschuss der Stadt aufgegriffen und von Tourismuschefin Maria Brückner umgesetzt. Station 2 des Marterl-Weges mit Ekkehard Siegel (links) und Alexandra Vorderwülbecke (rechts des Denkmals) // Bettina Knauth Vom Rathaus wanderte die Gruppe zum ersten Bildstock im Rückertgärtchen vor dem Geyersberger Tor, „einem besonderen Ort“, wie Ekkehard Siegel sagte. Der 79-jährige Hattersdorfer ist sozusagen der „Vater“ des Marterl-Weges. Er hatte 2021 ein Buch mit allen Flurdenkmälern im Stadtgebiet Seßlach veröffentlicht, die für ihn Ausdruck von „Glaube und Gottvertrauen, Heimatkunde und Geschichte(n)“ sind. Station 2 des Marterl-Weges // Bettina Knauth Seit seiner Kindheit hatten Siegel die steinernen Zeugen fasziniert. „Ich möchte die Botschaften früherer Zeiten, die sie erzählen, für zukünftige Generationen erhalten“, beschrieb er damals seine Motivation. Vor fast 20 Jahren, im März 2003, gründete Siegel gemeinsam mit Andreas Franz, Berthold Heinlein, Karl Salb, Wilhelm Tein und Georg Vogt die „Interessengemeinschaft Flurdenkmäler Seßlach“ zum Erhalt der Marterl. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, betonte dessen Vorstand Siegel. Ein Bildband mit Abbildungen und Erläuterungen zu insgesamt 70 Wegkapellen und -kreuzen, Bildstöcken und -häuschen sowie Sühnesteinen Einnahmen generiert auch sein Bildband, der 88 Seiten mit Abbildungen und Erläuterungen zu insgesamt 70 Wegkapellen und -kreuzen, Bildstöcken und -häuschen sowie Sühnesteinen beinhaltet. „Da der Erhalt der Marterl mein Herzenswunsch bleibt, lege ich mein Amt aus Altersgründen nieder“, verkündete der Hattersdorfer am Freitag. Seine Nachfolgerin wird Alexandra Vorderwülbecke, die im Wechsel mit Siegel die steinernen Zeugen vorstellte. An der „Zehntstätte“ wurden früher Gerichtsurteile verkündet Das „Zehntmarterl“ am Fuße des Geyersbergs wurde nach seinem Standort benannt. Hier, an der „Zehntstätte“ wurden früher Gerichtsurteile verkündet. Der Bildstock von 1932, vermutlich eine Nachbildung des Originals aus dem 17. Jahrhundert, besteht aus einer Säule mit geflügeltem Engelskopf, die das Relief einer „Pietà“ trägt. Das von einem Eisenkreuz gezierte Relief zeigt die Muttergottes mit dem Leichnam ihres Sohne Jesus auf dem Schoß. Pfarrer Tobias Knötig und Marek Bonk halten eine Andacht. // Bettina Knauth „Ob die Menschen auch heute noch ihre Lebensereignisse mit ihrem Glauben in Verbindung bringen, wie sie es über Jahrhunderte hinweg getan haben?“, fragte Marek Bonk bei der ökumenischen Andacht. Für den Seßlacher Pastoralreferenten stellt der Marterl-Weg „einen wichtigen steinernen Impuls“ dar, um sich mit der eigenen Lebensgeschichte zu beschäftigen, „aber auch mit dem Überirdischen auseinanderzusetzen“. Alexandra Vorderwülbecke erklärt, was auf dem Marterl dargestellt wird. // Bettina Knauth Obwohl solche Bildstöcke eher in Orten katholischer Prägung zu finden sind – neben Seßlach selbst vor allem in den Stadtteilen Hattersdorf, Krumbach, Gleismuthhausen und Autenhausen – faszinierten sie auch Pfarrer Tobias Knötig (Heilgersdorf/Gemüda) schon früh, als „Zeugnisse des Glaubensbekundens“: „So unterschiedlich die Künstler, so unterschiedlich waren auch die Gründe für die privaten Stifter“, schilderte der Geistliche. Alle eine aber die Intention, „das Werk Christi für unser Heil sichtbar zu machen“. Als „sichtbare Zeugnisse des christlichen Glaubens“ stiften für ihn die Flurdenkmäler Identität und verbinden die Gläubigen über die unterschiedlichen Konfessionen hinweg. Das „Tatenkreuz“ zeigt den Heiligen Franz Xaver mit einem Kreuz in der Hand Am zweiten Halt erwartete das „Xaverius-Kreuz“ von 1733 die Gruppe. Das „Tatenkreuz“ zeigt den Heiligen Franz Xaver mit einem Kreuz in der Hand, dazu Engel und ein Schiff in aufgewühlter See. Es geht zurück auf die Legende, dass der als Missionar tätige Jesuitenpater ein Kreuz in den Indischen Ozean warf, worauf der heftige Sturm nachließ. Das Kruxifix aber versank und wurde ihm am nächsten Tag an Land von einer Krabbe in ihren Scheren zurückgebracht. „Das Marterl erbittet den göttlichen Segen, um die Flur vor Unwetter und Ungemach zu bewahren“, erläuterte Alexandra Vorderwülbecke. Station 3 des Marterl-Wegs // Bettina Knauth Allein rund 5000 Euro kostete die Sanierung des „Käppela“ am Weißen Weg, oberhalb der Wefa in Seßlach. Zuvor fast im Gestrüpp versteckt und langsam verfallend, wurde das Bildhäuschen aus dem frühen 18. Jahrhundert freigelegt, gereinigt und behutsam restauriert, um es für die Nachwelt zu erhalten. Nun erstrahlt der pittoresk unter einer Kieferngruppe gelegene Bildstock wieder im alten Glanz. Er zeigt in der Nische das Relief des Jesuskindes mit seinen Eltern sowie darüber in Wolken das „allsehende“ Auge Gottes. Eingerahmt wird es von einem Dreieck, das für die göttliche Dreifaltigkeit steht. Diese Bildsäule bildet die Station 4 des Marterl-Wegs. // Bettina Knauth Neben dem Marterl bietet eine Ruhebank einen schönen Blick ins Rodachtal, bis hin zur Veste Heldburg. Zur Finanzierung trug auch ein Zuschuss aus dem „5 für 500“-Regionalbudget der Initiative Rodachtal bei. Die Gruppe der Rundgang-Teilnehmer vor dem Barbara-Marterl // Bettina Knauth Häufig machten früher die „Flurumgang“ genannten Prozessionen Halt an Bildstöcken. Mit diesen Bittgängen erbaten ländliche Pfarreien im Frühjahr den Segen Gottes „für eine gute Ernte und das allgemeine Wohlergehen“, sagte Vorderwülbecke. Ein Beispiel stellt der Bildstock an der Kreuzung von Coburger Straße (CO 16) und Weißem Weg dar: Er stammt aus dem Jahr 1688 und zeigt die Muttergottes mit dem sterbenden Heiland in ihren Armen. Alexandra Vorderwülbecke erklärt, was das Marterl der Station 7 zu bedeuten hat. // Bettina Knauth Nach einem Unfall mit einem Schneepflug vor vier Jahren wurde die Säule vom Steinmetzbetrieb Borzel in Gemünda saniert, wie die Seßlacherin berichtete. Von dort kürzte am Freitag die Gruppe den Weg ab: Über die Stationen 6 („Fuchs-Kreuz“ an der Coburger Straße), 7 („Barbara-Marterl“ an der Poststraße) und 9 („Fronleichnam vor dem Hattersdorfer Tor) ging es zurück zum Rathaus. Marterl-Weg, Station 9 // Bettina Knauth „Der Marterl-Weg eignet sich für jeden, der wandern, aber auch Einkehr suchen und einfach mal runterkommen möchte“, fasste es Vorderwülbecke zusammen. 5,5 Kilometer lang ist der neue Rundweg, knapp 1,5 Stunden werden benötigt. Er führt an zwölf steinernen Zeugen vorbei und schlägt Abstecher zu vier weiteren Flurdenkmäler vor. Es gibt allerdings keine Hinweisschilder auf den „Marterl-Weg – Entlang der stummen Zeugen“ Hinweisschilder auf den „Marterl-Weg – Entlang der stummen Zeugen“ werden Interessierte vergeblich suchen. „Der Schilderwald rund um unser Städtchen ist schon beeindruckend genug“, meinte Maria Brückner. Die leichte Tour ist auf Outdoor active zu finden oder als Flyer bei ihr im Tourismusbüro in der Alten Schule (Luitpoldstraße 3) erhältlich. Auch den Wanderkartensets der Initiative Rodachtal wird der neue Flyer beigelegt. Lesen Sie auch: Denkmäler bewahren Neue Schmuckstücke im Coburger Land Für die gelungene Sanierung von historischen Gebäuden wurde viermal die „Eiserne Rose“ verliehen. Ein Objekt ist auch Bier-Liebhabern ein Begriff. Denkmalschutz Denkmal in der Warteschleife Die Schweizerei nahe der Rosenau sollte zur Holzhausfertigung werden. Doch es regte sich Widerstand bei verschiedenen Behörden. Frühere Grenze Ein Denkmal für Gorbatschow bei Neustadt? Ein Bürger aus Neustadt wünscht sich ein Denkmal für Gorbatschow an der früheren DDR-Grenze zwischen Franken und Thüringen. Geschichte Mahnmale aus Stein Im ganzen Landkreis sind Sühnesteine und Steinkreuze zu finden. Um viele ranken sich Geschichten zu grausamen Verbrechen, an die sie erinnern sollen.